Akutagawa Ryūnosuke

Akutagawa Ryūnosuke
Akutagawa Ryūnosuke (zweiter von links)

Akutagawa Ryūnosuke (jap. 芥川 龍之介; * 1. März 1892 in Tokio; † 24. Juli 1927 ebenda) war ein japanischer Dichter und Schriftsteller. Neben Essays und Lyrik schrieb er etwa 150 Kurzgeschichten, Erzählungen und Romane. Der bedeutendste japanische Literaturpreis, der Akutagawa-Preis, ist nach ihm benannt.

Inhaltsverzeichnis

Jugend, Werdegang und schriftstellerische Tätigkeit

Akutagawa wurde als Sohn des Milchmannes Niihara Toshizō in Tokio geboren. Bei seiner Mutter Fuku kam kurz nach seiner Geburt eine Psychose zum Ausbruch, worauf sie in eine Psychiatrie eingeliefert wurde. Dies hatte zur Folge, dass er keine emotionale Verbindung zu ihr aufbauen konnte, was ihn schwer belastete, wie er in seinem autobiografischen Werk „Das Leben eines Narren“ schildert. Sie verstarb 1902 (Akutagawa war damals 10 Jahre alt).[1] Allerdings wurde Akutagawa von seinem Onkel adoptiert und seine Tante konnte die Mutterrolle übernehmen. Erste Texte veröffentlichte er in der Zeit von 1912 bis 1916, als er an der Kaiserlichen Universität Tokyo englische Literatur studierte. Nachdem er drei Jahre lang als Englischlehrer tätig war, begann er für die Zeitung Ōsaka Mainichi zu schreiben.

Noch als Student wollte er seine Jugendfreundin Yoshida Yayoi heiraten, doch seine Familie missbilligte die Verbindung. 1916 verlobte Akutagawa sich mit Tsukamoto Fumi, die er 1918 heiratete. Sie hatten drei Kinder, Hiroshi (1920), Takashi (1922) und Yasushi (1925).

Tod und Nachlass

Ab 1919 verschlechterte sich Akutagawas Gesundheitszustand. Es handelte sich dabei ebenfalls um eine Psychose. Er hat Halluzinationen und Angstzustände. In der damaligen Medizin beginnt man allerdings erst, ein genaueres Verständnis dieser Krankheit zu entwickeln. U.a. sagt ihm etwa sein Hausarzt seine Halluzinationen würden durch Tabakgenuss hervorgerufen werden (Rauchen galt in der damaligen japanischen Gesellschaft offenbar als verpönt und „teuflisch“).

Parallel dazu wiesen seine Erzählungen zunehmenden Realismus und Gesellschaftskritik auf. Schließlich durchlebte Akutagawa zusätzlich zu seiner eigenen Krankheit auch den Verfall der Gesellschaft, die sich auf einen Expansionskrieg zubewegte.

Obwohl er mittlerweile ein respektierter Schriftsteller ist, geht es ihm immer schlechter und seine Symptome nehmen zu. Er versucht seine Situation in der Erzählung „Zahnräder“ zu verarbeiten, gerät jedoch immer tiefer in eine Krise (der Titel hat seine Halluzinationen zum Inhalt: Er halluziniert immer wieder Zahnräder, die sich in sein Gesichtsfeld schieben). Er beschäftigt sich mit dem Thema Suizid. Die damals verbreitete Meinung zum Thema Suizid in der japanischen Gesellschaft war, dass er moralisch richtig ist, „falls es keine andere Lösung mehr gibt“. Akutagawa legt diese Maxime sehr zu Gunsten des Suizids aus, indem er behauptet, dass jeder Selbstmörder keine andere Lösung mehr gesehen habe und damit moralisch richtig gehandelt habe. Vor seiner Ehefrau nicht mehr in der von der japanischen Gesellschaft geforderten Rolle des Ehemanns auftreten zu können gibt 1927 schließlich den Ausschlag für seinen Suizid.

In seinem Gedenken wird der renommierte Akutagawa-Preis halbjährlich an herausragende japanische Schriftsteller verliehen.

1954 wurden seine Kurzgeschichten Rashōmon (1915) und Im Gebüsch (1921) von dem berühmten japanischen Regisseur Kurosawa Akira unter dem erstgenannten Titel verfilmt. Rashomon diente zudem der japanischen Komponistin Mayako Kubo als Vorlage für eine Oper (1996).

Bedeutung

Akutagawa versuchte als einer der ersten asiatischen Dichter und Schriftsteller, den einheimischen Literaturstil mit der „traditionellen“ europäischen Literatur zu verbinden und so zu modernisieren. Durch seinen Schreibstil revolutionierte er seine Epoche und hat nachhaltig die größten japanischen Schriftsteller beeinflusst.

Akutagawa war sowohl mit der japanischen und chinesischen als auch mit der europäischen Literatur vertraut. Beeinflusst wurde er unter anderem von Autoren wie Edgar Allan Poe, Charles Baudelaire, Oscar Wilde, Mori Ōgai und Natsume Sōseki. Der Titel seines autobiografischen Werks „Das Leben eines Narren“ bezieht sich auf den ebenfalls autobiografischen Roman „Le plaidoyer d’un fou“ von August Strindberg aus dem Jahre 1895, in dem Strindberg ein schonungsloses Bild seiner Ehe mit Siri von Essen zeichnet.

Der vielgestaltige Stoff seiner Kurzgeschichten ist oft japanischen Volkssagen oder der Literatur des japanischen Mittelalters entlehnt. Die Geschichten haben meist einen zutiefst psychologischen Hintergrund. So bleiben sie auch dann auf die aktuellen Verhältnisse übertragbar, wenn sie in einer historischen Epoche angesiedelt sind.

In der japanischen Literatur gilt er als einer der wichtigsten Vertreter der so genannten Intellektuellen Schule, die versuchte, einen Mittelweg zwischen der rein objektiven Beschreibung des Naturalismus und dem gefühlsüberladenen Neoromantismus zu finden.

Werke

  • 1914 Rōnen 老年
  • 1915 Rashōmon 羅生門 (dt. Rashomon) Vorlage zu Akira Kurosawas Film Rashomon – Das Lustwäldchen
    • dt. Rashomon. Übersetzt von Jürgen Berndt, in: Akutagawa. Japanische Novellen, Berlin Verlag Volk und Welt, 1966, S.115-124
  • 1916 Hana (dt. Die Nase)
  • 1918 Jigokuhen 地獄変
    • dt. Qualen der Hölle. Übersetzt von Jürgen Berndt, in: Akutagawa. Japanische Novellen, Berlin Verlag Volk und Welt, 1966, S.125-168
  • 1918 Kumo no ito 蜘蛛の糸
    • dt. Der Faden der Spinne. Übersetzt von Heinz Brasch, in: Japan erzählt. Hrsg. Margarete Donath, Frankfurt 1990, ISBN 3-596-10162-X, S.7-11
  • 1919 Mori-sensei 森先生
    • dt. Professor Mori. Übersetzt von Jürgen Berndt, in: Akutagawa. Japanische Novellen, Berlin Verlag Volk und Welt, 1966, S.291-310
  • 1919 Majutsu 魔術 (dt. Zauberkünste)
  • 1920 Aki
    • dt. Herbst. Übersetzt von Jürgen Berndt, in: Akutagawa. Japanische Novellen, Berlin Verlag Volk und Welt, 1966, S.7-26
  • 1920 Shunzanzu (dt. Das Bild von den Bergen im Herbst)
  • 1922 Shōgun 将軍
    • dt. Der General. Übersetzt von Jürgen Berndt, in: Akutagawa. Japanische Novellen, Berlin Verlag Volk und Welt, 1966, S.191-290
  • 1922 Niwa
    • dt. Der Garten.Übersetzt von Jürgen Berndt, in: Akutagawa. Japanische Novellen, Berlin Verlag Volk und Welt, 1966, S.311-322
  • 1922 Yabu no Naka 薮の中 (dt. Im Gebüsch) Vorlage zu Akira Kurosawas Film Rashomon – Das Lustwäldchen
  • 1924 Ikkai no Tsuchi 一塊の土 (dt. Ein Stück Erde)
  • 1927 Genkakusambō 玄鶴山房
    • Genkakus Bergklause. Übersetzt von Jürgen Berndt, in: Akutagawa. Japanische Novellen, Berlin Verlag Volk und Welt, 1966, S.232-346
  • 1927 Kappa 河童
    • dt. Kappa. Übersetzt von Jürgen Berndt, in: Akutagawa. Japanische Novellen, Berlin Verlag Volk und Welt, 1966, S.219-280
  • 1927 Haguruma 歯車 (dt. Zahnräder) Eindringliche Schilderung seiner psychotischen Symptomatik
  • 1927 Aru ahō no isshō 或阿呆の一生 (dt. Das Leben eines Narren) Autobiografie in Form aphoristischer Episoden

Zitate

„Was sich nun am besten als Sprungbrett [in den Selbstmord] eignet, ist eine Frau.“[2]

Einzelnachweise

  1. Akutagawa Ryūnosuke: Das Leben eines Narren, Suhrkamp, Frankfurt 1997, S. 79.
  2. Akutagawa Ryūnosuke: Das Leben eines Narren. S. 73.

Literatur

  • Anne Gentes: Untersuchung zur Evaluation von Übersetzungen. Am Beispiel von Akutagawa Ryunosuke. Kappa. München: Iudicium. 2004. ISBN 3-89129-799-8
  • Dietmar Heidenreich: Der Aphorismus als Epos bei Akutagawa Ryunosuke. Eine Gesamtdeutung aus der Perspektive der aphoristischen Tradition im deutschen Sprachraum. Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang. 1997. ISBN 3-631-31698-4

Siehe auch

Weblinks

Japanische Namensreihenfolge Japanischer Name: Wie in Japan üblich, steht in diesem Artikel der Familienname vor dem Vornamen. Somit ist Akutagawa der Familienname, Ryunosuke der Vorname.

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