Gamaschenschuh

Gamaschenschuh
Filzgamasche

Als Gamaschen (Beinlinge, Kamaschen, Gamaschenschuhe), eigentlich Socken ohne Sohlen, werden Fußbekleidungsstücke aus Tuch, Leinwand, Kunststoff oder Leder bezeichnet, die früher seitlich geschnürt oder geknöpft wurden. Der Begriff war ursprünglich die spanische Bezeichnung für eine bestimmte Ledersorte gaudamaci. Dieses Wort geht auf das arabische gild gadamasiy zurück, was auf deutsch „Leder aus Ghadames“, einer Stadt in Libyen, bedeutet. Im 17. Jahrhundert wurde der Begriff als gamache ins Französische übernommen und floss danach in den deutschen Sprachgebrauch ein.

Gamaschen sind Strümpfen nachgeformt. Sie sind, an den Schuh anschließend, je nach Einsatzgebiet verschieden lang und können bis über das Knie reichen. Gamaschen sollen gegen das Eindringen von Schmutz und Feuchtigkeit in die Schuhe sowie das Bein gegen Verletzungen durch Gestrüpp schützen. Außerdem dienen sie als Kälteschutz.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Militärischer Bereich

Leinengamaschen, oft weiß oder schwarz gefärbt, gehörten im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert zur Uniformierung der meisten Armeen Europas sowie Nord- und Südamerikas. Diese Gamaschen, welche mit einem Stoff- oder Ledersteg vor dem Absatz der Schuhsohle gehalten wurden, hat man als knielange Variante entweder über der Hose zugeknöpft oder - besonders während und nach den Napoleonischen Kriegen - in gekürzter Form unter den Hosenbeinen getragen. In der fortschreitenden ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen die Gamaschen in vielen Ländern zumindest in der knielangen Ausführung außer Gebrauch und tauchten erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in veränderter Form wieder auf. Ab da fehlte meistens der Steg, der die nun sehr häufig aus Leder gefertigten Gamaschen am Fuß fixierte. Sie wurden in dieser Zeit wie eine mit ledernen Schnürsenkeln verschließbare „Verlängerung“ der zumeist knöchelhohen militärischen Schnürstiefel verwendet oder sind – beispielsweise in der preußischen und russischen Armee – durch kniehohe Knobelbecher vollständig verdrängt worden.

Doch noch im 20. Jahrhundert gehörten verschiedenartig gefertigte wadenhohe Stoff- und Ledergamaschen bei vielen Armeen zur militärischen Ausrüstung im Ersten Weltkrieg. Ebenso fanden sie sich während des Zweiten Weltkriegs bei vielen Armeen. Einige paramilitärische Polizeiverbände, wie beispielsweise der Bundesgrenzschutz, verwendeten kurze knöchelhohe Stoffgamaschen bis in die 1970er Jahre. Da in der 1955 gegründeten Bundeswehr die preußisch-deutsche Tradition des Knobelbechers nicht übernommen wurde, gehören Stoffgamaschen bis heute, seit 1990 im Flecktarn-Muster und mit Klettverschlüssen, bei einigen Truppenteilen zur Schlechtwetterausrüstung.

In vielen Ländern der Erde gehören weiße Stoffgamaschen in langer und gekürzter Form zur Paradeuniform.

Reenactment

Durch das seit Ende der 1970er Jahre aufkommende Reenactment und das verstärkte Interesse der Bevölkerung an Militärgeschichte, haben sich in den meisten Industrienationen viele historische Soldatengruppen gebildet, zu deren Ausrüstung die alten Formen der Gamaschen gehören.

Zivile Mode

Im zivilen Bereich gehörte die stark gekürzte Gamasche mit Steg, welche kaum den Knöchel bedeckte, zum modischen Zubehör des Biedermeier, das besonders von eleganten Herren geschätzt wurde. Der Knopfverschluß bei diesen Modellen war seitlich angebracht. Diese Gamaschen wurden zu knöchellangen Hosen getragen.

Danach geriet die Gamasche als Modeaccessoire wieder weitgehend in Vergessenheit um erst ab 1900 als fester Bestandteil des Cutaway, diesmal in einer Ausführung aus weißem schweren Wollstoff mit weicher Innenseite, eingeführt zu werden. Zum Sommersakko gehörten champagnerfarbene kurze Gamaschen mit Ledersteg und zum Winteranzug farblich passende Modelle aus grobem Wollstoff. Für sportliche Betätigungen gab es ebenfalls eine spezielle Gamasche. Prinzipiell wurden die Gamaschen in jener Zeit nur zum Tagesanzug und zu knöchellangen, meist umschlaglosen Hosen getragen. Diese Festlegungen galten bis in die erste Hälfte der 1920er Jahre, dann verlor die Gamasche ihre Stellung im modischen Bereich. Doch bereits in der Zeit nach 1930 taucht sie wieder auf. Nun als Zubehör zur gestreiften Hose.

Im Sport- und Freizeitbereich wurde die Gamasche ab 1900 sehr beliebt. So trugen Jagdgesellschaften lange und mittellange Modelle, außerdem knielange Stoffgamaschen. Auch beim 1911 gegründeten Deutschen Pfadfinderbund (DPB) wurde in vielen Ortsgruppen kniehohe schilfgrüne Stoffgamaschen mit seitlicher Schnürung bis in die frühen 1920er Jahre getragen. Als praktisches, bewährtes Freizeitbekleidungsstück gegen Nässe und Kälte ist sie bis heute beim Skifahren oder Bergsteigen beliebt geblieben.

In einigen kurzen Zeitabschnitten des 20. Jahrhunderts waren Gamaschen auch Teil der Damenmode. So in einer wadenlangen Ausführung zwischen 1915 bis 1917 mit der Kriegskrinoline und in der 2. Hälfte der 1960er Jahre, als sie in knielangen Modellen zu minilangen Mänteln angeboten wurde. Zu Beginn der 1980er Jahre wurde die Gamasche als Teil der Sportmode wiederbelebt. Nun in Form von gestrickten Wadenstülpstrümpfen Legwarmers, wie sie bis heute zumeist in Ballett- oder Aerobic-Studios getragen werden.

Karneval

Heute werden Gamaschen in vielen Karnevalsvereinen als Bestandteil der Uniform getragen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die auf das 18. Jahrhundert zurückgreifenden Karnevalsuniformen früher zur Persiflierung des Militärs getragen wurden.

Gamaschen als Kälteschutz

Eine bis heute aktuelle Anwendung sind die Gamaschen für Radfahrer und Bergsteiger, die als Regenschutzbekleidung oder beim Überqueren von Schneefeldern vor der Durchnässung der Schuhe schützen.

Schutzfunktion

Von Bergsteigern und von Wanderern werden die Gamaschen als Schutz der Schuhe vor Schmutz, Feuchtigkeit sowie Schnee und Eis benutzt. Auch vor Zecken bieten sie einen gewissen Schutz. Beim Expeditionsbergsteigen dienen spezielle Expeditionsgamaschen außerdem zur Isolation der Unterschenkel und Füße. Die Isolation erfolgt durch geschlossenporigen Isolationsschaum. Expeditionsgamaschen ermöglichen somit, gewöhnliche, normalisolierte und steigeisenfeste Bergstiefel auch zum Bergsteigen in wesentlich kälteren Regionen zu verwenden. Es gibt inzwischen auch Expeditionsschuhe zum Höhenbergsteigen, die integrierte Gamaschen besitzen.

Gamaschen für Pferde

Gamaschen werden in verschiedenen Bauarten auch zum Schutz des Pferdebeines, insbesondere Röhrenbein, Fesselkopf und Sehnen beim Reiten oder Fahren benutzt. Besonders im Spring- und Geländesport sind Gamaschen heutzutage unverzichtbar, da beim Überwinden der Sprünge eine enorme Verletzungsgefahr besteht, welche zu großen Einschränkungen der Belastbarkeit des Pferdes führen kann. Zusätzlich üben die Gamaschen eine stützende Funktion des Pferdebeines aus, wodurch die Gefahr des Umknickens und somit folgenden Sehnen-, Knorpel- und Knochenschäden verringert wird. Dabei kommen als Materialien Leder, Fell und zunehmend verschiedene Kunststoffe, v.a. Neopren zum Einsatz.

Literatur

  • Laurent Mirouze: Infanteristen des Ersten Weltkriegs. Dißberger, Düsseldorf 1990, ISBN 3-924753-28-8.
  • Laurent Mirouze, Stéphane Dekerle: Die französische Armee im Ersten Weltkrieg. Ausmarsch 1914. Bd. 1: Uniformierung – Ausrüstung – Bewaffnung. Verlag Militaria, Wien 2007, ISBN 978-3-902526-08-3.
  • Otto von Pivka, G. A. Embleton: Napoleon’s German Allies, Teile 2 – 5, Osprey Publishing Limited, London 1991, Teil 2: ISBN 0850452554.
  • Ingrid Loschek Reclams Mode- und Kostümlexikon, Verlag Philipp Reclam jun., Stuttgart 2005, ISBN 3-15-010577-3
  • Ludmila Kybalova, Olga Herbenova, Milena Lamariva: Das große Bilderlexikon der Mode – Vom Altertum zur Gegenwart, Artia Verlag, Prag 1966


Siehe auch:


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