Ein Traum

Ein Traum

Ein Traum ist eine Erzählung von Franz Kafka, die 1920 im Band Ein Landarzt erschien. Es ist eine Traumsequenz, die in erster Näherung von Todesnähe, aber auch von der schriftstellerischen Tätigkeit handeln kann. Der Freund Max Brod versuchte Martin Buber zu überzeugen, dieses Stück als Beitrag des jüdischen Denkens in jüdischen Prager Zeitschriften zu veröffentlichen. Es kam schließlich zu einer Veröffentlichung im Prager Tagblatt [1].

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Josef K. träumt, auf einem Friedhof spazieren zu gehen. Er wird von einem frischen Grabhügel wie magisch angezogen. Dort stehen zwei Männer mit einem Grabstein. Ein Dritter, an seiner Kleidung als Künstler zu erkennen, schreibt mit einem Bleistift in Goldbuchstaben auf den Grabstein: „Hier ruht“. Weiter kommt er nicht, die Aufmerksamkeit von K. scheint ihn zu irritieren. Dem Künstler gelingt nur noch ein schwaches „J“. Als er wütend in die Erde des Grabhügels stampft, versteht K. endlich. Er lässt sich in die Tiefe unter dem Grabstein fallen. "Während er aber unten, den Kopf im Genick noch aufgerichtet schon von der undurchdringlichen Tiefe aufgenommen wurde, jagte oben sein Name mit mächtigen Zieraten über den Stei. Entzückt von diesem Anblick erwachte er."

Textanalyse und Deutungsansatz

Diese Traumgeschichte entstand im Umfeld des Romans Der Process unter Verwendung der dortigen Hauptfigur Josef K. [2]

Und wie der Roman scheint dieser Traum für K. einen tödlichen Ausgang zu enthalten. Aber K. ist weder im Traum noch beim Erwachen negativ berührt von seinem vermeintlichen Ende im Grab. K. scheint seine Unversehrtheit weit weniger wichtiger zu sein, als die Tatsache, dass sein Name in der Schrift mächtig erstrahlt. Will der Schriftsteller darin die Hoffnung für eine große Bedeutung seiner Schriften ausdrücken? Zu Herzen gehen K. nur die Augenblicke der Schreibblockierung des Künstlers, die K. durch seine intensive Aufmerksamkeit offensichtlich verursacht. Er empfindet große Verlegenheit darüber und weint sogar.

Der an sich als düster belegte Ort Friedhof assoziiert hier wenig Beängstigendes. Die unheilvolle Friedhofsglocke schweigt auf ein Zeichen des Künstlers. Die Szenerie wird insgesamt mit einer positiven Wortwahl dargestellt, wie „schöner Tag“, „viel Jubel“, „entzückt“. Auch die Beschreibung der irrealen Traumelemente sind voller vitaler Dynamik: gleiten wie auf reißendem Wasser zum verlockenden Grabhügel hin, Grabstein in der Luft, jagende goldene Schrift aus gewöhnlichem Bleistift, von einer sanften Strömung auf den Rücken gedreht.

Die Erzählung könnte u.a. als ein Selbstbildnis Kafkas verstanden werden, dem von der Tiefe der Nacht beherrschte Autor, der in den Buchstaben wohnt und das Leben von sich abscheidet. Denn die Schrift ist toter Buchstabe. Sie ist das Medium von Trauer, Melancholie und Tod, weil sie keine Präsenz schafft sondern nur Annäherung an das Sein [3]. Nach diesem Interpretationsansatz wäre das Schreiben und das Stocken des Schreibens das eigentliche Thema dieser Geschichte; so wie es auch Kafkas großes Problem bei seinem Schaffen gewesen sein mag. Seine literarischen Werke haben sich häufig aus Träumen und Dämmerzuständen entwickelt, die sich seinem Willen und seinem intellektuellen Zugriff entzogen [4].

Das vergebliche Ringen um eine Sache bzw. das Geschehenlassen stellt unabhängig vom künstlerischen Schaffensprozess zwei mögliche menschliche Grunderfahrungen dar.

Rezeption

  • Stach (S. 138): Nahm man Brod beim Wort, dann hätte man mit Kafkas Traum allenfalls das Gegenteil (von jüdischem Denken) illustrieren können, nämlich die surreale Steigerung eines Narzissmus, den keinerlei Gemeinschaft vor der lustvollen Selbstzerstörung zu retten vermag.
  • v.Jagow (S.507): Der Traum dient als Rahmung für eine Geschichte, in der im Paradigma von Traum, Schrift und Tod über die Bedingungen der Kunstentstehung reflektiert wird.

Ausgaben

  • Franz Kafka. Sämtliche Erzählungen. Herausgegeben von Paul Raabe Frankfurt am Main und Hamburg: Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1970, ISBN 3-596-21078-X.
  • Franz Kafka Die Erzählungen Originalfassung Fischer Verlag 1997 Roger Herms ISBN 3-596-13270-3
  • Franz Kafka: Drucke zu Lebzeiten. Herausgegeben von Wolf Kittler, Hans-Gerd Koch und Gerhard Neumann. Frankfurt/Main: Fischer Verlag 1996, S.295-298

Sekundärliteratur

Einzelnachweise

  1. Stach S. 137 ff.
  2. Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie. München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S. 625
  3. s.v S. 626
  4. s.v S. 314

Weblinks

 Wikisource: Ein Traum – Quellen und Volltexte

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