Aicardi-Goutières-Syndrom

Aicardi-Goutières-Syndrom
Klassifikation nach ICD-10
G93.4 Enzephalopathie nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Aicardi-Goutières Syndrom ist eine autosomal-rezessive Erbkrankheit, die erstmals 1984 von den französischen Ärzten Jean François Aicardi und Françoise Goutières beschrieben wurde. Abgegrenzt werden muss das Aicardi-Syndrom, das eine gänzlich andere erbliche Hirnentwicklungsstörung darstellt.

Das Aicardi-Goutières-Syndrom ist eine genetisch heterogene Hirnveränderung (Enzephalopathie), die klinisch Ähnlichkeiten mit einer intrauterin erworbenen Infektion aufweist, jedoch ohne Erregernachweis und bei bekannter genetischer Ursache. Bisher sind wenige, maximal hundert Fälle beschrieben worden.

Symptome

Die betroffenen Kinder fallen zumeist durch Schwierigkeiten beim Füttern, ruckartige Augenbewegungen, gelegentliche leichte Fieberschüben, Erbrechen und Zappeligkeit auf. Bei ca. einem Drittel der Patienten kommt es im Alter von sechs Monaten zum Verlust vorher gelernter motorischer Fähigkeiten. Die Kinder zeigen spastische Lähmungen oder dystone, unkoordinierte Bewegungen. Die Spastizität und Bewegungsstörungen führen oft zu Kontrakturen an Armen und Beinen. Gelegentlich treten Krampfanfälle auf. Es kommt zu einer zunehmenden psychomotorischen Retardierung. Viele Patienten versterben in der frühen Kindheit.

In einer Untersuchung [1] an elf italienischen Kindern traten die ersten Symptome im Mittel nach 3,3 Monaten auf, meist mehrere Symptome gleichzeitig: Je fünfmal Irritabiliät und psychomotorische Entwicklungsstörung, je viermal Fieberschübe und Schluckstörungen sowie viermal Muskeltonusstörungen (Hypo- und Hypertonie), bei einem Kind Anfälle und eine Vergrößerung von Leber und Milz.

In der Untersuchung des Hirnwassers (Liquor cerebrospinalis) zeigt sich eine Erhöhung der weißen Blutkörperchen (CSF-Lymphozytose) und des Alpha-Interferons als Hinweis auf eine entzündliche Ursache. Im Blut finden sich eine Verminderung der Blutplättchen (Thrombozytopenie) und ein Anstieg der Leber-Enzymwerte (Leber-Transaminasen). Oft sind Leber und Milz vergrößert.

In einer Schnittbilduntersuchung des Schädels (Computertomographie) ist ein Hirnsubstanzverlust nachweisbar (Atrophie), sowie eine Fehlbildung der weißen Hirnsubstanz (Leukodystrophie). Hinzu kommen zahlreiche Verkalkungsherde.

Da gelegentlich Hautveränderungen, ein Komplementfaktormangel und antinukleäre Antikörper nachgewiesen wurden, wurde ein Zusammenhang mit rheumatischen Erkrankungen vermutet. Wegen der Ähnlichkeit mit einer intrauterinen Infektion mit Toxoplasma-Parasiten wurde das Syndrom synonym auch als Pseudotoxoplasmose -Syndrom benannt.

Lokalisation der Genmutation

Inzwischen wurden fünf Genorte lokalisiert (TREX1, RNASEH2A, RNASEH2B, RNASEH2C, und SAMHD1), die dieses Syndrom verursachen können.[2] Zuerst wurde in fünf nicht verwandten Familien eine Mutation des Gens TREX1 auf Chromosom 3p21 beschrieben.[3] [4]

Einzelnachweise

  1. Lanzi G et al: Neurology 2005; 64: 1621-1624 (Erste Symptome bei elf italienischen Kindern)
  2. Aicardi-Goutières-Syndrom bei Online Mendelian Inheritance in Man
  3. Y. J. Crow u. a.: Mutations in the gene encoding the 3'-5' DNA exonuclease TREX1 cause Aicardi-Goutières syndrome at the AGS1 locus. In: Nature Genet 38, 2006, S. 917–920. PMID 16845398 (Erstbeschreibung der TREX1-Mutation)
  4. G. Ramantani, J. Kohlhase u.a.: Expanding the phenotypic spectrum of lupus erythematosus in Aicardi-Goutières syndrome. In: Arthritis and rheumatism. Band 62, Nummer 5, Mai 2010, S. 1469–1477, ISSN 1529-0131. doi:10.1002/art.27367. PMID 20131292.


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