Gewerkschaftliche Bildungsarbeit

Gewerkschaftliche Bildungsarbeit

Gewerkschaftliche Bildungsarbeit ist Erwachsenenbildung die von Gewerkschaften geleistet wird. Gewerkschaftliche Bildungsarbeit, als Teil der Organisationsarbeit verstanden, zielt auf die Erweiterung der persönlichen, betrieblichen und gesellschaftlichen Handlungsfähigkeit.

In Deutschland wird die gewerkschaftliche Bildungsarbeit vom DGB und seinen regionalen Verbänden und vor allem von den Einzelgewerkschaften organisiert. Auch verschiedene gewerkschaftsnahe Institutionen wie Arbeit und Leben, die ver.di Bildungswerke, ver.di GPB, ver.di b+b und einige Heimvolkshochschulen führen gewerkschaftliche Bildungsarbeit durch.

Inhaltsverzeichnis

Gewerkschaftliche Bildungsarbeit in Deutschland

Geschichte der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit

In den Anfängen der Arbeiterbewegung war Arbeiterbildung Bildungsarbeit im Sinne einer Allgemeinbildung als auch einer Schulung von Klassenbewusstsein. Ab 1919 wird die gewerkschaftliche Bildungsarbeit des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds (ADGB) ausgebaut.

DGB-Bildungswerk

Nach eigenen Angaben verfügt das DGB-Bildungswerk über 200 Mitarbeiter, mehr als 250 Fachreferenten, Trainer, Teamer und Tutoren. Es werden jährlich fast 70.000 Teilnehmertage in über 600 Wochenveranstaltungen, Seminaren, Lehrgängen und Tagungen realisiert.

Das gemeinnützige Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hat seinen Sitz in Düsseldorf und betreibt fünf Bildungszentren an den Standorten Hamburg, Düsseldorf, Hattingen und Starnberg.

Es ist aktiv in

Struktur der Bildungsarbeit der Gewerkschaften

In Deutschland konzentrierte sich die gewerkschaftliche Bildungsarbeit in Funktionsschulung und Allgemeinbildung, seit die Arbeiterbewegung teilweise in Systeme der Bestandssicherung des Staates integriert wurde. Das Aufgabenspektrum gewerkschaftlicher Bildungsarbeit umfasst mithin zwei Aspekte:

  • die Erfüllung von Mitgliederinteressen nach Allgemein- und spezifischer Bildung
  • die Erfüllung von Organisationsinteressen:
    • Multiplikatoren und Multiplikatorinnen gewerkschaftlicher Politik mobilisieren
    • Integration von divergierenden Mitgliedermeinungen
    • Mobilisierung politischen Bewusstseins.

Die Theorie-Praxis-Struktur lässt sich in folgendem Schaubild erkennen:

Theorie-Praxis-Struktur gewerkschaftlicher Bildungsarbeit
Politikfelder Theorie-Praxis-Bezüge Verhandlungsgegenstände Vermittlungsmodi
gewerkschaftliche politische Zielsetzungen Organisationsspitze -----> Abteilung Bildung Gewerkschaftspolitik - Gestaltung Bildungsarbeit bildungspolitische Theorie/Curricula/Bildungsverwaltung
innergewerkschaftliche Bildungspolitik Abteilung Bildung -----> Schulen / Referenten Konzepte - Seminare Pädagog. / didaktisch-meth. / org.-polit. Ziele
Mitgliederpolitik / Politik der Mitglieder Schulen / Referenten -----> Teilnehmer / Teilnehmerinnen Bildungsmaterial - Seminare Methoden
(Annette Rehbock: Soziologisches Wissen und gewerkschaftliche Organisation, Münster 1989, S.30)


Theoretische Ansätze der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit

Für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit existieren zwei theoretische Ansätze:

  • Oskar Negt: Soziologische Phantasie und exemplarisches Lernen
  • Bammert / Gerlach / Trautwein: Lernen in der Gewerkschaft
  • Meueler, Erhard: "Ich und die anderen" - Zum Selbstverständnis von ErwachsenenlehrerInnen

Soziologische Phantasie und exemplarisches Lernen

Oskar Negts Arbeit, die er Mitte der 60er Jahre als Diskussionsfassung vorlegte, ging davon aus, dass eine Form der Arbeiterbildung als gewerkschaftliche Arbeit zu entwickeln sei, in der die Arbeiter und Arbeiterinnen Subjekte der Lernarbeit seien. Aus inhaltlichen Problemen, klassenspezifischen Sprachsturkturen, Vorstellungen und Gesellschaftsbildern, den historischen Zielen der Arbeiterbewegung und der objektiven Möglichkeit der bestehenden Gesellschaft sollten Prinzipien einer Erziehungsmethode entwickelt werden, die zunächst nur für Arbeiter und Arbeiterinnen gelte.

Als erster Schritt sollte sich in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit eine soziologisch und politisch vermittelte Elementarbildung durchsetzen, dies jedoch nicht als proletarische Imitation einer bürgerlichen Halbbildung. Die Unterbewertung der Bildung in den Gewerkschaften habe dazu geführt, das durch das Anwachsen der Schicht der Angestellten mitbedingten und durch das Schulsystem immer aufs neue reproduzierte kleinbürgerliche und mittelständische Ideologien, in denen sich autoritäres Bewusstseinspotential entfalte ohne wirksame Gegenkräfte in die gewerkschaftliche Bildungsarbeit eindringen könne.

Es bestehe die Gefahr, dass hierdurch die Gewerkschaften als Ordnungsmacht gegenüber die Arbeiter auftreten.

Gewerkschaftliche Bildungsarbeit müsse daher ihrem Inhalt und ihrer Methode nach eine autonome Position gegenüber den bürgerlichen Bildungseinrichtungen beziehen. Es müsse daher ein Ansatz entwickelt werden, welcher unmittelbar an den Erfahrungen der Arbeiter ansetze und bei der exemplarischen Behandlung der soziale Konflikte im Betrieb und Alltag auf die klassenspezifisch präformierten Gefühls-, Denk- und Sprachstrukturen einzugehen habe. Diese seien mit den geschichtlichen Ereignissen zu verknüpfen.

Es gehe hier also nicht um Wissensvermittlung, sondern um die Anwendung soziologischer Phantasiefähigkeit von Arbeitern und Arbeiterinnen innerhalb ihrer ausserwissenschaftliche Sprach- und Denkformen, mit denen sie zu einer Verarbeitung von Praxis gelangen.

Literatur

  • Adolf Brock, Hans Dieter Müller, Oskar Negt (Hrsg.): Arbeiterbildung. Soziologische Phantasie und exemplarisches Lernen in Theorie, Kritik und Praxis Reinbek bei Hamburg September 1978, ISBN 3-499-17250-X
  • Oskar Negt: Soziologische Phantasie und exemplarisches Lernen. Zur Theorie der Arbeiterbildung. Frankfurt a. M. 1968
  • Annette Rehbock: Soziologisches Wissen und gewerkschaftliche Organisation. Gewerkschaftliche Bildungsarbeit in den 70er Jahren, Münster 1989 ISBN 3-924550-33-6

Weblinks


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