Gerund

Gerund

Das Gerundium (nicht zu verwechseln mit dem Gerundivum) wird im Lateinischen, im Englischen (engl. gerund) und in zahlreichen romanischen Sprachen (franz. gérondif, ital. und span. gerundio, portug. gerúndio) dazu verwendet, ein Verb zu substantivieren (subs Gerundium = substantivierter Infinitiv = Verbalsubstantiv).

In der Turkologie (und davon ausgehend auch in anderen Teildisziplinen der sog. Altaistik) wird der Terminus Gerundium für eine Reihe von konverbial gebrauchten Verbaladverbien gebraucht.

Inhaltsverzeichnis

Im Lateinischen

Bildung

Das Gerundium wird als Verbalsubstantiv aus dem Präsensstamm, dem Kennzeichen –nd– und den Endungen des Singulars der o-Deklination gebildet. Es gibt keinen Nominativ und keinen reinen (d. h. ohne Präposition stehenden) Akkusativ des Gerundiums. Statt dessen steht der Infinitiv Präsens Aktiv. Die folgende Tabelle zeigt die Gerundiumsformen bzw. die ersetzenden Infinitivformen des Verbs laudare (loben):

Kasus Form mögliche Übersetzung
Nominativ laudare das Loben
Genitiv laudandi des Lobens
Dativ laudando dem Loben
Akkusativ laudare / ad laudandum das Loben / zum Loben
Ablativ laudando durch das Loben

Der Akkusativ des Gerundiums (d. h. im Beispiel laudandum) steht nur nach Präpositionen: Nach ad, in, selten nach inter und ob. Nur bei interesse inter kann auch der Infinitiv stehen, z. B. Interest inter dare et accipere = Es ist ein Unterschied zwischen Geben und Empfangen.

Funktionen und Semantik

Das Gerundium bezeichnet im Gegensatz zum verbaladjektivischen Gerundivum lediglich die Handlung des Verbs, das Tun, ohne eine Notwendigkeit (wie etwa das Gerundivum in vir laudandus = ein Mann, den man loben muss) auszudrücken.

1. Ergänzung im Genitiv (Genitivattribut):

       facultas evadendi – die Möglichkeit des Entkommens/zu entkommen

2. adverbial

   im Genitiv mit causa/gratia: evadendi causa – um zu entkommen/wegen des Entkommens

Semantik: final

   im Akkusativ:	 ad agendum – zum Handeln/um zu handeln

Semantik: final

   im Ablativ:	 bellando diripiendoque – durch das Führen eines
                                 Krieges und durch das Plündern; dadurch, dass sie Krieg
                                 Krieg führten und plünderten

Semantik: instrumental/modal

   mit in (+ Abl.):	 in conficiendo – bei/während der Durchführung

Semantik: temporal

Aufgrund des adverbialen Charakters kann das Gerundium auch mit einem Gliedsatz ausgedrückt werden.

Erweiterung

Das Gerundium kann durch ein Objekt (a) oder durch eine adverbiale Bestimmung (b) ergänzt sein:

               zu a) Pompeium laudando – durch das Loben des Pompeius/indem er Pompeius lobte

orationem habendo – durch das Halten einer Rede

               zu b) diu ridendo – durch langes Lachen

fortiter bellando – durch tapfere Kriegsführung

Im Englischen

Im Englischen wird das Gerundium (gerund) durch Anhängen eines "ing" an den Wortstamm (Infinitiv) gebildet, z. B. "reading is fun" (engl.) = "Lesen macht Spaß" (dt.), "the reading was rewarding" (engl.) = "das Lesen war lohnend" (dt.). Obwohl das gerund auf den ersten Blick der Verlaufsform gleicht ("I am reading"), sind doch Syntax und Bedeutung eine ganz andere, eben die des substantivierten Infinitivs.

Beispiele:

          Climbing is dangerous. Das Klettern ist gefährlich.
          Swimming is easy. Schwimmen ist leicht.
          Climbing is good. Klettern ist gut.
          Being pretty is great. Schön sein ist großartig

Nach einer Reihe von Verben, z.B. to enjoy, to finish/stop, to give up, to imagine, to miss, to practise oder to avoid steht das Gerundium als Objekt.


Im folgenden soll eine Regel aufgestellt werden, die dem Lesern bei der Entscheidung, ob auf ein Verb ein Gerund oder ein Inifitiv folgt, hilfreich sein soll:

Gerund: "I miss going to the pub" / "I like eating ice cream" ==> factual meaning: dies ist eine Tatsache

Infinitiv: "Don't forget to have a look at your exam preparation" / "You are well advised not to do this ==> modal meaning: hier werden keine unumstößlichen Wahrheiten artikuliert, sondern - semantisch gesprochen - eine Möglichkeit des Könnens, Müssens oder Sollens artikuliert.

Diese Dichotomie factual - gerund versus modal - infinitiv wird in Ungerer, A Grammar of Present-Day-English, Klett Verlag, herausgearbeitet.

In romanischen Sprachen

Auch in den romanischen Sprachen gibt es Verbformen, die substantivisch gebraucht werden. Das französische gérondif entspricht formal dem Partizip Präsens Aktiv, dem das Wort en vorangestellt wird. Beispiel: Il chante en travaillant: "Er singt beim Arbeiten". Im Spanischen wird zur Bildung des gerundio -ando (bei Verben mit der Endung -ar) an den Verbalstamm angehängt, Beispiel: cantare bzw. cantar-> cantando. (Gleiches gilt fürs Italienische). Bei Verben mit der Endung -er/-ir wird -iendo an den Verbalstamm gehängt, Beispiel: comer -> comiendo. Diese Regel gilt sinngemäß auch für das Portugiesische, jedoch bestehen hier dialektale Unterschiede. Das portugiesische gerúndio wird hauptsächlich in Mittel- und Südportugal sowie in Brasilien verwendet. Das Gerundium steht in besonderen Fällen auch als To-Infinitiv oder Infinitiv.

Im Türkischen

Im Türkischen werden folgende Verbaladverbien (Ulaç) auch als Gerundien bezeichnet:

Suffix Form mögliche Übersetzung
-erek bağırarak schreiend
-e diye sagenderweise
-e... -e ağlaya ağlaya ständig weinend
-ip gelip ist gekommen und...
-meden yemeden ohne zu essen
-ince bitince sobald beendet ist
-eli geleli seit gekommen ist
iken yemekteyken beim Essen

Beispielsätze:

  • Çocuk bağırarak geldi "Das Kind ist schreiend gekommen."
  • Neredesin diye bağırdı "Er schrie: 'Wo bist du?'"
  • Çocuk ağlaya ağlaya eve geldi "Das Kind ist ständig weinend nach Hause gekommen."
  • Eve gidip duş yapacağım "Ich werde nach Hause gehen und duschen."
  • Dün akşam bir şey yemeden yattım "Gestern abend habe ich mich hingelegt, ohne etwas gegessen zu haben."
  • Ders bitince kahve içeceğim "Wenn der Unterricht zu Ende ist, werde ich Kaffee trinken."
  • Ülkü geleli bir saat oldu "Es ist eine Stunde her, seit Ülkü gekommen ist."
  • Yemekteyken konuşma "Sprich nicht, während du isst."

Literatur

  • Margarete I. Ersen-Rasch, Türkische Grammatik, Ismaning, 2001, ISBN 3-19-005185-2

Siehe auch

Weblinks


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