- Galgenlieder
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Galgenlieder ist ein erstmals im März 1905 im Verlag Bruno Cassirer (Berlin) erschienener Gedichtband von Christian Morgenstern, der seit 1895 daran gearbeitet hatte.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Unter dem Motto „Im ächten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen.“ – einem Nietzsche-Zitat [1] – schrieb Morgenstern eine Reihe von formal und inhaltlich kindlich anmutenden Gedichten, die auf große Begeisterung bei Hörern und Lesern stießen.
In der Sammlung Der Gingganz herrschen Sprachgrotesken vor. So besteht etwa Das große Lalulā aus vordergründig sinnlosen Buchstabenketten, Fisches Nachtgesang gar nur aus Länge- und Kürzezeichen. Das Mondschaf ist in einer deutschen und als Lunovis in einer lateinischen Fassung abgedruckt. Das im Gedicht Das Nasobēm beschriebene Tier wurde zu einem bekannten Scherz in der Wissenschaft.
Geschichte
Die Galgenlieder wurden zunächst 1895 im kleinen Kreis von acht Freunden, dem Bund der „Galgenbrüder“, bei Ausflügen zum Galgenberg in Werder (Havel) bei Potsdam privat vorgetragen. Wichtige Utensilien waren dabei in ein Hufeisen und zwischen Metallplatten in Form eines Henkersbeils gebundene Manuskripte (die skurrilen Exponate befinden sich heute im Deutschen Literaturarchiv in Marbach bzw. im Archiv des Verlages Urachhaus). Bei diesen Treffen redeten sie sich mit Pseudonymen wie "Gurgeljochen", "Verreckerle" und "Raabenaas" an. Die tatsächlichen Namen waren Georg und Julius Hirschfeld, Fritz Beblo, Franz Schäfer, Paul Körner, Robert Wernicke, Friedrich Kayßler, Christian Morgenstern. Zunächst hatte der Dichter die Manuskripte nicht für die Veröffentlichung vorgesehen. Bei Lesungen in dem Berliner Kabarett Überbrettl waren die Texte jedoch so erfolgreich, dass er sie zum Druck frei gab. Die Galgenlieder erschienen in Buchform und begründeten den literarischen Ruhm Morgensterns.
Morgenstern ließ den imaginären Privatgelehrten Jeremias Müller und dessen Ehefrau Gundula (ursprünglich: Erica) eine umfangreiche Einleitung und eine völlig abwegige Interpretation zu den Gedichten schreiben, die den komischen Effekt zusätzlich verstärken; Fisches Nachtgesang etwa wurde als das tiefste deutsche Gedicht interpretiert. Diese „kritischen Anmerkungen“ schickte Morgenstern 1908 mit einem Begleitbrief an seinen Verleger; der nahm sie aber in keine der folgenden Auflagen auf. Sie wurden erstmals 1921 in einer separaten Buchausgabe veröffentlicht.
Resonanz
Die Galgenlieder sind der wohl bekannteste Teil von Morgensterns Werk und haben auch außerhalb des deutschsprachigen Raumes begeisterte Leser gefunden. Viele der Gedichte wurden zum Teil mehrfach vertont und illustriert.
Das Nasobēm begründete einen wissenschaftlichen Witz, der noch heute ausgebaut wird, und verfügt über mehrere, zum Teil illustrierte fingierte Lexikonartikel.
Das Gedicht Die Trichter wurde als Beispiel für ein Figurengedicht in die Brockhaus Enzyklopädie aufgenommen.
Der Rabe Ralf stand Pate für Künstlernamen und Zeitungstitel.
Beispiel
- Die Hystrix[2]
- Das hinterindische Stachelschwein
- (hystrix grotei Gray),
- das hinterindische Stachelschwein
- aus Siam, das tut weh.
- Entdeckst du wo im Walde drauß
- bei Siam seine Spur,
- dann tritt es manchmal, sagt man, aus
- den Schranken der Natur.
- Dann gibt sein Zorn ihm so Gewalt,
- daß, eh du dich versiehst,
- es seine Stacheln jung und alt
- auf deinen Leib verschießt.
- Von oben bis hinab sodann
- stehst du gespickt am Baum,
- ein heiliger Sebastian,
- und traust den Augen kaum.
- Die Hystrix aber geht hinweg,
- an Leib und Seele wüst.
- Sie sitzt im Dschungel im Versteck
- und büßt.
Buchausgaben
Erstausgabe
- Galgenlieder. Cassirer, Berlin 1905 (Umschlagzeichnung von Karl Walser).
Erweiterte Ausgaben
- Galgenlieder. 3., erweiterte Auflage. Cassirer, Berlin 1908.
- Galgenlieder. Nebst dem "Gingganz", vom Christian Morgenstern durchgesehene Neuausgabe. Cassirer, Berlin 1913.
- Margareta Morgenstern (Hrsg.): Alle Galgenlieder. Durch 14 Gedichte aus dem Nachlaß erweitert. Cassirer, Berlin 1932 (Neben den Galgenliedern noch durch die Sammlungen: „Palmström“ (1910), „Palma Kunkel“ (1916) und „Der Gingganz“ (1919) ergänzt).
- 1940 wurde der Band Alle Galgenlieder in derselben Zusammenstellung durch den Insel-Verlag zu Leipzig veröffentlicht. Das Buch enthält den „Versuch einer Einleitung zur dritten beziehungsweise ersten Auflage“ verfasst von Dr. Gundula Mueller mit der Datumsangabe „Im Schaltmonat A.D. MDCCCCCVIII“.
Textkritische Ausgabe
- Christian Morgenstern: Humoristische Lyrik. Kommentierte Ausgabe. In: Maurice Cureau (Hrsg.): Werke und Briefe. Band 3, Urachhaus, Stuttgart 1990, ISBN 978-3-87838-503-5.
Aktuelle Ausgaben (Auswahl)
- Einzelausgabe
- Galgenlieder. Serie Piper 291, München 2005 (Nachdruck der Neuauflage), ISBN 978-3-492-20291-6.
- Erweiterte Ausgaben
- Galgenlieder, Gingganz und Horatius Travestitus (= Sämtliche Dichtungen, Band 6), hg. u. mit einem Nachwort v. Heinrich O. Proskauer, Zbinden, Basel 1972, ISBN 978-3-85989-155-5
- Alle Galgenlieder, Insel (= IT 6), Frankfurt 1972, ISBN 978-3-458-31706-7
- Galgenlieder. Palmström. Palma Kunkel. Der Gingganz, Reclam (= RUB 9879), Stuttgart 1978, ISBN 978-3-15-009879-0
- Alle Galgenlieder (Fotomechanischer Nachdruck von Berlin 1932), Diogenes (= detebe 20400), Zürich 1981, ISBN 978-3-257-20400-1
- Sämtliche Galgenlieder. Mit einem Nachwort von Leonard Forster und einer editorischen Notiz von Jens Jessen, Manesse, Zürich 1985, ISBN 978-3-7175-1696-5
- Alle Galgenlieder, Nachwort von Jürgen Walter, Reclam, Stuttgart 1989, ISBN 978-3-15-050354-6
- Galgenlieder, hg. v. Joseph Kiermeier-Debre, Deutscher Taschenbuch-Verlag (dtv Bibliothek der Erstausgaben), München 1998, ISBN 978-3-423-02639-0
Übertragungen in andere Sprachen
- Das Mondschaf – The Moon Sheep. Eine Auswahl aus den Galgenliedern. Authorized English Version by A.E.W. Eitzen, Insel (Insel-Bücherei, Band 696), Wiesbaden 1953
- Gallows Songs. Translated by W.D. Snodgrass and Lore Segal, Michigan Press, Ann Arbor 1967
- Galgenlieder und andere Gedichte. Gallows Songs and other Poems, ausgewählt und ins Englische übertragen von Max Knight, Piper, München 1972
- Songs from the Gallows: Galgenlieder. Translated by Walter Arndt, Yale University Press, New Haven 1993
- Christian Morgenstern sechssprachig. Dreißig heitere Gedichte mit Übertragungen ins Englische, Französische, Hebräische, Italienische und Spanische. Mit 30 Grafiken von Igael Tumarkin. Hg. v. Niels Hansen, Urachhaus, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-8251-7476-7
Schallplatten, Hörbücher
- Galgenlieder. Gelesen von Sven Görtz, Audio-CD, ZYX Music 2005, ISBN 978-3-86549-323-1
- Jürgen Goslar liest... Christian Morgenstern: Galgenlieder, fliegende Blätter, Palmström, Audio-CD, Horchideen 2006, ISBN 978-3-936549-15-7
- Gulda, Friedrich / Kreisler, Georg: Sieben Galgenlieder. Little Suite, Audio-CD, Otto Preiser, 1989, ISBN 978-3-902027-07-8
- 7 Galgenlieder (Gulda), Audio-CD, Grosser & Stein 2006, ISBN 978-3-86562-546-5
Literatur
- Christian Morgenstern über die Galgenlieder. Mit Anmerkungen von Dr. Jeremias Müller, Cassirer, Berlin 1921
- Morgenstern, Christian: Das aufgeklärte Mondschaf. Achtundzwanzig Galgenlieder und ihre gemeinverständliche Deutung durch Jeremias Mueller, Dr. phil.. Aus dem Nachlass herausgegeben von Margareta Morgenstern. Insel-Verlag, Leipzig 1941
- Wilson, Anthony T.: Über die Galgenlieder Christian Morgensterns, Königshausen und Neumann (= Epistemata – Würzburger wissenschaftliche Schriften. Reihe Literaturwissenschaft, Band ), 2003, ISBN 978-3-8260-2490-0
Weblinks
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Wikisource: Galgenlieder – Quellen und Volltexte
- Galgenlieder. Online-Text, Project Gutenberg.
- Die Galgenlieder im digitalen Christian-Morgenstern-Archiv
Einzelnachweise
- ↑ Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra, Erster Teil, Von alten und jungen Weiblein
- ↑ John Edward Gray: On the Species of Porcupines in the Gardens of the Society and in the British Museum, Proceedings of the scientific meetings of the Zoological Society of London, 1866, S. 306-311 (englisch; bei Google Books: [1])
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