Einkommensabhängige Studienfinanzierung

Einkommensabhängige Studienfinanzierung

Mit einkommensabhängiger Studienfinanzierung sind Modelle gemeint, bei denen sich die Rückzahlung einer erhaltenen Studienfinanzierung nach dem Einkommen der Absolventen bemisst. In Deutschland etabliert sich dieses Modell neben bereits bestehenden Formen der Studienfinanzierung, wie BAföG, Stipendien und Studienkrediten.

Zu unterscheiden ist zwischen hochschulspezifischen Modellen der einkommensabhängigen Studienfinanzierung, die einzelne Hochschulen ihren Studierenden anbieten (vor allem zur Finanzierung von Studiengebühren) und hochschulübergreifenden Modellen, die bundesweit Studiengänge an verschiedenen Hochschulen fördern.

Inhaltsverzeichnis

Funktionsweise von Human-Capital-Fonds

Ermöglicht wird die einkommensabhängige Studienfinanzierung in der Regel über Fonds (nach Kirchner: Human Capital Fonds, auch Studienfonds, Bildungsfonds, Ego-Fonds), an denen sich private und institutionelle Geldgeber durch die Investition von Kapital beteiligen. Studierende erhalten Geld für Lebenshaltungskosten, studienspezifische Sonderausgaben und Studiengebühren aus diesen Fonds und verpflichten sich, später einen bestimmten Prozentsatz ihres Einkommens über einen festgelegten Zeitraum an den Fonds zurückzuzahlen. Durch die mit dem Gehalt steigenden Rückzahlungen der Absolventen wird die Rendite für die Anleger erzielt. Das System ist in der Regel so gestaltet, dass der Beginn der Rückzahlung darüber hinaus an ein bestimmtes Mindesteinkommen gebunden ist. Bei Arbeitslosigkeit oder Berufsunfähigkeit setzen die Rückzahlungen aus.

Abgrenzung zum Studienkredit

Das Kriterium der Einkommensabhängigkeit ist der wichtigste Unterschied zum Studienkredit. Absolventen zahlen keine im Voraus festgelegten Raten zurück, die unabhängig von der finanziellen Lage des Einzelnen fällig werden, sondern einen festen Prozentsatz des tatsächlich vorhandenen Einkommens über eine festgelegte Rückzahldauer. Die Höhe der Rückzahlung passt sich damit flexibel der finanziellen Leistungsfähigkeit an. Eine finanzielle Überforderung wird auf diese Art und Weise vermieden, es gibt im Unterschied zum Kredit keine fixe Schuldenlast.

Hochschulübergreifende Human-Capital-Fonds

Die meisten Human-Capital-Fonds in Deutschland sind hochschulübergreifend, so dass sich allen Studierenden unabhängig von ihrer Universität für eine Finanzierung bewerben können.

Eine große Herausforderung liegt für hochschulübergreifende Anbieter von Human Capital Fonds darin, das zukünftige Einkommen der Studierenden zuverlässig zu schätzen, um individuelle Verträge zu gestalten, die den Prozentsatz des Einkommens und die Rückzahldauer betreffen. Gesichert wird dies unter anderem durch verfügbare Arbeitsmarktstatistiken und Auswahlverfahren, in denen ggf. Motivation, Leistungsbereitschaft, Talent und berufliche Entwicklungschancen je nach Studienfach, Hochschule und weiteren Qualifikationen in Betracht gezogen werden. Interessierte Studierende müssen daher in der Regel an einem Bewerbungsprozess teilnehmen, um ihre beruflichen Aussichten prognostizieren zu können, auf deren Basis die Kalkulation erstellt werden kann. Auch bei hochschulübergreifenden Bildungsfonds gibt es besondere Modelle, die sich wie der Festo Bildungsfonds beispielsweise ausschließlich an Studierende bestimmter Fachrichtungen richten.

Je nach Anbieter können Studierende überdies an einem inhaltlichen Förderprogramm teilnehmen, das beispielsweise durch das Training von Schlüsselkompetenzen einen erfolgreichen Berufseinstieg mit einem ggf. höheren Einkommen unterstützen soll, was sowohl im Interesse der Studierenden als auch im Interesse der Investoren liegt.

Mit der Deutschen Bildung und CareerConcept gibt es in Deutschland bislang zwei hochschulübergreifende Anbieter von einkommensabhängiger Studienfinanzierung.

Hochschulspezifische Human-Capital-Fonds

Hochschulspezifische Bildungsfonds werden insbesondere von kostenpflichtigen privaten Hochschulen angeboten, um Bewerbern eine Finanzierungsoption für die Studiengebühren zu geben, die stärker an den Ausbildungserfolg gekoppelt ist als ein Studienkredit. Erhält ein Absolvent dank einer hochwertigen Ausbildung auch eine gut dotierte Position im Berufsleben, zahlt er aufgrund der einkommensabhängigen Rückzahlung mehr Studiengebühren als ein Absolvent mit geringerem Gehalt.

Als erste Hochschule in Deutschland hatte die private Universität Witten-Herdecke eine einkommensabhängige Studienfinanzierung im Sinne eines umgekehrten Generationenvertrages. Die WHU Otto Beisheim School of Management bietet ihren Studierenden das Modell WHU Brain Capital an, dessen Fonds durch Einlagen von Absolventen der WHU finanziert ist. Teilnehmende Studierende zahlen während des Studiums keine Studiengebühren, sondern verpflichten sich, nach Abschluss ihres Studiums einen einkommensabhängigen Betrag im Sinne eines umgekehrten Generationenvertrags zu leisten.

Ein fondsgestütztes Finanzierungsmodell gibt es weiterhin für die Internationale FH Bad Honnef-Bonn. Außerdem gibt es an der Frankfurt School of Finance & Management seit 2005, an der Handelshochschule in Leipzig (HHL) seit 2003 und an der TU München seit 2004 hochschulspezifische Bildungsfonds.

Vorteile und Risiken

für Studierende

Für Studierende minimiert sich durch die einkommensabhängige Rückzahlung das individuelle Risiko einer Verschuldung. Bei Arbeitslosigkeit oder Berufsunfähigkeit setzen die Rückzahlungen aus, was für die betroffenen Absolventen eine große Sicherheit darstellt. Aus diesem Grund ist es möglich, dass einige Absolventen deutlich weniger zurückzahlen müssen, als sie während des Studiums an Unterstützung erhalten haben. Umgekehrt tragen Absolventen, die weit mehr verdienen, das Risiko, absolut gesehen deutlich mehr zurückzuzahlen.

Abhängig vom Anbieter profitieren Studierende von einem Förderprogramm (z.B. redaktionelle Online-Angebote, Vorträge, Trainings und Workshops, Kontakte in die Berufswelt), die die Organisation des Studiums und einen erfolgreichen Einstieg in das Berufsleben unterstützt.

für Investoren

In die Ausbildung von künftigen Hochschulabsolventen zu investieren, kann für Anleger in mehrfacher Hinsicht von Vorteil sein. Zum einen beteiligen sie sich an einer gesellschaftlich sinnvollen Anlage, denn als rohstoffarmes Land profitiert Deutschland im besonderen Maße von qualifizierten Fachkräften. Zugleich partizipieren sie am zukünftigen Erfolg der Studierenden, indem sie von den Rückzahlungen der gut verdienenden Absolventen profitieren. Durch die Förderung vieler Studierender durch Fonds (=breite Streuung) entsteht für die Anleger zudem ein gutes Rendite-Risiko-Verhältnis. Akademiker weisen nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit außerdem eine konstant geringe Arbeitslosigkeit auf, was das geringe Risiko dieser Anlageklasse untermauert. Ein weiterer Vorteil ist, dass Investoren bei dieser Anlageklasse weitgehend vor der Inflation geschützt sind, da Gehälter sich langfristig mit der Inflation einer Volkswirtschaft entwickeln. Die Anlageklasse „Mensch“ hängt außerdem nicht mit der Entwicklung herkömmlicher Anlageklassen, wie zum Beispiel Aktien, Renten, Immobilien oder Rohstoffen, zusammen.

Zum volkswirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund

Die Idee einer einkommensabhängigen Studienfinanzierung geht auf den Ökonom Milton Friedman zurück, der das Modell 1945 aufgebracht hat. Er hat den Begriff des „Human Capital Contracts“ (HCC) entwickelt und beschrieben. Der Begriff „Humankapital“ wurde unter anderem in den 1960er Jahren vom Ökonom und Nobelpreisträger Gary Becker geprägt.

Das Modell einer fondsgestützten, einkommensabhängigen Studienfinanzierung wurde schließlich 2004 von Miguel Palacios Lleras in einer umfassenden Publikation dargelegt („Investing in Human Capital“). Seine zentrale These ist, dass einkommensabhängige Studienfinanzierung für Studierende als Beleihung ihres eigenen Kapitals betrachtet werden könne („Equity-like Instrument“). Durch einkommensabhängige Studienfinanzierung entstünde außerdem ein stärkerer Wettbewerb unter den Hochschulen: Studierende entscheiden sich seiner Theorie nach bewusster für Hochschulen, deren Studienkosten in einem guten Verhältnis zu den erwarteten Berufsaussichten stehen.

Kritik

Bildungsfonds wird immer wieder vorgeworfen nur für besonders begabte Studenten zur Verfügung zu stehen. Diese würde zu weiteren sozialen Ungerechtigkeiten an den Hochschulen führen. Außerdem würde die starke Selektion die staatlichen Bildungskredite schwächen, da diese nur noch von schwächeren Studenten genutzt würden.[1]

Weitere einkommensabhängige Finanzierungsmodelle

In Großbritannien und Australien wird zum Teil eine staatliche Variante der einkommensabhängigen Studienfinanzierung umgesetzt.

Literatur

  • Kirchner, Markus: Geschenkter Wohlstand - Bildungsrenditen einen gebührenfreien Hochschulstudiums. Universitätsverlag Potsdam, 2007. ISBN 3-939469-84-X
  • Palacios Lleras, Miguel: Investing in Human Capital. A Capital Markets Approach to Student Funding. Cambridge, 2004, ISBN 0-521-82840-6
  • Equity-like Instruments for Financing Education. Cato Institute Policy Analysis Paper No. 462. 2002.
  • Strickfaden, Michael H.: The German market of private higher education financing: are the existing products suitable to satisfy students' needs? , Marburg: Tectum Verlag 2009, ISBN: 978-3-8288-2069-2

Quellen

  1. Asta Köln: Investitionen in Humankapital geben die beste Rendite!. ( PDF) 14. November 2005

Weblinks


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