- Erzeugungsgrammatik
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Generative Grammatik ist ein Oberbegriff für solche Grammatik-Modelle, mit deren Regelsystem sich alle grammatischen Sätze einer Sprache generieren lassen (gebildet aus lat. generare = erzeugen und griech. τέχνη γραμματική). Häufig wird der Begriff auch synonym zu generative Transformationsgrammatik verwendet, womit alle Generativen Grammatiken mit Transformationsregeln gemeint sind. Allerdings sind auch alternative Grammatik-Modelle wie die Head-driven Phrase Structure Grammar ("Kopfgetriebene Phrasenstrukturgrammatik") oder die lexikalisch-funktionale Grammatik generativ im obigen Sinne. Der auf Noam Chomsky zurückgehende Begriff „Generative Grammatik“ bezeichnet außerdem eine sprachwissenschaftliche Schule, in der solche formalen Grammatiken eine wichtige Rolle spielen.
In den meisten Fällen ist eine generative Grammatik in der Lage, mithilfe rekursiver Regeln aus einer endlichen Zahl von Lexemen eine unendliche Zahl an Sätzen zu generieren. Diese Eigenschaft ist sehr wünschenswert für ein Modell natürlicher Sprachen, da menschliche Gehirne nur eine endliche Kapazität haben, die Anzahl der möglichen grammatischen Sätze jeder Einzelsprache aufgrund von deren Rekursivität aber unendlich ist.
Abgrenzungen
Generative Grammatik muss von traditioneller Grammatik unterschieden werden, da Letztere oft stark präskriptiv (statt deskriptiv) und nicht mathematisch explizit ist und sich meist mit einer relativ kleinen Menge einzelsprachspezifischer syntaktischer Phänomene befasst. Genauso sollte die generative Grammatik von anderen deskriptiven Herangehensweisen unterschieden werden, wie z. B. den verschiedenen funktionalen Theorien.
Generative Grammatik und Strukturalismus
Die generative Transformationsgrammatik zählt zum modernen amerikanischen Strukturalismus.[1]. Von anderen werden die Unterschiede zum herkömmlichen Strukturalismus betont[2] Die generative Grammatik soll einen Paradigmenwechsel von der strukturalistischen Sprachwissenschaft weg vollzogen[3] und "eine grundlegende Neuorientierung in die Sprachwissenschaft gebracht" haben[4].
Als Unterschiede zwischen dem Strukturalismus (dann im engeren Sinn) und der generativen Transformationsgrammatik werden benannt:[5]
Strukturalismus generative Transformationsgrammatik beschreibend erzeugend
statisch (endliches Corpus) dynamisch, Sprache als enérgeia
von der parole realer Sprecher ausgehend von der langue (= Kompetenz) des idealen Sprechers ausgehend
empirisch mentalistisch[6]
Orientierung an den Naturwissenschaften Orientierung am philosophischen Rationalismus
Orientierung am Positivismus Orientierung an mathematischen und automaten-theoretischen Modellen
(syntaxbetonte) Generative Grammatik bei Chomsky
Spricht man von Generativer Grammatik, ist zumeist die von Chomsky entwickelte gemeint, die zwar mit der Standardtheorie auch semantische Komponenten einbezog, jedoch syntaktische betonte.
Entwicklungsstadien der generativen Grammatik (bei Chomsky)
Die generative Grammatik hat bei Chomsky mehrere Entwicklungsstadien durchlaufen:[7]
(1955-1964) frühe Transformationsgrammatik (Chomskys "Syntactic Structures")
(1965-1970) Standardtheorie (ST)
(1967-1980) Erweiterte Standardtheorie (EST) bzw. Revidierte Erweiterte Standardtheorie (REST) (Konzept der Modularität)
(seit 1980) „Government and Binding Theory“ (GB)
(90er Jahre) „Minimalistisches Programm“
Siehe Artikel Minimalistisches Programm.
Bezug zur Chomsky-Hierarchie
Generative Grammatiken können mit Hilfe der Chomsky-Hierarchie verglichen und beschrieben werden, die von Noam Chomsky in den 50er Jahren entworfen wurde. Diese ordnet eine Reihe von verschiedenen Typen formaler Grammatiken nach ansteigender expressiver Kraft. Unter den einfachsten Typen sind die regulären Grammatiken (Typ 3). Chomsky behauptete, dass reguläre Sprachen nicht ausreichend als Modell für menschliche Sprachen sind, da alle Sprachen die Einbettung von Nebensätzen in Sätze in einer hierarchischen Anordnung erlauben.
Auf einer höheren Komplexitätsebene sind die kontextfreien Grammatiken (Typ 2). Die Ableitung eines Satzes durch eine kontextfreie Grammatik kann als Baumstruktur abgebildet werden. Sprachwissenschaftler, die im Feld der generativen Grammatik arbeiten, betrachten solche Bäume oft als ihr hauptsächliches Studienobjekt. Dieser Ansicht zufolge sind Sätze nicht nur Ketten von Wörtern, sondern Bäume mit unter- und übergeordneten Ästen, die durch Knotenpunkte verbunden sind.
Das Baummodell funktioniert in etwa wie in diesem Modell, in dem S ein Satz ist, D ein Determinierer, N ein Nomen, V ein Verb, NP eine Nominalphrase und VP eine Verbalphrase:
S / \ NP VP / \ / \ D N V NP Der Hund fraß / \ D N den Knochen
Der generierte Satz lautet “Der Hund fraß den Knochen”. Ein solches Baumdiagramm wird auch als Phrasenstrukturmodell bezeichnet. Derartige Baumdiagramme lassen sich aufgrund der zugrundegelegten Regeln automatisch generieren (siehe Weblinks).Der Baum kann auch als Text dargestellt werden, auch wenn der schwieriger zu lesen ist:
[S [NP [D Der ] [N Hund ] ] [VP [V fraß ] [NP [D den ] [N Knochen ] ] ] ]
Chomsky gelangte zu der Erkenntnis, dass auch die Phrasenstruktur nicht ausreicht, um natürliche Sprachen zu beschreiben. Um das zu beheben, formulierte er das komplexere System der Transformationsgrammatik.
Wurzeln und Parallelen
Cartesianische Logik
Chomsky griff bei seinen Überlegungen auf die Cartesianische Logik zurück[8]. Ziel der generativen Transformationsgrammatik „ist es also, durch ein System von expliziten Regeln das implizite Wissen von Sprache abzubilden und damit eine logisch begründete Theorie über das Denken der Menschen zu schaffen“[9], womit „die aufklärerische Idee logischer Formen“[10] fortgesetzt wird.
Proposition und Satz-Lexem
Die Transformationsgrammatik „zeigt die rein formalen Methoden, wie man einen sprachlichen Ausdruck einer Frage in den eines Befehls z.B. umformt, und setzt dafür bei beides eine gemeinsame Basis voraus (deep structure) ...“[11]. Die Tiefenstruktur soll dem Satz-Lexem bei Menne entsprechen[12].
Das Satz-Lexem korrespondiert mit der Proposition.
Kognitive Psychologie (?)
„Bei Chomsky dient die Analyse der Sprache letztlich dazu, Aufbau und Funktionsweise des menschlichen Gehirns zu erforschen, für ihn wird die Linguistik etwas wie die Teildisziplin der Kognitiven Psychologie“[13].
Kritisiert wird, dass alle Versuche der Sprachpsychologie zeigen sollen, dass die generative Grammatik „ein logisches, kein psychologisches Modell“ ist.[14]
Literatur
- Pelz, Linguistik (1996), S. 167 - 179 (neuere Auflage 2006/7)
(rein) semantisch orientierte generative Grammatik (Generative Semantik) (Katz/Fodor)
Die Generative Semantik ist eine generative Grammatik[15], die im Gegensatz zu der von Chomsky (generative Grammatik i.e.S.) "der Semantik primäre Wichtigkeit vor der Syntax einräumte"[16]. Sie entstand in kritischer Auseinandersetzung mit der generativen Transformationsgrammatik.[17] Sie ist eine "Grammatik-Theorie, in der statt der Syntax die Semantik generative Komponente und Basis der Satzbildung ist“[18] Hauptvertreter der Generativen Semantik sind KATZ und Fodor[19].
Für die Generative Semantik ist die Tiefenstruktur eine rein semantische und die Oberflächenstruktur eine rein syntaktische Repräsentationsebene.[20]
Die Generative Semantik führte zu einer "Verringerung der Zahl grammatischer Kategorien auf S, NP und V (in Anlehnung an Prädikatenlogik: V = Prädikat, NP = Argument; ...“[21] und zu einer „Zerlegung einzelner Lexeme in semantische Merkmale (↑ Dekomposition) und Durchführung von Transformationen bereits vor Einsetzung der Lexeme in den Stammbaum (=prälexikalische Transformationen)“[22].
Kritiker der Generativen Semantik[23] führen ins Feld, dass die Tiefenstruktur "hochgradig abstrakt" und entsprechend der Transformationsteil "äußerst komplex" sei. Auch sei der Grundsatz von der Bedeutungserhaltung der Transformationen nicht durchgängig aufrecht zu erhalten oder mit anderen Worten: die syntaktischen Strukturverhältnisse bestimmten die semantische Interpretation mit.
Siehe auch: Generative Semantik
Auswirkungen
Generative Grammatik in der Musik
Die generative Grundidee Chomskys ist durch Fred Lerdal und Ray Jackendoff auch zur Beschreibung der musikalischen Grammatik aufgegriffen worden.
Literatur
- Lerdahl, Fred & Jackendoff, Ray (1996): A Generative Theory of Tonal Music. MIT Press. ISBN 026262107X.
Weblinks
- Kleine Einführung in die Generative Grammatik
- Java Applet "The Syntax Student's Companion" von A. Max. zur Generierung von Baumdiagrammen
Einzelnachweise
- ↑ so Homberger, Sachwörterbuch zur Sprachwissenschaft (2000)/Strukturalismus
- ↑ Pelz, Linguistik (1996), S. 169 ff.
- ↑ Dürr/Schlobinski, Deskriptive Linguistik (2006), S. 115
- ↑ Pelz, Linguistik (1996), S. 169
- ↑ von Pelz, Linguistik (1996), S. 179, jedoch ihre "Gegenüberstellung zugleich (als) fragwürdig (bezeichnend) angesichts der prinzipiellen, konzeptionellen Unterschiede in Ansatz und Zielsetzung"
- ↑ so Pelz, Linguistik (1996), S. 179. Richtiger dürfte sein, dass de Saussure mentalistisch und Chomsky rationalistisch ist.
- ↑ nach Dürr/Schlobinski, Deskriptive Linguistik (2006), S. 115; bei Pelz, Linguistik (1996), S. 174 ff.: "Erste Version" - ST - EST - RST - GB, dabei die Generative Semantik zwischen ST und EST anführend
- ↑ Homberger, Sachwörterbuch zur Sprachwissenschaft (2000)/Strukturalismus
- ↑ Stolze, Übersetzungstheorien, 4. Aufl. (2005), S. 42
- ↑ Stolze, Übersetzungstheorien, 4. Aufl. (2005), S. 42
- ↑ A. Menne, Methodologie, 2. Aufl. [1984], S. 45
- ↑ A. Menne, Methodologie, 2. Aufl. [1984], S. 45
- ↑ Pelz, Linguistik (1996), S. 172
- ↑ so Lüdi, Zur Zerlegbarkeit von Wortbedeutungen, in: Schwarze/Wunderlich, Handbuch der Lexikologie (1985), S. 64 (88)
- ↑ Pelz, Linguistik (1996), S. 175
- ↑ Pelz, Linguistik (1996), S. 175
- ↑ Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 5. Aufl. (2002)/Generative Semantik
- ↑ Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 5. Aufl. (2002)/Generative Semantik
- ↑ Pelz, Linguistik (1996), S. 175
- ↑ Pelz, Linguistik (1996), S. 176
- ↑ Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 5. Aufl. (2002)/Generative Semantik
- ↑ Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 5. Aufl. (2002)/Generative Semantik
- ↑ Pelz, Linguistik (1996), S. 176
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