Geschlossene Gesellschaft

Geschlossene Gesellschaft
Daten des Dramas
Titel: Geschlossene Gesellschaft
Originaltitel: Huis clos
Originalsprache: Französisch
Autor: Jean-Paul Sartre
Erscheinungsjahr: 1947
Uraufführung: 27. Mai 1944
Ort der Uraufführung: Théâtre du Vieux-Colombier in Paris
Personen
  • Joseph Garcin
  • Inès Serrano
  • Estelle Rigault
  • Kellner

Geschlossene Gesellschaft (frz. Huis clos, geschlossene Türen) ist ein Drama des französischen Schriftstellers und Philosophen Jean-Paul Sartre. Es wurde 1944 uraufgeführt.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Inès, Estelle, Garcin

In Huis clos finden sich zwei Frauen, die reiche Estelle und die Postangestellte Inès, sowie der Journalist Garcin nach ihrem Tod in einem geschlossenen Raum, der Hölle, wieder. Garcin hat seine Frau misshandelt und in entscheidenden Situationen feige versagt. Die lesbische und hochintellektuelle Inès hat eine junge Frau (Florence) ihrem Cousin entfremdet. Dieser wird daraufhin von einer Straßenbahn überfahren. Ob es sich um einen Unfall oder einen Selbstmord handelt oder ob Inès ihn vor den Zug gestoßen hat, wird aus Inès' Erzählung nicht eindeutig klar. Florence verzweifelt in Folge dessen zutiefst und vergiftet sich selbst und Inès mit Gas. Die sinnlich verführerische Estelle hat ihr Kind ermordet und ihren Geliebten dazu getrieben, Selbstmord mithilfe einer Pistole zu begehen. Alle drei sind sich bewusst, dass sie sich in der Hölle befinden, und machen sich auf das Schlimmste gefasst, aber die erwartete Folter und die körperlichen Qualen stellen sich nicht ein; nur eine leichte Hitze ist zu verspüren. Tastend versuchen sie voneinander den Grund für die Höllenfahrt zu erfahren, ohne jedoch ihre eigene Schuld zu offenbaren. Sehr bald entdecken sie, dass sie zu ihren eigenen Folterknechten bestimmt sind, indem sie sich gegenseitig die Lebenslügen entreißen. Ein kurzes Aufflackern von Solidarität erlischt unter der Angst und dem gegenseitigen Hass. Jeder ist verdammt dazu, die anderen beständig zu quälen und selbst von den anderen gequält zu werden. Die lesbische Inès verzehrt sich nach Estelle, die aber nichts von ihr wissen will und sich an Garcin heranmacht. Garcin wiederum lechzt nach der intellektuellen Anerkennung/ Absolution von Inès. So dürstet jeder nach der Hilfe eines der beiden anderen, verletzt diesen jedoch zugleich durch seine Annäherung. Sie können also weder voneinander lassen, noch voreinander fliehen. Nicht einmal töten können sie sich, sind sie doch bereits tot. Und so gilt auf ewig: „Die Hölle, das sind die anderen.“ Nacheinander proben alle den natürlich vergeblichen Ausbruch aus diesem Gefängnis, indem sie schreien oder an die Tür schlagen. Als sich dann plötzlich die Tür öffnet, erschrecken sie alle vor der vermeintlichen Falle der Freiheit und drängen sich wieder aneinander. Wenn Garcin am Ende die letzten Worte „also – machen wir weiter“ sagt, hat sich ihre Lage nicht verändert: Sie werden ihre Notgemeinschaft ewig aufrechterhalten müssen, ohne wirklich voranzukommen.

Estelle, Kellner

Interpretation

L' Enfer c'est les autres („Die Hölle, das sind die anderen“): In der Kernaussage des Stückes übersetzt Sartre ein religiöses Motiv in die existentialistische Analyse der menschlichen Situation, deren grundsätzliche Ausweglosigkeit sich unter dem Blickpunkt der Ewigkeit erschließen soll. Die dramatische Analyse der menschlichen Beziehungen unter diesen Bedingungen zeigt deren Hoffnungslosigkeit: Liebe, Sexualität und Anerkennung als grundlegende Motive der zwischenmenschlichen Bemühung sind zum Scheitern verurteilt. Damit liefert Sartre in Huis clos das dramatische Gegenstück zum Negativismus der philosophischen Analyse der Intersubjektivität in Das Sein und das Nichts.

Kritik

Obwohl es sich bei diesem um das bekannteste und erfolgreichste Stück Sartres handelt, wird seine literarische Qualität manchmal in Zweifel gezogen. Denn es handelt sich bei dem Stück um eine philosophische Kopfgeburt, dessen Charaktere und Handlung zum Ziel haben, zu zeigen, dass sie einander die Beschneidung der Freiheit bedeuten. Daher ist die Hölle vergleichbar mit den anderen: Der Gewinn des Selbstbewusstseins, das man durch den Blick des anderen gewinnt, wird mit Freiheitsverlust ausgeglichen. Somit wird der Text zu sogenannter Thesenliteratur: Er vertritt eine philosophische Auffassung und ist im Prinzip die Illustration des Blick-Kapitels aus Sartres Hauptwerk Das Sein und das Nichts. Er geht aber kaum über die Illustration der zugrunde liegenden Thesen hinaus.

Verfilmungen

  • Frankreich 1954 (Kino): Geschlossene Gesellschaft (Originaltitel: Huis clos), Regie: Jacqueline Audry, Darsteller: Arletty als Inès, Gaby Sylvia als Estelle, Franck Villard als Garcin, Yves Deniaud als Diener, Erstaufführung: 22. Dezember 1954, Dauer: 95 Minuten
  • BRD 1959 (TV): Geschlossene Gesellschaft, Regie: Hans Schweikart, Darsteller: Brigitte Horney als Inès, Ursula Lingen als Estelle, Kurt Meisel als Garcin, Walter Ladengast als Diener, Produktion: Süddeutscher Rundfunk, Sendeanstalt: ARD, Erstsendung: 9. April 1959, Dauer: 68 Minuten
  • Frankreich 1965 (TV): Huis clos (keine deutsche Version), Regie: Michel Mitrani, Darsteller: Judith Magre als Inès, Evelyne Rey als Estelle, Michel Auclair als Garcin, René-Jean Chauffard als Diener, Produktion: ORTF, Erstsendung: 12. Oktober 1965, Dauer: 94 Minuten
  • BRD 1966 (TV): Geschlossene Gesellschaft, Regie: Franz Peter Wirth, Darsteller: Ursula Lingen als Inès, Andrea Dahmen als Estelle, Wolfgang Kieling als Garcin, Friedrich Maurer als Diener, Produktion: WDR, Sendanstalt: ARD, Erstsendung: 3. Mai 1966, Dauer: 81 Minuten
  • Frankreich 2005 (TV): Huis clos (keine deutsche Version), Regie: Jean-Louis Lorenzi, Darsteller: Claire Nebout als Inès, Claire Borotra als Estelle, François Marthouret als Garcin, Yves Le Moign als Diener, Erstsendung: 9. Mai 2005, Dauer: 82 Minuten

Quellenangaben

Literatur

  • Jean Firges: Sartre: Der Blick. Sartres Theorie des Anderen. Sonnenberg-Verlag, Annweiler 2000, ISBN 3-933264-02-2. (Exemplarische Reihe Literatur und Philosophie 1)[1]
  • Mireille Cornud-Peyron: Sartre, Huis Clos / Les Mouches. 4. Aufl. Klett, Stuttgart 1994, ISBN 3-12-922415-7. (franz.) (Reihe Klett Lektürehilfen)
    • Mireille Cornud-Peyron: Sartre, Huis Clos / Les Mouches. Nathan, Paris 2005, ISBN 2-09-180055-4. (Reihe Balises-Oeuvres)[2]

Notizen

  1. Im 3. Kapitel behandelt Firges die Figur des "Anderen" in Huis clos
  2. weitgehend identisch

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