Gestalttheoretische Psychotherapie

Gestalttheoretische Psychotherapie

Gestalttheoretische Psychotherapie ist eine aus der Gestalttheorie abgeleitete Psychotherapiemethode. Sie ist mit der Gestalttherapie von Fritz Perls zwar verwandt, jedoch nicht identisch mit diesem Verfahren. Die Gestalttheoretische Psychotherapie entstand vielmehr aus den Bemühungen von Hans-Jürgen Walter (einem Schüler des Gestaltpsychologen Wolfgang Metzger) und anderen, auf Grundlage der Gestalttheorie Möglichkeiten einer Integration von kompatiblen Ansätzen der Psychoanalyse, Tiefenpsychologie, kognitiven Verhaltenstherapie, Gesprächstherapie und anderer psychotherapeutischer Schulen zu entwickeln.

Inhaltsverzeichnis

Übersicht

Gestalttheoretische Psychotherapie ist ein tiefenpsychologisch begründetes Verfahren, das sich konsequent an den Erkenntnissen und experimentell-psychologischen Befunden der Gestaltpsychologie und an deren phänomenologischer Ausrichtung orientiert. Die in diesem Rahmen eingesetzten Techniken sind sehr variabel und auf den Einzelfall ausgerichtet. Typisch ist dabei allerdings das Bemühen, über erlebnisaktivierende Interventionen eine Integration von Fühlen, Empfinden, Denken und Verhalten zu fördern. Die psychotherapeutische Haltung und das Menschenbild weisen sehr enge Bezüge zur Individualpsychologie von Alfred Adler auf. Dessen Nähe zur Gestaltpsychologie war schon Grundlage dafür, dass sich Wolfgang Metzger, einer der namhaftesten deutschen Vertreter der Gestaltpsychologie, besonders für die Herausgabe der Schriften Adlers und für die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Individualpsychologie eingesetzt hat.

Gestalttheoretische Psychotherapie auf dieser Grundlage fand inzwischen hauptsächlich im deutschsprachigen Raum, in Deutschland, Österreich und in der Schweiz, Verbreitung. In Österreich gehört Gestalttheoretische Psychotherapie zu den staatlich anerkannten wissenschaftlich-psychotherapeutischen Methoden, die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Gestalttheoretische Psychotherapie (ÖAGP) bietet eine fachspezifische Psychotherapie-Ausbildung in diesem Verfahren an und gibt die Zeitschrift "Phänomenal - Zeitschrift für Gestalttheoretische Psychotherapie" im Verlag Krammer, Wien, heraus.

Im englischsprachigen Raum haben sich allerdings schon wesentlich früher verschiedene Ansätze zur Anwendung der Gestalttheorie im psychotherapeutischen Feld entwickelt. Dies erfolgte im Wesentlichen im weiteren Rahmen einer Verbindung von Gestalttheorie und Psychoanalyse als der zu der Zeit vorherrschenden Strömung in der Psychotherapie. Hier sind unter anderen die Arbeiten des Lewin-Schülers Junius F. Brown und des Wertheimer-Mitarbeiters Erwin Levy zu nennen. Gestalttheoretische Einflüsse sind auch in der von S. H. Foulkes und W. Bion entwickelten Gruppenpsychoanalyse unverkennbar. Vor allem im Bereich der Gruppenpsychotherapie und der psychotherapeutischen Arbeit mit psychotischen Patienten hat sich der Wertheimer-Mitarbeiter Abraham S. Luchins einen Namen gemacht.

Als eine der neueren Anwendungen der Gestalttheorie in der Psychotherapie ist weiters die Gerichtete Spieltherapie (giocoterapia focale) zu nennen, die von Giancarlo Trombini und seinen Mitarbeitern an der Universität Bologna entwickelt wurde.

Siehe auch

Literatur

  • Hans-Jürgen Walter: Gestalttheorie und Psychotherapie. Westdeutscher Verlag, Opladen 1994 (3. Auflage)
  • Hans-Jürgen Walter: Angewandte Gestalttheorie in Psychotherapie und Psychohygiene. Westdeutscher Verlag, Opladen 1996
  • Gerhard Stemberger (Hrsg.): Psychische Störungen im Ich-Welt-Verhältnis. Gestalttheorie und psychotherapeutische Krankheitslehre. Krammer, Wien 2002
  • Klaus Winkelhog: Gestalttheoretische Psychotherapie im Gefängnis. In: G. Hörmann und M.R. Textor (Hrsg.): Praxis der Psychotherapie. Fünf Therapierichtungen in Fallbeispielen. Westdeutscher Verlag: Opladen 1992, S. 203-254
  • Wolfgang Zöller: Zum wissenschaftlichen Standpunkt der Gestalttheoretischen Psychotherapie. In: Gestalt Theory 18, S. 257-275
  • Renzo Canestrari & Giancarlo Trombini: Psychotherapie als Umstrukturierung des Feldes. In: S. Ertel, L. Kemmler & M. Stadler (Hrsg.), Gestalttheorie in der modernen Psychologie. Darmstadt 1975: Steinkopff, 266-273.
  • Rainer Kästl: Ein Rückblick auf die Entwicklung der Gestalttheoretischen Psychotherapie. In: Gestalt Theory 24, S. 143-223.
  • Rainer Kästl & Gerhard Stemberger: Gestalttheorie in der Psychotherapie. In: Journal für Psychologie 13 (4/2005), S. 333-371, urn:nbn:de:0168-ssoar-17128.
  • Gerhard Stemberger: Diagnostik: Gestalttheoretische Psychotherapie. In: H. Bartuska et al. (Hrsg., 2005), Psychotherapeutische Diagnostik. Wien, New York: Springer, 105-116.

Weblinks

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