- Gesundheitsstörung
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Der Begriff Krankheit leitet sich vom mittelhochdeutschen Krancheit, krankeit (syn.Schwäche, Leiden, Not) ab.[1] Er bezeichnet eine Störung der normalen Funktion des ganzen Organismus oder eines Organs.[2] Die Abwesenheit von "Krankheit" ist nicht die einzige Voraussetzung für "Gesundheit".[3] Der Begriff bezieht sich grundsätzlich auf alle Formen des Lebens, findet sich aber im übertragenen Sinne auch in anderen Bereichen.
Inhaltsverzeichnis
Verwandte Begriffe
Hat ein Mensch das Gefühl, "krank" zu sein, oder ist bei jemandem eine Krankheit bereits erkannt worden, spricht man in der Medzin von einem Patienten. Einzelne Beschwerden eines Patienten werden als Symptom, mehrere typischerweise gleichzeitig auftretende als Syndrom (Symptomkomplex) bezeichnet. Symptome oder Symptomenkomplexe, die auf eine gemeinsame Ursache (Ätiologie ) zurückgeführt werden, gelten als "Krankheit" (Morbus) im Sinne der Medizin (→ Hauptartikel Pathogenese). Die Gesamtheit aller für eine Krankheit typischen Erscheinungen wird als Krankheitsbild (syn. Entität) bezeichnet. Zur Erkennung von Krankheiten (Diagnose) bedarf es entsprechender Untersuchungen Diagnostik.
Definition
Medizin
Krankheit ist nicht die einzig mögliche Ursache für fehlende Gesundheit. So bezeichnet sich der ICD10 als "Internationale Statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme".[4]
Die Übergänge zwischen "Gesundheit" und "Krankheit" sind fließend. Der Begriff selbst wird inhaltlich, insbesondere im sozialversicherungsrechtlichen Bereich heftig diskutiert.[5] In manchen Fällen wie Infektionskrankheiten ist die Zuordnung eindeutig. Andere Bereiche sind letztlich einfach eine Frage der Sichtweise. So hat sich der Begriff "Befindlichkeitsstörung" für Einschränkung des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens ohne medizinischen Krankheitswert eingebürgert.
Der deutsche Bundesgerichtshof hat am 21. März 1958 juristisch definiert: „Krankheit ist jede Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers, die geheilt, d. h. beseitigt oder gelindert werden kann.“ Nach einer neueren Formulierung wird in der Kranken- und Unfallversicherung unter Krankheit „ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat“ verstanden (BSGE 35, 10, 12 f.). In der Schweiz werden Beschwerden durch Unfälle und deren Folgen aus juristischer Sicht nicht dem Begriff "Krankheit" zugerechnet.[6]
Seit Jahrhunderten ist die Medizin bestrebt, diesen Begriff eindeutig zu definieren und abzugrenzen.[7][8]
Psychologie
Die in der Psychologie am meisten verwendeten Begriffe für Krankheit sind die Verhaltensauffälligkeit (d. i. "erkennbare Besonderheit im Erleben und Verhalten einer Person") und die Verhaltensstörung , die bei vielen Autoren gleichbedeutend verwendet werden.
Recht
Krankheit im Sinne des Sozialversicherungsrechts ist eine Störung des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens, somit eine Abweichung von der Norm „Gesundheit“. (vgl. § 120 Abs 1 Z 1 ASVG, wonach Krankheit „ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand ist, der die Krankenbehandlung notwendig macht“.) Dadurch ist der medizinische Krankheitsbegriff nicht deckungsgleich mit dem sozialrechtlichen. Entscheidende Kriterien für die Beurteilung als Krankheit im Sozialrecht sind:
- Behandlungsbedürftigkeit (nicht bei altersbedingten Erscheinungen; kosmetischen Behandlungen, dir rein ästhetischer Natur sind (wie beispielsweise Haartransplantation), sehr wohl jedoch, wenn eine medizinische Notwendigkeit vorliegt (wie beispielsweise Korrektur der Nasenscheidewand, Behandlung von Narben)
- nach außen hin wahrnehmbar (z. B. Disharmonien der genetischen Werte erfüllen den Tatbestand nicht)
- Besserung des Leidens oder Verhütung von Verschlimmerungen (die Behandlung muss nach den Grundsätzen der ärztlichen Wissenschaft erfolgsversprechend sein)
Letzter Punkt kann problematisch sein für unheilbare Krankenfälle, da in solchen Fällen keine Besserung möglich ist.
Davon ist im Sozialversicherungsrecht das Gebrechen (§ 154 ASVG) abzugrenzen. Dabei handelt es sich um unbehebbare Leiden, deren Entwicklung abgeschlossen ist und eine Möglichkeit auf ärztliche Einflussnahme im Sinne einer Heilung, Besserung oder Verhütung von Verschlimmerungen nicht möglich ist.
Geschichtliche Aspekte
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Systematik
(→ Hauptartikel Nosologie)
Systematische Einteilung von Krankheiten wird als Nosologie (Krankheitslehre) bezeichnet. Die Bezeichnungen der Krankheiten, die Abgrenzung einzelner Krankheitsbilder (Entitäten) gegeneinander und die Systematik der Krankheiten sind ständigem Wandel unterworfen (vgl. Liste historischer Krankheitsbezeichnungen). Die moderne Einteilung der Krankheiten im medizinischen Krankheitsmodell kann grob organbezogen nach den Hauptdiagnosegruppen (MDC, Major Diagnostic Categories) erfolgen.
Eine genauere Einteilung erlaubt die Internationale Klassifikation der Krankheiten ICD-10, bzw. für den onkologischen Bereich entsprechend der ICD-O.
Eine an den bekannten oder vermuteten Ursachen orientierte Einteilung ist die nach
- Erbkrankheiten (durch Vererbung verursacht)
- Infektionskrankheiten (durch Infektionen verursacht)
- Unfälle und Verletzungen (durch Außeneinwirkung verursacht)
- Vergiftungen, Verätzungen, Verbrennungen und andere durch chemische oder physikalische Noxen verursachte Schädigungen
- degenerative Erkrankungen (durch Abnutzung von Organen oder Zellen verursacht)
- Autoimmunkrankheiten (das Immunsystem bekämpft gesunde Zellen)
- Tumorkrankheiten (Zellen entarten und wachsen unkontrolliert)
- iatrogene Erkrankungen (durch Behandlung verursacht)
- psychische Erkrankungen
- soziale Krankheiten (Probleme)
- Zivilisationskrankheiten (falsche Ernährung, Bewegungsmangel u. a.)
- Mangelkrankheiten
Eigenschaften, die statistisch für sich alleine betrachtet die Rate des Auftretens bestimmter Krankheitsbilder erhöhen, ohne ihrem Wesen nach für diese alleinig verantwortlich zu sein, werden als sogenannte Risikofaktoren bezeichnet. Als klassisches Beispiel sei hierzu die positive statistische Korrelation zwischen der Erhöhung des Blutdruckes und dem Auftreten kardiovasulärer Erkrankungen angeführt.
Eine seelisch-körperliche Betrachtungs- und Heilweise, unter Berücksichtigung der emotionalen und sozialen Ursachen sowie der Persönlichkeit und des Lebensschicksals des Patienten versucht die Psychosomatische Medizin. Außerhalb der evidenzbasierten Medizin werden auch andere Krankheitsursachen bis hin zu metaphysischen Zusammenhängen angenommen. Mit der gesellschaftlichen Bedingtheit von Erkrankung und Krankheitsverläufen sowie der staatlichen Steuerung des Gesundheitswesens beschäftigt sich die Medizinsoziologie.
Ursachen und Verlauf
Die Ursachen für Erkrankungen werden in der moderen Medizin vom Gesunden nennenswert abweichende Veränderungen von Teilen des Körpers (und damit auch deren Funktion), sogenannte organpathologische Befunde betrachtet (→ Hauptartikel Pathologie, Psychopathologie und Phytopathologie).
Die Ursachen für diese Veränderungen lassen sich in innere und äußere Faktoren einteilen. Zu den inneren Faktoren gehören der allgemeine Alterungsprozess, Erbkrankheiten und ererbte Anfälligkeiten/Anlagen, embryonale Fehlbildungen sowie psychische Erkrankungen. Diese sind wenig beeinflussbar. Demgegenüber sind äußere Faktoren, wie soziale Verhältnisse, Stress, Ernährung, Umweltbedingungen und Krankheitserreger gut beeinflussbar.
Krankheit führt – behandelt oder unbehandelt – zu Heilung, Remission, einem Rezidiv (oder mehreren Rezidiven), Leiden oder Tod.
Häufig verwendete Begriffe, die den zeitlichen Verlauf beschreiben sind akut (plötzlicher Beginn - z. B. grippaler Infekt), subakut (allmählicher Beginn - z. B. Hepatitis B), chronisch (längerer Verlauf - z. B. Multiple Sklerose), chronisch rezidivierend (immer wieder auftretend - z. B. „chronische“ Bronchitis) und foudroyant bzw. fulminant ("blitzartig" einsetzend und schwer verlaufend - z. B. Sepsis).
Krankheitsmodell
Unter einem Krankheitsmodell versteht man einen wissenschaftstheoretischen Ansatz, mit dem Ziel, in modellhaft vereinfachter Form eine Krankheit zu erkären. Krankheitsmodelle sind grundsätzlich wissenschaftliche Behauptungen die erst in Form von Thesen, Hypothesen oder Postulaten formuliert und dann auf der Grundlage des jeweigen Weltbildes erkenntistheoretisch beurteilt werden.
(→ Hauptartikel Krankheitsmodell)
Eine Diskussion um Krankheitsmodelle ist aus der Frage entstanden, welches der objektive Unterschied zwischen normal und anormal, als krankhaft sei. Diese Unterscheidung betrifft meist nicht das Urteil des Kranken selbst, sondern das seiner Umgebung. Es ist auf den vermeintlich Kranken gerichtet und gibt die Auffassungen der nächsten Angehörigen und des sozialen Umfeldes über Krankheit wieder. Es umfasst somit auch einen soziologischen und epidemiologischen Aspekt, der z. B. in der Medizinsoziologie und in der Sozialpsychiatrie von Interesse ist.
Ein weiterer Ansatz betrifft die Kontroverse zwischen durchgehendem und uneinheitlichem Behandlungsansatz. Der durchgehende Ansatz besagt, dass ein einheitliches gesundheitliches Erklärungsprinzip sowohl für Gesunde als auch Kranke ausreiche. Das uneinheitliche Prinzip besagt, dass für Kranke besondere eigengesetzliche Prozesse ablaufen, die einer spezialisierten Behandlung je nach Art der festgestellten Falles bedürfen. Die Forderung nach einem einheitlichen Behandlungsprinzip geht auf die Forderung von Ludolf von Krehl zurück, dass der Arzt nicht verschiedene Krankheiten behandeln solle, sondern eher den Kranken als Person im Auge zu halten habe. Dieses Prinzip trägt sehr zur Vermenschlichung der Krankenbehandlung bei und nimmt dem Kranken das gesellschaftliche Stigma des Abnormen und Unverständlichen.[9]
Literatur
- Rudolf Degkwitz und Helmut Siedow (Hrsg.): Zum umstrittenen psychiatrischen Krankheitsbegriff. Band 2 der „Standorte der Psychiatrie“. Urban & Schwarzenberg, München 1981 ISBN 3-541-07972-X
- William Heberden: Commentaries on the history and cure of diseases. London 1802 u.ö.; Neudruck mit einer Einführung von Paul Klemperer. New York 1962
- Ingo-Wolf Kittel: Systematische Überlegungen zum Begriff „krank“ … (1981; 2001 ern. a. hier)
- Rainer Lutz: Gesundheit und Genuss: Euthyme Grundlagen der Verhaltenstherapie. In: J. Margraf: Lehrbuch der Verhaltenstherapie. Bd.1, Berlin 1996
- Karl Eduard Rothschuh: Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart. Hippokrates, Stuttgart 1978
- Karl Eduard Rothschuh (Hrsg.): Was ist Krankheit? Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1975
- Hans Schaefer: Der Krankheitsbegriff. In: Maria Blohmke u. a. (Hrsg.): Handbuch der Sozialmedizin. Bd. III. Stuttgart 1976
- Willi Seitz: Verhaltensstörungen, in: Dieter Rost: Handwörterbuch Pädagogische Psychologie, PVU, Weinheim, 2. Auflage, 2001
- Susan Sontag: Krankheit als Metapher. Fischer, Frankfurt 1981
Einzelnachweise
- ↑ Duden.de: Krankheit, hier online
- ↑ DWDS: Krankheit, hier online
- ↑ Verfassung der Weltgesundheitsorganisation (deutsche Übersetzung), Stand 7. März 2006, S.1, pdf
- ↑ DIMDI: ICD-10 Homepage, hier online
- ↑ Meyer U.: Krankheit als leistungsauslösender Begriff im Sozialversicherungsrecht. In: Schweizerische Ärztezeitung, 2009;90: 14, S. 585-8, hier online; zuletzt eingesehen am 26. April 2009
- ↑ Schweizer Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, Art. 3 Krankheit, [1]; zuletzt eingesehen am 26. April 2009
- ↑ Breinersdorf S.: Versuch über den gegenwärtigen Standpunkt der Theorien der Medizin, Bey Iohann Friedrich Korn der Ältere (Hrsg.), 1804, S.44, hier online
- ↑ Gerok W.: Die innere Medizin, Schattauer Verlag, 2006, S.4ff. ISBN 3794522222, hier online
- ↑ Rudolf Degkwitz u. a. (Hrsg.): Psychisch krank. S. 442
Weblinks
- Artikel Krankheit im Historischen Lexikon der Schweiz
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