- Genosse
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Als Genosse (von althochdeutsch: ginoz – jemand, der mit einem anderen etwas genießt, Nutznießung hat) bezeichnete man früher einen Kameraden oder Gefährten (Kampfgenosse, Eidesgenosse), also jemanden, mit dem man eine gemeinsame Erfahrung in einem bestimmten Bereich geteilt hatte, der dieselben Ziele hatte und auf den man sich aus diesem Grund verlassen konnte.
In der Politik, insbesondere in sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Parteien, Gewerkschaften sowie anarchistischen Organisationen werden die Mitglieder und Aktivisten häufig als „Genossinnen“ und „Genossen“ bezeichnet und geduzt. Die Verwendung des Begriffs Genosse als politische Form der Anrede geht dabei auf die Gründung der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) zurück. Die NSDAP wandelte das Wort zu „Parteigenosse“ und „Volksgenosse“ ab.
Im deutschen Handelsrecht wurden bis 2006 die Mitglieder einer Genossenschaft als „Genossen“ bezeichnet.
In der DDR war die Bezeichnung „Genosse“ auch die offizielle Anrede für Angehörige von Polizei und Armee in Verbindung mit dem Dienstgrad (zum Beispiel Genosse Major).
Verwendung in der politischen Bedeutung im englischen und romanischen Sprachraum
Im englischen Sprachraum und den meisten romanischen Sprachen wird innerhalb politischer Organisationen des linken Spektrums die entsprechende Mitgliederbezeichnung für den deutschen Begriff Genosse vom lateinischen Wort „camera“ (deutsch: Zimmer) abgeleitet. Der Bedeutungsgehalt und die vom Verwender dabei transportierte Klangfärbung sind dabei aufgrund der verschiedenartigen nationalen Entwicklungen und Erfahrungen sozialistischer und sozialdemokratischer Strömungen von Sprache zu Sprache verschieden.
Die englische Sprache kennt die Bezeichnung „comrade“ (wörtlich deutsch: Kamerad). Sie kann dort zwar auch im militärischen Sinn verwendet werden, dient aber meist als politisierte Anredeform. Parallel dazu leitet sich das französische camarade von der gleichen lateinischen Wurzel ab. Der Ursprung der Bezeichnung in ihrer politischen Bedeutung steht dabei aus Sicht der Arbeiterbewegung in Verbindung mit der Ablehnung feudaler und bürgerlicher Umgangsformen wie madame, monsieur oder mademoiselle und der Suche nach einem Ersatz mit größerer egalitärer Ausdruckskraft.
In der politischen Kultur Frankreichs wird diese Form der Anrede in der Kommunistischen Partei und in kommunistischen Strömungen heutzutage häufiger verwendet als in der Sozialistischen Partei. Auch im Spanischen und Portugiesischen sind jeweils camarada geläufig, allerdings hat sich im lateinamerikanischen Raum insbesondere beeinflusst durch die kubanische Revolution die spanische Wendung compañero/compañera und im portugiesischsprachigen Brasilien in der Brasilianischen Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores) companheiro/companheira durchgesetzt.
Eine Ausnahme bildet das Italienische. Hier entspricht compagno dem deutschen Wort Genosse. camerata dagegen bestimmte den persönlichen Umgang in der faschistischen Bewegung und späteren Diktatur und wird auch heute noch in selbstbeanspruchten Nachfolgeorganisationen benutzt.
Siehe auch
Weblinks
Wiktionary: Genosse – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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