Erbauungsliteratur

Erbauungsliteratur
Hans Pleydenwurff: Kanonikus Georg von Löwenstein mit Andachtsbuch. um 1456

Der Begriff Erbauungsliteratur, der erstmals um das 14. Jahrhundert erwähnt wird, beschreibt ursprünglich volksnahe Schriften mit religiöser Motivation. Bei der Erbauungsliteratur handelt es sich nicht um theologische Literatur, da sie keine wissenschaftlichen Diskurse verfolgt und keine dogmatischen Absichten besitzt. Vielmehr war mit den Veränderungen der Neuzeit eine Konzentration auf die Innerlichkeit zu verzeichnen, die sich im Bereich der Religion in der Beobachtung der Frömmigkeit Gestalt schuf. Es handelt es sich um eine Anleitung für ein tugendhaftes Leben, die emotional den Geist erbauen sollte.

Eine Wurzel hat die Erbauungsliteratur in der Heiligenlegende. Weitere Formen sind Andachtsbuch, Gebetbuch, Stundenbuch oder Sammlungen von Predigten.

Erbauungsliteratur war jahrhundertelang weit verbreitet, einzelne Ausgaben wurden sogar über Konfessionsgrenzen hinweg gelesen. Sie trat anfänglich auf in Gestalt religiöser Biografien oder Bekehrungsgeschichten, aber auch in Gestalt von Kirchenliedern, die nicht selten zu diesem Zweck geschaffen wurden. Das 17. Jahrhundert schuf zahlreiche literarisch bedeutende Schriften von bekannten Barockdichtern wie Johann Arndt, Johann Michael Dilherr, Jeremias Drexel, Paul Gerhardt, Johannes Lassenius, Joachim Meichel, Martin Moller, Heinrich Müller und Christian Scriver.

Aufgrund der bewussten Schlichtheit der Inhalte wurde der Begriff in späterer Zeit auch negativ wertend gebraucht. Im 19. Jahrhundert verstand man deshalb unter Erbauungsliteratur auch kitschige oder einfältige Literatur. Mit der Industrialisierung des Buchdrucks erwuchs zunächst in den 100.000-fach vertriebenen erbaulichen Traktaten eine eigene Literaturform. Begonnen mit den im angelsächsischen Bereich entstehenden Traktatgesellschaften, verbunden mit dem Aufkommen des Kolportagehandels setzte sich diese Vertriebsform rasch im gesamten europäischen Raum durch. Bahnbrecher des Vertriebs von Erbauungsliteratur im deutschsprachigen Raum waren damals u.a. das Haus Bertelsmann sowie der Christliche Verein im nördlichen Deutschland. Im 19. Jahrhundert wurde Erbauungsliteratur zunehmend durch die Unterhaltungsliteratur verdrängt.

Siehe auch

Literatur

  • John Procopé, Rudolf Mohr, Hans Wulf: Erbauungsliteratur I. Alte Kirche II. Mittelalter bis Neuzeit III. Reformations- und Neuzeit IV. Die Erbauungsliteratur in der Gegenwart, in: Theologische Realenzyklopädie 10 (1982), 28-83 (umfassender Überblick mit weiterer Literatur)
  • Rosmarie Zeller: Erbauungsliteratur im Historischen Lexikon der Schweiz
  • weitere Literaturangaben auf rodopi.nl

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Erbauungsliteratur — Erbauungsliteratur,   im weiteren Sinn jede der Stärkung des Glaubens und der Frömmigkeit dienende Literatur, von der Bibel über Heiligenlegenden, Gebetbücher, Psalterien, mystische Visionsberichte bis zu bekenntnishaften Autobiographien (z. B.… …   Universal-Lexikon

  • Erbauungsliteratur — Er|bau|ungs|li|te|ra|tur, die; …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Erbauungsschrift — Hans Pleydenwurff: Kanonikus Georg von Löwenstein mit Andachtsbuch. um 1456 Der Begriff Erbauungsliteratur, der erstmals um das 14. Jahrhundert Erwähnung findet, beschreibt ursprünglich volksnahe Schriften mit religiöser Motivation. Bei der… …   Deutsch Wikipedia

  • Christliche Literatur — Der Heliand, eines der bedeutendsten Zeugnisse der frühen deutschen Schriftsprache, erzählt das Leben Jesu Christi nach. Im Bild ein Fragment, ca. 850. Christliche Literatur ist diejenige fiktionale und nicht fiktionale Literatur, der die… …   Deutsch Wikipedia

  • hebräische Literatur. — hebräische Literatur.   Das Hebräische diente in biblischer Zeit als jüdische Umgangs und Literatursprache, in der spätbiblischen und nachbiblischen Antike neben dem Aramäischen v. a. als Literatursprache. Das Schrifttum aus diesen Perioden wurde …   Universal-Lexikon

  • Johannes Habermann — Johann Habermann Johann(es) Habermann, auch Johann Avenarius (* 10. August 1516 in Eger (Böhmen); † 5. Dezember 1590 in Zeitz) war ein deutscher lutherischer Theologe, Erbauungsschriftsteller und …   Deutsch Wikipedia

  • Martin Moller — (* 10. November 1547 in Ließnitz, heute Kropstädt bei Wittenberg; † 2. März 1606 in Görlitz) war ein deutscher Mystiker und Kirchenlieddichter. Er gilt als Mitbegründer der evangelischen Erbauungsliteratur. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Wertung …   Deutsch Wikipedia

  • Andachtsbuch — Als Andachtsbuch wird ein Buch aus dem Bereich der Erbauungsliteratur bezeichnet, dessen Funktion die private religiöse Andacht des Laien ist. Typische Beispiele dieses Buchtyps waren seit dem Spätmittelalter das Stundenbuch, volkssprachliche… …   Deutsch Wikipedia

  • Andreas Schoppe — Andreas Schoppe, auch: Andreas Schoppius (* um 1538 in Lebenstedt; † 17. April 1614 in Wernigerode) war ein deutscher lutherischer Theologe, Erbauungsschriftsteller und Chronist. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werkauswahl 3 Literatur …   Deutsch Wikipedia

  • Arno Lehmann — (* 23. Mai 1901 in Dresden; † 21. April 1984 in Halle (Saale)) war ein deutscher Missionar und Professor für Religions und Missionswissenschaft. Leben Nach dem Studium am Seminar der Evangelisch lutherischen Mission zu Leipzig war Lehmann von… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”