Akustisch evozierte Potenziale

Akustisch evozierte Potenziale

FAEP (oder auch kurz AEP) ist die Abkürzung für frühe, akustisch evozierte Potentiale. Es bezeichnet ein medizinisch-biologisches Phänomen und steht zugleich für eine medizinische Messmethode. Als AEP werden messbare, elektrische Potentialschwankungen bezeichnet, die im Stammhirn entstehen, wenn bestimmte Schallsignale auf das Ohr treffen. Die Untersuchung wird auch als BERA bezeichnet (Brainstem evoked response audiometry, deutsch Hirnstammaudiometrie). Man spricht von EBERA, wenn die Potentiale mit Hilfe einer direkten elektrischen Stimulation des Hörnerven hervorgerufen werden. In der Neurologie und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde relevant sind dabei die elektrischen Ereignisse bis etwa 10 ms. Auch die weitere Verarbeitung der Schallreize lässt sich messtechnisch mit entsprechenden Versuchsanordnungen erfassen. Diese Potentiale lassen sich mit Latenzen von einigen hundert Millisekunden messen. Sie spielen in der Neuropsychologie als Ereigniskorrelierte Potentiale eine wichtige Rolle.

Schallreize werden durch das Mittelohr übertragen und lösen im Innenohr Nervenimpulse aus, die über den Hörnerv (Nervus vestibulocochlearis) zum Stammhirn gelangen. Im Nucleus cochlearis werden die Signale erstmals umgeschaltet und lösen eine elektrische Potentialänderung aus, die mit Messelektroden auf der Kopfhaut gemessen werden kann. Es folgen in einer Kette weitere Schaltstationen zur Verarbeitung der Signale, die jeweils zeitversetzt typische messbare Potentialänderungen auslösen.

Mit dem AEP können in der Neurologie Erkrankungen des Hörnerven und des Hirnstamms aber auch der Reifungszustand der Hörbahn untersucht werden. Während die Magnetresonanztomographie (MRT) die anatomischen Verhältnisse zeigt, kann das AEP die funktionellen Störungen nachweisen, die z. B. durch ein Akustikusneurinom (Kleinhirnbrückenwinkeltumor) - ein seltener und gutartiger Tumor - hervorgerufen werden.

Das Verfahren lässt sich grob in zwei Teile gliedern:

  • Reizerzeugung
  • Potentialmessung

Die akustischen Reize werden von einem Impulsgenerator erzeugt und über einen Kopfhörer dargeboten. Dabei ist zu beachten, dass der Kopfhörer elektromagnetisch gut abgeschirmt ist, um die Ableitung nicht durch vom Kopfhörer erzeugte elektromagnetische Felder zu stören. Bei den Reizen handelt es sich fast immer um so genannte kurze „Klicks“1, die in Abständen von einigen hundertstel Sekunden der Versuchsperson zu Gehör gebracht werden. Dieser Abstand ist möglichst kurz gewählt, damit in kurzer Zeit eine Höchstzahl an Messungen stattfinden kann. Es gibt aber eine Untergrenze für den zeitlichen Abstand, unterhalb der sich die Messignale der aufeinanderfolgenden Klicks miteinander vermischen und die Auswertung mit besonderen Verfahren durchgeführt werden muss.

Gemessen werden die Reizantworten mit Elektroden, die meistens auf der Haut oberhalb des hinter der Ohrmuschel gelegenen Mastoidknochens des Felsenbeins, an der Stirn und am Scheitel befestigt werden. Die Elektroden sind mit dem Eingang eines hochempfindlichen Messverstärkers verbunden, der Verstärkungen von bis zu 100 dB ermöglicht. Die Signale werden dann mit einem AD-Wandler abgetastet und quantisiert. Die nun vorliegende Messreihe wird untersucht und die Antworten auf die Reize daraus isoliert. Da im Messsignal eine große Menge an Störsignalen vorliegt, wird eine Vielzahl solcher Reizantworten aufgezeichnet und aus diesen das arithmetische Mittel aller Reizantworten gebildet (Averaging, Mittelwertbildung).

Betrachtet man nun die gemittelte Reizantwort aus ausreichend vielen Einzelmessungen als Zeitverlauf der Messspannung, so werden bei einem gesunden Hörorgan charakteristische Maxima und Minima deutlich. Ursache ist die Art der Verarbeitung von Schallereignissen. Nach der Erzeugung von elektrischen Impulsen im Innenohr werden diese über den Hörnerv geleitet. Dieser kann mit einem gut isolierten elektrischen Kabel verglichen werden. Gelangt die Erregung auf dem Weg zum Gehirn jedoch in ein Verarbeitungszentrum mit vielen Nervenzellen (Kerngebiete der Hörbahn), wird das als Gipfel und Täler im Zeitverlauf sichtbar.

Für die Latenzen der Komponenten im AEP lassen sich Normwerte aufstellen. Am zeitlichen Abstand zwischen verschiedenen Maxima im Graphen kann nun erkannt werden, ob die Nervenfasern normal funktionieren oder nicht. Bei Säuglingen und Kleinkindern sind die Abstände der Signalgipfel gegenüber den Zeitpunkten bei älteren Kindern und Erwachsenen noch verlängert. Im Laufe der ersten zwei Lebensjahre erfolgt durch Optimierung der Umschaltprozesse in den Kerngebieten der Hörbahn im Hirnstamm eine Verbesserung der Informationsvorverarbeitung, die für das Sprach- und Geräuscherkennen wichtig ist (der Optimierungsfortschritt ist Grundlage des Spracherwerbs von Kleinkindern, der sich deshalb im selben Zeitverlauf verbessert). Dieser Optimierungsprozess kann dementsprechend mit den AEP sehr genau untersucht und quantifiziert werden, was besonders bei der Beurteilung von früherworbenen Hörstörungen und Spracherwerbsstörungen wichtig ist.


1Klick ist eine allgemein verbreitete Bezeichnung für sehr kurze Schallreize. Diese werden von den meisten Menschen eben wie ein Klicken empfunden, daher der Name. Die wesentlichen Eigenschaften der Klicks sind:

  • kurz (im Millisekundenbereich)
  • das Spektrum ist breitbandig (aber oft durch Filter beschränkt)
  • Sie reizen einen Großteil der Haarsinneszellen im Innenohr

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