- Galtonbrett
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Ein Galtonbrett (nach Francis Galton) ist ein mechanisches Modell zur Demonstration und Veranschaulichung der Binomialverteilung, einer Wahrscheinlichkeitsverteilung, die in vielen Zufallsexperimenten eine Rolle spielt.
Inhaltsverzeichnis
Konzept
Das Galtonbrett besteht aus einer regelmäßigen Anordnung von Hindernissen, an denen eine von oben eingeworfene Kugel jeweils nach links oder rechts abprallen kann. Nach dem Passieren der Hindernisse werden die Kugeln in Fächern aufgefangen, um dort gezählt zu werden.
Die Hindernisse symbolisieren dabei kleine Störungen, die den exakten Messwert (hier die horizontale Position der Kugel am Eingang) positiv oder negativ verändern können. In der Summe können sie sich gegenseitig zu Null addieren oder aber zu einer größeren Störung aufschaukeln. Die Fächer geben am Ende Auskunft über die Häufigkeitsverteilung der verschiedenen Stärken der Störungen. In der Natur entspricht das zum Beispiel der Rauschverteilung eines elektrischen Signals, verursacht durch sehr viele sehr kleine Störsignale, die genauso positiv wie negativ beitragen können. Ein grundlegendes mathematisches Gesetz, der zentrale Grenzwertsatz, garantiert, dass eine sehr beliebig zusammengesetzte Verteilung solcher sehr kleinen und sehr zahlreichen Einzelstörungen gegen die Gaußsche Glockenform konvergiert. Sind die Voraussetzungen für eine solche Rauschverteilung erfüllt, spricht man von gaußschem Rauschen. Bei einer endlichen Zahl von Störungen, wie beim Galtonbrett, erhält man die Binomialverteilung, die im Grenzwert vieler Störungen und vieler Fächer ebenfalls gegen die Gaußsche Glockenform konvergiert. Die statistischen Gesetzmäßigkeiten eines solchen zufälligen Messrauschens können anhand des Galtonbretts auf anschauliche Weise nachgerechnet und experimentell überprüft werden.
Mathematische Betrachtung
Jedes Aufprallen einer Kugel auf eines der Hindernisse ist ein Bernoulli-Versuch. Die beiden möglichen Ausgänge sind „Kugel fällt nach rechts“ (X=1) und „Kugel fällt nach links“ (X=0).
Bei symmetrischem Aufbau ist die Wahrscheinlichkeit, nach rechts zu fallen, P(1) = p = 1/2 und die Wahrscheinlichkeit, nach links zu fallen, P(0) = q = 1/2. Durch unsymmetrischen Aufbau oder durch Schiefstellen des Brettes kann man auch einen anderen Wert für p erreichen, wobei aber natürlich weiterhin q = 1 − p ist, denn die Kugeln, die nicht nach rechts fallen, fallen nach links. Dieser Fall wird weiter unten besprochen.
Indem die Kugel nach Passieren des ersten Hindernisses auf ein neues trifft, bei dem die gleichen Voraussetzungen gelten, wird hier ein weiterer Bernoulli-Versuch durchgeführt; das Durchlaufen des ganzen Gerätes ist also eine mehrstufige Bernoulli-Kette, wobei die Zahl der waagerechten Reihen von Hindernissen die Länge dieser Kette ist. Im dargestellten Bild handelt es sich demnach um eine 4-malige Wiederholung eines Bernoulli-Versuchs, d.h. eine Bernoulli-Kette der Länge 4.
Man kann nun berechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Kugel in ein bestimmtes der Fächer fällt. Bei nur einem Hindernis (A) ist die Wahrscheinlichkeit 1/2 für links und für rechts, oder, anders formuliert, im Mittel fällt die Hälfte aller Kugeln nach rechts und die Hälfte nach links. Damit trifft jeweils die Hälfte der Kugeln auf B und die andere Hälfte auf C, wo sie sich wieder mit gleichen Wahrscheinlichkeiten nach links und rechts aufteilen. Damit fällt aber nur noch 1/4 der Kugeln an B nach links, 1/4 an C nach rechts, und jeweils 1/4 von links und von rechts in den Zwischenraum zwischen B und C. Hier addieren sich die Wahrscheinlichkeiten also, und 1/4 + 1/4 = 2/4 (= 1/2, aber mit Absicht nicht gekürzt) fällt in der Mitte zwischen B und C hindurch.
Anhand der Abbildung kann man weiter verfolgen, wie der Strom der Kugeln sich an jeder Hindernisreihe aufteilt (an der nächsten wird man daher mit Achteln, an der übernächsten mit Sechzehnteln des Gesamtbestandes rechnen müssen) und sich andererseits in jedem Zwischenraum zwischen zwei benachbarten Hindernissen wieder vereinigt.
Die sich so ergebenden Wahrscheinlichkeiten nach der letzten Aufteilung und Vereinigung an der untersten Hindernisreihe (G,H,I,J) sind die Wahrscheinlichkeiten, mit denen die Kugeln in die Fächer (R,S,T,U,V) fallen.
Im Beispiel haben alle diese Wahrscheinlichkeiten den Nenner 16, da es 4 Reihen von Hindernissen sind (16=24). Die Zähler ergeben sich durch Addieren der Zähler in der Reihe darüber, was der Vereinigung der Kugelströme in den Zwischenräumen entspricht. Damit ergibt sich folgendes Schema für die Wahrscheinlichkeiten:
Zähler: Nenner: Reihe 0: 1 = 1 → =2^0 1 =11^0 (Die Potenzreihe der Zahl 11 1: 1+1 = 2 → =2^1 11 =11^1 bricht nicht ab, wenn die 2: 1+2+1 = 4 → =2^2 121 =11^2 Zähler ab der 6. Zeile in 3: 1+3+3+1 = 8 → =2^3 1331 =11^3 ein anderes Stellenwert- 4: 1+4+6+4+1 =16 → =2^4 14641 =11^4 system umgerechnet werden.)
Man erkennt, dass die Zähler die Binomialkoeffizienten sind, denn sie entstehen nach dem Schema des Pascalschen Dreiecks. Die Nenner sind Potenzen von 2, sie folgen aus der Wahrscheinlichkeit p = q = 1/2, nach rechts bzw. links zu fallen.
Die Fächer R,S,T,U,V kann man danach nummerieren, wie oft eine Kugel nach rechts fallen muss, um das jeweilige Fach zu erreichen. Damit bekommt Fach R die Nummer 0, denn eine Kugel, die in R landet, ist keinmal nach rechts gefallen, sondern immer nur nach links. Fach S hat die Nummer 1, denn eine Kugel die hier landet, ist genau einmal nach rechts gefallen (in der ersten, zweiten, dritten oder vierten Reihe, aber jedenfalls nur dieses eine Mal). Entsprechend bekommen die anderen Fächer die Nummern 2, 3, und 4.
Die Wahrscheinlichkeit, in das Fach 0 zu fallen, ist
Die Wahrscheinlichkeit, in das Fach 1 zu fallen, ist
Ebenso folgt:
Allgemein gilt für das Fach k:
Hierin ist der Binomialkoeffizient in Zeile 4, Spalte k des Pascalschen Dreiecks (Beachte: die Spalten sind die Nummern der Fächer, beginnen also mit 0).
Verallgemeinert man die Formel weiter auf ein Galtonbrett mit n Hindernisreihen (statt 4, wie im Beispiel), also auf eine Bernoulli-Kette der Länge n, so wird gelten:
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Zur weiteren Verallgemeinerung stellt man sich nun ein unsymmetrisches Galtonbrett vor, bei dem die Wahrscheinlichkeiten für links und rechts nicht gleich groß sind. Die Kugeln fallen mit der Wahrscheinlichkeit p nach rechts und mit q = 1 − p nach links.
Dann landen sie in Fach 0 mit der Wahrscheinlichkeit q4 statt (1/2)4, denn sie müssen immer noch viermal nach links fallen, tun dies aber nun jeweils mit der Wahrscheinlichkeit q.
Im ganz rechten Fach (für das sie viermal nach rechts fallen müssen, was sie mit jeweils der Wahrscheinlichkeit p tun), landen sie mit p4.
Für die anderen Fächer müssen sie der Nummer (k) entsprechend k mal nach rechts und die übrigen Male (4 − k) nach links fallen. Dies tun sie mit den Wahrscheinlichkeiten pk bzw. q4 − k = (1 − p)4 − k. Was sich dabei nicht ändert, sind die Vereinigungen der Kugelströme in den Zwischenräumen. Die Binomialkoeffizienten bleiben also unberührt. Die allgemeine Formel für ein 4-reihiges Galtonbrett mit der Wahrscheinlichkeit p, nach rechts zu fallen, lautet daher:
Und für die allgemeine Formel eines entsprechend n-reihigen Brettes folgt schließlich:
Dies ist dann genau die Binomialverteilung einer Bernoulli-Kette der Länge n mit P(1) = p und P(0) = q = 1 − p.
Weblinks
Commons: Galtonbrett – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienLiteratur
- Gerd Binnig: Aus dem Nichts. Über die Kreativität von Natur und Mensch. 2. Auflage. Piper, München u. a. 1997, ISBN 3-492-21486-X.
- Sir Francis Galton: Natural inheritance. Macmillan, London 1889 (Enthält die Beschreibung des Galton Bretts).
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