Fahrradcodierung

Fahrradcodierung
Gravurgerät der Firma Kirba

Fahrradcodierung ist eine Maßnahme, um

  • Fahrraddiebstahl und den Verkauf von Rädern durch Diebe und Hehler zu erschweren,
  • die Rückführung gefundener oder sichergestellter Fahrräder zu erleichtern,
  • der Polizei und der Grenzpolizei die Überprüfung auf den wahren Eigentümer zu ermöglichen

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Fahrradcodierung in Deutschland begann 1993, als die Polizei in Bergisch Gladbach erste Versuche machte, Fahrräder mittels einer Signatur für Diebe und Hehler unattraktiv zu machen. Die Polizei in Gießen entwickelte das System weiter. Kurz danach schuf die Polizei in Friedberg (Hessen) das unter der Bezeichnung FEIN-Codierung (Friedberger Eigentümer-Identifikations-Nummer) bundesweit bekannt gewordene Codiersystem. Dieses hat inzwischen den größten Zuspruch aller entsprechenden Vorbeugungsmaßnahmen. Ein Vorstoß, dieses System durch die Innenministerkonferenz bundesweit verbindlich empfehlen zu lassen, scheiterte mit 15:1 Stimmen an der Weigerung Berlins, daran teilzunehmen. Nach den Statuten wäre Einstimmigkeit erforderlich gewesen. Bei der Polizei wird das bundesweite, vom Aufbau her identische Verfahren inzwischen unter der Abkürzung EIN (Eigentümer-Identifizierungs-Nachweis) geführt.

In Österreich wurde die Fahrradcodierung 1996 in Wels erstmals von der Polizei umgesetzt und danach über Linz, St. Pölten und Wiener Neustadt schließlich 1998 auch in Wien angeboten.[1] Einige Gemeinden südlich des Brenners, so in Bruneck, haben lokale Systeme entwickelt, die der österreichischen Variante ähneln.

In Frankreich wird seit 2006 in mehreren Regionen eine Fahrradcodierung angeboten, die aber mehr den Charakter einer Fahrradregistrierung hat.

Luxembourg und Niederlande haben ebenfalls eigene Systeme der Fahrradcodierung entwickelt.

Aufbau des FEIN-Codes

Eingravieren eines FEIN-Codes

Der Code wird nach dem Baukastenprinzip aus den individuellen Daten des Fahrrad-Eigentümers zusammengestellt und enthält in verschlüsselter Form den Wohnort, die Adresse und die Initialen des Besitzers. Die örtlich zuständige Polizei kann anhand des Codes sehr schnell ermitteln, wo der mutmaßliche Eigentümer wohnt. Eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt, wer für die mitenthaltenen Initialen in Frage kommt, engt den Kreis der vermutlich Bestohlenen auf maximal wenige Personen ein, denn nur etwa im Verhältnis 1:300 sind identische Initialen zu erwarten. Weitere Einzelheiten finden sich bei der Beschreibung der FEIN-Codierung.

Aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen bezüglich der Verfügbarkeit von amtlichen Straßenschlüsseln kommen in den einzelnen Bundesländern teilweise leicht abweichende Verfahren zur Anwendung. Lediglich Berlin hat sich zu einer komplett abweichenden Verfahrensweise entschlossen. Dort wird statt der Anschrift das Geburtsdatum benutzt. Auch Bayern sieht sich nicht mehr in der Lage, flächendeckend Straßenschlüssel anzubieten. Dort wird daher häufig eine bis zu achtstellige Abkürzung des Straßennamens favorisiert.

Neben der FEIN-Codierung gibt es eine Reihe weiterer Varianten im In- und Ausland. Beispielsweise fand in Hamburg zeitweilig der Digicode eine gewisse Verbreitung. Ebenso gibt es Varianten mit RFID-Chips. Solche Varianten basieren oft auf einer anbieterspezifischen Lösung, die nur mittels dortiger zentraler Registrierung und/oder spezieller Lesegeräte funktionieren.

In Österreich wird das Codier-Verfahren mit leichter Modifikation ebenfalls angewandt.[2]

Velovignette

In der Schweiz war aufgrund einer Verpflichtung, Fahrräder versichern zu lassen und die entsprechende Versicherungsplakette am Rad anzubringen, die Codierung unüblich. Seit der Kauf der Vignetten ohne Registrierung möglich ist, erlaubt die 11 bis 13stellige Vignettennummer keinen Rückschluss mehr auf den Eigentümer.

Vorgehensweise

  • Der Antragsteller weist mittels Personalausweis und Kaufquittung sein Eigentum nach
  • Der für den Eigentümer ermittelte individuelle Code wird in einer Schablone gesteckt
  • Mittels eines Pantografen wird dieser Code auf praktikable Größe reduziert
  • Der Code wird in das Sattelrohr - knapp unterhalb des Sattels - eingefräst (etwa 0,15 mm tief)
  • Die Gravurstelle wird mit einer Klarsichtfolie gegen Korrosion geschützt, gleichzeitig ein optisches Signal an Diebe, dass das Fahrrad besonders gesichert und damit schwer verkäuflich ist

Erfolge

  • In Gebieten, in denen die Codierung stark verbreitet ist, sinkt die Diebstahlquote und erhöht sich die Aufklärungsquote bei gestohlenen Rädern signifikant. Während bundesweit die Aufklärungsquote bei Fahrraddiebstählen durchschnittlich um 6 % liegt, steigt diese teilweise auf über 30 % an.
  • Uncodierte Fundräder können nur zu einem Bruchteil dem Eigentümer zugeordnet werden und landen häufig in der Versteigerung. Codierte Fundräder sind dagegen fast immer identifizierbar.
  • Einige Versicherungen gewähren aufgrund geringerer Diebstahlquoten einen deutlichen Rabatt auf die Versicherungsprämie.
  • In Berlin hat sich innerhalb zehn Jahren die Zahl der Radfahrer verdoppelt. Durch die Codierung sank die Diebstahlsquote und erhöhte sich die Aufklärungsquote bei Fahrraddiebstählen um teilweise über 30 %. Codierte Fundräder sind fast immer identifizierbar, uncodierte hingegen landen sehr häufig in der Versteigerung.[3]

Kritik an der Codierung

  • Diverse Hersteller von Fahrradrahmen lehnen die Codierung aus Stabilitätsgründen ab und drohen mit Wegfall von Garantieleistungen.
  • Händler befürchten Rahmenbrüche aufgrund vorgenommener Codierung.
  • Häufig wird argumentiert, dass die Gravurstelle leicht ausgeschliffen werden kann.
  • Gravur ist hinderlich bei Umzug oder Namensänderung.
  • Keine zentrale Speicherung und Änderung der Eigentümerdaten, etwa bei Umzug oder Verkauf.
  • Bei unsachgemäß entsorgten Fahrrädern können durch die Codierung feststellbare Erstbesitzer mit einem Ordnungsgeld belegt werden, auch wenn sie nicht dafür verantwortlich sind.

Hindernisse

  • Fräsungen beeinträchtigen die Stabilität des Rahmens. Sie dürfen daher nur an wenigen, relativ unbedenklichen Stellen, vorgenommen werden. Sehr dünnwandige Rahmen und Carbonrahmen dürfen auf keinen Fall graviert werden.
  • Diverse Rahmenformen, vor allem sogenannte „Fullies“ (fully suspended, d. h. voll gefederte Rahmen), eignen sich nur sehr eingeschränkt für die Gravur.

Gegenargumente

Nach Auskunft der Befürworter sind bisher mehr als eine Million Fahrräder im Bundesgebiet codiert worden, ohne dass die prophezeiten Schäden eingetreten sind. Es wird lediglich eingeräumt, dass diese bei unprofessioneller Vorgehensweise der Codierer eintreten könnten. Das Gutachten eines Professors der TH Aachen bestätige diesen Sachverhalt. Dieses Gutachten wird jedoch zum Teil erheblich kritisiert.[4] Dass Codierungen ausgeschliffen werden können, halten die Anbieter für wenig relevant, weil dies zu aufwändigen Neulackierungen zwinge, was den an schnellem Umsatz interessierten Dieben nicht ins Konzept passe.

Umzug und Namensänderungen bei Heirat werden im Einwohnermeldeamt registriert und führen zu keiner wesentlichen Erschwerung bei der Suche nach dem mutmaßlichen Eigentümer. Dies gelte insbesondere dann, wenn die vom ADFC empfohlene Jahreszahl angefügt werde.

Gerade der Verzicht auf eine zentrale Speicherung sei ein besonderer Vorteil: Der Code funktioniert auch ohne jegliche Registrierung. Beim Verkauf weist die Codierung auf den damaligen Eigentümer hin. Die Legitimation erfolgt hier einerseits durch einen schriftlichen Kaufvertrag, andererseits selbst noch über Rückfrage beim codierten Eigentümer und ist obendrein auch als Merkmal in Diebstahlsregistern hilfreich: Erst bei einer Diebstahlsmeldung erfolgt bei der Polizei eine europaweit abrufbare Speicherung der Daten.

Alternativen zur Codierung

Foliencodierung
der Code wird auf eine Folie aufgedruckt und dann auf den Rahmen geklebt
Chipverfahren
Ein kleiner, am Fahrrad angebrachter Chip, enthält eine eindeutige alphanumerische Zeichenfolge, die mittels eines Lesegerätes ausgelesen werden kann.

Beide Verfahren werden von Kritikern als teuer und im Ernstfall untauglich eingeschätzt. Sie argumentieren, dass diese Codierungen fast rückstandslos entfernbar seien und die Polizei nicht über die notwendigen Lesegeräte verfüge. Einige Anbieter dieser Systeme seien in den letzten Jahren finanziell gescheitert oder als Betrüger aufgeflogen.

Klebecodierung
auch Etikettencodierung genannt, wird seit 2010 besonders vom ADFC Bayern stark vorangetrieben. Dabei wird ein handelsüblicher Etikettendrucker eingesetzt, der den im Übrigen mit EIN identischen Code auf eine stark klebende Folie aufträgt, die dann am Rahmen deutlich sichtbar angebracht wird. Über die Widerstandsfähigkeit dieser Folien gegen mechanische, chemische und thermische Angriffe sind noch keine schlüssigen Erfahrungen gesammelt worden. Es ist aber davon auszugehen, dass es eher unwahrscheinlich ist, Folien zu entwickeln, die auf allen Untergründen in gleicher Form haften.
Fahrrad-Registrierung
Dieser hauptsächlich von Polizeidienststellen, aber auch privaten Unternehmen angebotene Service bedeutet, dass die für die Identifizierung eines Rades wichtigen Details wie Rahmennummer, Hersteller, Typ in einer eigenen Datenbank hinterlegt und das Fahrrad mit einem Aufkleber, der auf diese Registrierung hinweist, versehen wird. Die Fahrradregistrierung wurde in den meisten Polizeidienststellen des Bundesgebietes lange angeboten, dann aber wegen mangelnder Effizienz und aufgrund Personalmangels meist eingestellt worden. Es bleibt abzuwarten, ob sich die neuerdings zu beobachtende Wiederkehr dieser Registrierung als effizienter herausstellen wird.

Anbieter von Codierungen

Codieranbieter in Deutschland
Legende
grün: Polizei
rot: Händler
blau: ADFC
klein: Ansprechpartner
  • Vor allem in Nordrhein-Westfalen und in Ostdeutschland ist die Codierung quasi ein Monopol der Polizei, die dort meist kostenlos vorgenommen wird. Durch die Streichung von Stellen und Geldmitteln schwinden diese Angebote, wie 2004 in Leipzig. Von 1994 bis 2004 codierte die Leipziger Polizei 64.504 Fahrräder in ihrem Zuständigkeitsbereich, bietet seit 2009 nur noch Fahrradregistrierung an. In einigen Städten nimmt sich auch die Verkehrswacht dieser Aufgabe an.
  • In Nord- und Süddeutschland gibt es meist nur kostenpflichtige Angebote der Fahrrad-Clubs oder einzelner Fahrradhändler. Ausnahme: Die Polizei in Baden-Württemberg und Hessen bietet sporadisch kostenlose Fahrradcodierungen an. In Berlin bietet die Polizei im Rahmen der Prävention auch die kostenlose Codierung.[5]
  • In Rheinland Pfalz wird die Codierung auch von einzelnen Kreisverkehrswachten in Zusammenarbeit mit der Polizei kostenlos angeboten.
  • In Österreich wird die Codierung durch Kontaktbeamte der Polizei durchgeführt;[6] außerdem bieten verschiedene Gemeinden bzw. Stadtpolizeien dies an.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Polizei Wien - 22. August 2007 - Polizei Wien - Fahrradcodierung → Die Geschichte der Fahrradcodierung
  2. Bundesministerium für Inneres - 6. Mai 2008 - BMI Kriminalprävention → Fahrradcodierung - Funktionsweise
  3. Fahrradcodierungen Abgerufen 25. September 2011
  4. Einzelheiten zum und Kritik am Gutachten über die Unbedenklichkeit der Codierung
  5. Fahrradcodierungen Abgerufen 25. September 2011
  6. Polizei Wien - 22. August 2007 - Polizei Wien - Fahrradcodierung

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