- Eruptionsregen
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Der ursprünglich indonesische Begriff Lahar bezeichnet Schlamm- und Schuttströme, die von einem Vulkan ausgehen. Dabei mischen sich eruptives Material, z. T. metergroße Blöcke, mit Lockersedimenten und Wasser. Je nach Geländeneigung können Lahars durch die Schwerkraft eine Geschwindigkeit bis zu 100 km/h erreichen, über 100 km weit fließen und große Gebiete überschwemmen. Sie können durch einen Vulkanausbruch ausgelöst werden, aber auch völlig unabhängig davon entstehen. Lahars können bedingt durch ihre Entstehung u.U. Temperaturen in die höheren Zehnergrade haben.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Die Definition ist in der Literatur nicht ganz einheitlich. Die Encyclopedia of Volcanoes beschränkt den Begriff auf Schlammströme i.w.S., die einen Sedimentanteil zwischen 20% und 90% haben, und sie müssen von einem Vulkan ausgehen. Das entspricht in sedimentologischen Begriffen einem Debris Flow (Sedimentanteil ca. 50 bis 60% bis ca.90%) und einem Hyperkonzentrierten Strom (Sedimentanteil zwischen 20 und 50-60%. Schlammströme mit niedrigeren Sedimentkonzentrationen transportieren Sediment wie Flüsse, entweder in Suspension oder als Bodentransport. Die Encyclopedia of Volcanoes empfiehlt zudem, den Begriff Lahar auf den Prozess zu beschränken und nicht auf die Ablagerung anzuwenden, obwohl der Begriff in der Literatur inzwischen auch z.T. auf die Ablagerungen ausgedehnt worden ist („Fossile Lahare“).
Entstehung und Ursache
Lahars können bei oder kurz nach einem Vulkanausbruch entstehen. Sie können aber auch völlig unabhängig von einem Vulkanausbruch ausgelöst werden.
Voraussetzung für die Entstehung von Laharen sind:
- ein großes Wasserreservoir in Form von Schnee, Eis oder Seen
- große Mengen von unverfestigten Material, z.B. pyroklastische Strom- oder Fall-Ablagerungen, glaziale Ablagerungen, Böden oder Kolluvium
- steile Hänge und gewisses Relief des Liefergebietes
- einen Auslöser, der die richtige Mischung (siehe oben) für einen Lahar produziert.
Typische Auslösemechanismen:
- vulkanische Aktivität oberhalb der Schneegrenze. Schnee und Eis werden schnell aufgeschmolzen (siehe auch Gletscherlauf) und mischen sich mit Lockersedimenten. Dieser Prozess kann sehr große Lahare auslösen.
- starke Regenfälle, die auf vulkanisches Lockersediment treffen. Starkregen sind häufige Begleiter des Vulkanismus, wenn viel Wasserdampf aus der glutflüssigen Schmelze freigesetzt wird, der sich dann mit dem atmosphärischen Wasser verbindet und um die feinsten Aschepartikel kondensiert. Meist werden durch diesen Prozeß nur kleinere, aber sehr häufige Lahars ausgelöst
- in Folge vulkanischer Aktivitäten können Seen, die zuvor durch vulkanische Ablagerungen aufgestaut wurden, durch den Bruch dieser natürlichen Dämme plötzlich in die Ebene abfließen. Auch dieser Auslöser kann sehr große Lahars produzieren.
- Kollaps-induzierte Lahar. Durch die Instabilität von vulkanischen Lockermassen können Hänge oder kleinere Teile eines Vulkangebäudes kollabieren. Enthält das Sediment genügend Porenwasser, kann dieses Porenwasser das Sediment verflüssigen. Flache Intrusionen von Magma in ein Vulkangebäude sind hierbei die häufigsten Ursachen. Meist werden dadurch aber nur kleinere Lahars ausgelöst.
Erosion
Lahars können auf ihrem Weg talwärts stark erosiv sein. Dabei werden Böschungen unterspült und Hänge untergraben. Vor allem in vulkanischen Lockermassen kann die Erosion beträchtlich sein und sekundäre kleinere Erdrutsche auslösen. Generell gilt, dass die Erosion umso höher ist, je mehr Wasser die Schlammströme enthalten. Entscheidend für die Erosionstätigkeit ist jedoch, dass in kurzer Zeit sehr große Mengen an Wasser bzw. an einem Schlamm/Wasser-Gemisch abfließt, das entsprechend stärker erodierend ist, als ein kontinuierliches Abfließen.
Veränderung der Lahars beim Abfließen
Flutströme, also Wasserströme mit weniger als 20% Sedimentführung, die von Vulkanen ausgehen, können sich durch Aufnahme von Sediment auch zu Laharen verändern. Sie verlangsamen dadurch die Fließgeschwindigkeit. Dieser Prozeß ist eher seltener der Fall. Lahars können auch durch die weitere Aufnahme von Wasser „verdünnt“ und können zu „normalen“ Flutströmen werden. Meist nehmen Lahars Sediment und Wasser auf und verändern sich bis zur Ablagerung in hrem Fließverhalten nicht wesentlich. Beim Abfließen „sammeln“ Lahars buchstäblich alles auf, was auf ihrem Weg liegt, Bäume, Trümmer und auch Lebewesen.
Naturkatastrophen durch Lahars
Während die direkte Umgebung von Vulkanen, die am meisten von Ausbrüchen bedroht ist, in der Regel ohne Besiedlung bleibt, ist die weitere Umgebung der Vulkane wegen der fruchtbaren Böden oft dicht besiedelt. Die Bedrohung durch die Vulkane wird als gering eingeschätzt. Lahars haben deshalb vor allem durch ihre weite Fließreichweite ein beträchtliches Zerstörungspotenzial.
- Am 24. Dezember 1953 ereignete sich Neuseelands schwerstes Eisenbahnunglück, als ein Lahar eine Eisenbahnbrücke bei Tangiwai wegschwemmte. Kurz nach dem Einsturz erreichte der Nachtzug Wellington-Auckland die Stelle und stürzte in den Schlammstrom. 151 Menschen kamen ums Leben, viele der Opfer wurden niemals gefunden.
- Ein Lahar beim Ausbruch des Mount St. Helens im Süden des Bundesstaates Washington in den USA am 18. Mai 1980 trug zum Ausmaß der verheerenden Katastrophe bei.
- Am 13. November 1985 verursachte ein Lahar des Vulkans Nevado del Ruiz in Kolumbien die zweitgrößte Zahl von Todesopfern durch einen Vulkanausbruch im 20. Jahrhundert. Der bis zu 5 m hohe Schlammstrom erreichte die 47 km entfernte Stadt Armero etwa zweieinhalb Stunden nach dem Ausbruch und kostete zwei Drittel der 28.700 Einwohner das Leben.
- In den südlichen Anden Chiles grub ein Lahar des Vulkans Villarrica (2.847 m ü. NN) noch in einer Entfernung von 14 km eine Fließrinne, die an ihrer Oberkante eine Breite von 128 m besitzt und 8 m tief ist.
- Im März 2007 ergoss sich wie 1953 ein Lahar vom neuseeländischen Vulkan Ruapehu. Menschenleben waren diesmal nicht zu beklagen, da die Behörden entlang des Flusses Whangaehu rechtzeitige Maßnahmen getroffen hatten.
Laharablagerungen
Die Ablagerungen eines Lahars unterscheiden sich in den Sedimentstrukturen nicht von denen eines Debris Flow und eines Hyperkonzentrierten Stroms. Es entstehen je nach Ausgangszusammensetzung Debrite, Diamiktite, Parakonglomerate und Brekzien. Sie unterscheiden sich von „normalen“ Schutt- und Schlammströme im Grunde nur durch das vulkanogene Material, aus denen sie überwiegend bestehen. Es gibt Übergänge zu „normalen“ Schlammströmen.
Durch die plötzliche Bedeckung mit Schlammmassen können u.U. auch viele Lebewesen fossilisiert werden. Es kann eine Fossillagerstätte entstehen.
Fossile Laharablagerungen
Vor ungefähr 5600 Jahren ereignete sich am Mount Rainier (US-Bundesstaat Washington) ein riesiger Lahar. Das Volumen wurde auf etwa 3,8 km3 berechnet. Er hat Täler mit bis zu 200 m Sediment verfüllt, eine Strecke bis zu 120 km zurückgelegt und floss noch 20 km unter Wasser am Grund des Puget Sound weiter.
An den Monts Dore in der französischen Auvergne hat ein Lahar im Tertiär mehr als 30 km zurückgelegt[1].
Einzelnachweise
Literatur
- Hans Füchtbauer, Sedimente und Sedimentgesteine, 4. neubearbeite Auflage, 1141 S., Stuttgart, 1988, ISBN 3-510-651-38-3.
- Haraldur Sigurdsson (Hrsg.): Encyclopedia of Volcanoes. 1417 S., Academic Press, San Diego et al., 2000 ISBN 0-12-643140-X
Weblinks
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