Ferdinand Kindermann von Schulstein

Ferdinand Kindermann von Schulstein
Ferdinand Kindermann von Schulstein, Lithographie von Friedrich Dewerth
Wappen von Ferdinand Kindermann von Schulstein, Bischof von Leitmeritz (1790-1801)

Ferdinand Kindermann von Schulstein (* 27. September 1740 in Königswalde (Království) bei Schluckenau; † 25. Mai 1801) war römisch-katholischer Geistlicher und Bischof von Leitmeritz.

Inhaltsverzeichnis

Werdegang

Der Sohn einer kinderreichen Handwerkerfamilie besuchte 1754-1760 als Chorknabe des Saganer Chorherrenstiftes das dortige Gymnasium und studierte danach Philosophie und Theologie in Prag, wo er 1765 zum Priester geweiht und 1766 zum Dr. theol. promoviert wurde. Anschließend war er Hauslehrer bei der Adelsfamilie Buquoy, die auf ihren südböhmischen Gütern eine vorbildliche Armenfürsorge nach den josephinischen Vorstellungen schuf. Johann von Buquoy berief Kindermann 1772 als Pfarrer seiner Patronatspfarrei in Kaplitz, wo er auch die von Maria Theresia geforderten schulischen Reformen durchzuführen hatte.

Schulreformer

Da Kindermann ein gutes Organisationstalent besaß, konnte er rasch Erfolge vorweisen, so dass ihm 1774 die oberste Schulaufsicht in Böhmen übertragen wurde. Er bereiste das Land und veranlasste auch Reformen in der Lehrerbildung, die dazu führten, dass Böhmen bei der Verwirklichung der österreichischen Schulreform an der Spitze stand. 1777 verlieh ihm die Kaiserin auf seinen Wunsch das Dekanat des Allerheiligenkapitels in Prag.

Mit der Aufnahme in den Ritterstand im Jahre 1777 wählte er das Adelsprädikat „von Schulstein“. Im selben Jahr übertrug ihm die Kaiserin in ihrer Eigenschaft als König(in) von Böhmen weitere Aufgaben. Er befasste sich mit der Bodenreform auf den Staatsgütern und erstellte einen Bericht über die Seelsorge auf den böhmischen Staatsdomänen. Zusammen mit Johann Leopold von Hay gehörte er der Kommission an, die die Ursachen für religiöse Unruhen und Glaubensübertritte der bäuerlichen Bevölkerung in der Mährischen Walachei untersuchen und die Abtrünnigen zum Katholizismus zurückführen sollte. Dabei lehnte er gewaltsame Maßnahmen ab und empfahl die Verbreitung katholischer Bücher in tschechischer Sprache.

1779 gründete er die erste Industrieschule, die zur Hebung des Wohlstands der Bevölkerung beitragen sollte und wurde im gleichen Jahr zum geistlichen Inspektor berufen, zu dessen Aufgaben die Auswahl der Seelsorger gehörte. 1781 wurde er Propst des Vyšehrader Kapitels und 1783 Mitglied der Liquidierungskommission zur Aufhebung der Bruderschaften, mit der Joseph II. zusätzliche Mittel für die Schulen und die Armenpflege gewinnen wollte. Außerdem war Kindermann Mitglied der Geistlichen Hofkommission für Böhmen und wurde 1787 Prager Domscholaster. Damit gehörte er zu den einflussreichsten Persönlichkeiten Böhmens, stieß jedoch durch die geistige Nähe zur Reformpolitik Josephs II. auf Ablehnung in kirchenkonservativen Kreisen.

Bischof von Leitmeritz

Nach dem Tod des Leitmeritzer Bischofs Emmanuel Ernst von Waldstein nominierte Joseph II. Ferdinand Kindermann von Schulstein am 4. Februar 1790 zu dessen Nachfolger. Der päpstlichen Zustimmung vom 29. März folgte am 4. Juli desselben Jahres die Bischofsweihe durch den Prager Weihbischof Erasmus Dionys Krieger und am 10. Oktober die Inbesitznahme des Bistums.

Auch als Bischof fühlte sich Kindermann der Schulbildung und der Armenpflege verpflichtet. Er gründete eine Mädchenfortbildungsanstalt und eine landwirtschaftliche Schule, die fortschrittliche Kenntnisse im Acker- und Obstbau vermitteln sollte. Bei seinen Visitationen im Sprengel interessierte er sich auch für die jeweiligen Schulverhältnisse und belohnte vorbildliche Lehrer und Pfarrer mit Bücherspenden und Beförderungen. Wegen des Priestermangels halfen er und seine Kanoniker in der Seelsorge aus.

Besondere Bedeutung erlangte während seiner Amtszeit der Wallfahrtsort Mariaschein. 1795 verfasste er eine Schrift „Über die beste Bekehrungsart“, in der er die Notwendigkeit der Rekatholisierung betonte. Von einem Schlaganfall 1799 erholte sich nicht mehr. Zwei Jahre später starb er und wurde auf dem allgemeinen Friedhof außerhalb der Stadt beigesetzt.

Im Jahr 1894 wurde in Wien Hernals (17. Bezirk) die Kindermanngasse nach ihm benannt.

Literatur

Weblinks

  • Eintrag zu Ferdinand Kindermann von Schulstein auf catholic-hierarchy.org (englisch)


Vorgänger Amt Nachfolger
Emmanuel Ernst von Waldstein Bischof von Leitmeritz
17901801
Wenzel Leopold Chlumčanský von Přestavlk

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Kindermann — ist der Familienname folgender Personen: Adolf Kindermann (1899–1974), deutscher katholischer Theologe und Titularbischof Adolph Diedrich Kindermann (1823–1882), deutscher Maler und Fotograf August Kindermann (1817–1891), deutscher Opernsänger… …   Deutsch Wikipedia

  • Kindermann — Kindermann, 1) Balthasar, geb. 1633 in Zittau, st, 1796 als Senior, Scholarch u. Pastor an der St. Ulrichskirche in Magdeburg, hieß im Schwanenorden Kurander; er schr. Das Buch des Redlichen, Berl 1659; Sechs neue Gesichte, ebd. 1660: Die böse… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Kindermann — Kịndermann,   1) Ferdinand, Ritter von Schulstein (seit 1777), österreichischer katholischer Theologe und Schulreformer, * Königswalde (tschechisch Království) 27. 9. 1740, ✝ Leitmeritz 25. 5. 1801; war ab 1771 Pfarrer in Leitmeritz und ab 1790… …   Universal-Lexikon

  • Wenzel Leopold Chlumczansky von Prestawlk — Wenzel Leopold Fürst Chlumčanský Ritter von Přestavlk und Chlumetz; tschech.: Václav Leopold Chlumčanský z Přestavlk a Chlumčan; * 15. November 1749 auf Schloss Hostitz, Südböhmen; † 14. Juni 1830 in Prag) war Bischof von Leitmeritz und… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Bischöfe von Leitmeritz — Wappen des Bistums Leitmeritz Die folgenden Personen waren bzw. sind Bischöfe von Leitmeritz / (Litoměřice) Nr. Bischof von bis Beschreibung Dars …   Deutsch Wikipedia

  • Wenzel Leopold Chlumčanský von Přestavlk — Wappen Wenzel …   Deutsch Wikipedia

  • Emmanuel Ernst von Waldstein — Bischofswappen des Em(m)anuel Ernst Reichsgraf von Waldstein Em(m)anuel Ernst Reichsgraf von Waldstein (tschechisch Emanuel Arnošt Valdštejn; * 17. Juli 1716 in Prag; † 7. Dezember 1789 in Leitmeritz) war Bischof von Leitmeritz. Inhaltsverzeich …   Deutsch Wikipedia

  • Kindermann — Kindermann, 1) Ferdinand, später geadelt als Ritter v. Schulstein, kath. Geistlicher und Schulmann, geb. 27. Sept. 1740 zu Königswalde bei Schluckenau in Böhmen, gest. 25. Mai 1801 in Leitmeritz, studierte in Prag und wurde 1771 Pfarrer zu… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Liste der Biografien/Ki — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Kaplitz — Kaplice …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”