Ghetto Minsk

Ghetto Minsk
Karte des Ghetto Minsk

Das Ghetto Minsk war ein abgeriegelter Stadtbezirk im Nordosten der weißrussischen Hauptstadt Minsk, in dem die Deutschen von Juli 1941 bis zum Oktober 1943 die Juden von Minsk, ab November 1941 auch deportierte Juden aus deutschen Städten gefangenhielten. Arbeitsfähige Juden wurden von dort zur Zwangsarbeit abkommandiert.

Als die deutsche Wehrmacht Ende Juni 1941 Minsk besetzte, hielten sich noch etwa 75.000 Juden in der Stadt auf, von denen die große Mehrzahl ins Ghetto deportiert wurde. Nachdem zunächst vor allem nicht arbeitsfähige Menschen umgebracht wurden, verblieben bis zum August 1942 weniger als 9000 Insassen im Ghetto, das am 21. Oktober 1943 endgültig liquidiert wurde, wobei es kaum Überlebende gab.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Im Juli 1941 wurden etwa 60.000 Minsker Juden in einem zwei Quadratkilometer großen Stadtviertel im Nordosten konzentriert (u.a. damalige Chlebnaja-, Ostrowski-, Schornaja-, Kollektornaja-Straße, Jubilejni-Platz und ein Friedhof). Dieser Bereich war auf der Grundlage von 1,5 m² pro Erwachsenen berechnet.[1] Ein sogenannter Judenrat wurde geschaffen, der, ähnlich wie in anderen Ghettos, die Verantwortung für die Umsetzung der deutschen Befehle trug. Alle Juden mussten gelbe Flecken als Erkennungsmarken vorne und hinten auf der Kleidung tragen. Eine „Arbeitsbörse“ wurde eingerichtet, die arbeitsfähige Juden registrierte und zur Zwangsarbeit außerhalb des Ghettos vermittelte. Im August 1941 erfolgten die ersten so genannten „Aktionen“ – Razzien, bei denen Bewohner des Ghettos zusammen getrieben und zur Erschießung in ein Minsker Gefängnis gebracht wurden (14., 26. und 31. August; fast ausschließlich Männer, etwa 5.000 Menschen[2]).

Weitere große „Aktionen“ erfolgten am 7. und am 20. November 1941, als etwa 12.000 Juden nach Tutschinka gebracht und dort erschossen wurden.[3] Es sollte dadurch „Platz geschaffen werden“ für geplante Deportationszüge mit reichsdeutschen Juden.[4] Tatsächlich trafen zwischen dem 11. November und dem 5. Dezember 1941 in sieben Zügen aus Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Berlin, Brünn, Bremen und Wien rund 7.000 Juden ein. Weitere geplante Züge wurden ins Ghetto Riga bzw. KZ Jungfernhof umgeleitet.[5] Etwa 1.400 der nach Minsk deportierten Juden wurden für Zwangsarbeiten in Reparaturwerkstätten, Versorgungslagern der Wehrmacht, der Organisation Todt und der Eisenbahn zugewiesen.

In der Zwischenzeit organisierte sich im Ghetto der Widerstand gegen die Besatzer, es wurden Verbindungen zu den Partisanen in den Wäldern rund um Minsk hergestellt und Waffen (aus den Waffenfabriken, in denen Juden Zwangsarbeit leisten mussten) und einzelne Personen aus dem Ghetto dorthin geschleust. Im Februar 1942 wurde der Vorsitzende des „Judenrates“ Eliyahu (Ilja) Muschkin, der die Partisanen unterstützt hatte, festgenommen und erschossen.[6] Am 2. März 1942 erfolgte die nächste „Aktion“, bei der etwa 5.000 Menschen den Tod fanden. Danach wurde das Ghetto verkleinert. Weitere nächtliche Mordaktionen, begründet von deutscher Seite mit der Jagd auf Partisanen, gab es am 31. März, am 3., 15. und 23. April 1942 sowie eine im Mai 1942, als zwei viergeschossige Gebäude in Brand gesetzt und alle Bewohner bei lebendigem Leibe verbrannt wurden.

Die Ernährung bestand im Ghetto für registrierte Bewohner aus 200 Gramm Brot pro Tag, Arbeiter bekamen in einigen Fabriken mittags eine dicke Suppe.[7]

Am 28. Juli 1942 setzten die Deutschen bei ihren „Aktionen“ erstmals Gaswagen ein (russ. Duschegubki), wobei alle „Arbeitslosen“ in diesen umgebauten Lastkraftwagen abtransportiert und getötet wurden. Tags darauf wurden alle Patienten des Krankenhauses an Ort und Stelle erschossen, das Personal und die Ärzte abtransportiert. Bis zum 1. August durchsuchten lokale Polizisten und Deutsche die Häuser nach Verstecken (so genannte Maliny). Eine Augenzeugin berichtet, dass deutsche Häscher, nachdem sie ein Versteck entdeckt hatten und die Bewohner nicht hervor kamen, Handgranaten hinein warfen.[8]

Insgesamt wurden bei dieser „Aktion“ 3.500 reichsdeutsche und 6.500 weißrussische Juden in Minsk ermordet. Den Anfang und das Ende der Mordaktion begingen die Anführer der Mordaktion auf dem zentralen Platz des Ghettos (Jubilejnaja-Platz) mit einem Festmahl, am 1. August begleitet von Massenvergewaltigungen junger Mädchen, die in den Maliny aufgegriffen worden waren.[9] Am Abend desselben Tages wurden die Arbeiter, die man vier Tage lang in den Fabriken festgehalten hatte, wieder in das Ghetto zurückgeführt. Es verblieben knapp 9.000 Menschen.

Ab Februar 1943 begann der SS-Hauptscharführer Adolf Rübe, der sich bei der Liquidierung des Sluzker Ghettos hervorgetan hatte, seine Tätigkeit im Ghetto Minsk. Er war für seine Brutalität und Erschießungen auf offener Straße gefürchtet.[10] Im Mai 1943 wurden die jüdischen Arbeiter des Gefängnisses ermordet, im April 1943 wurden das Kinder- und das Invalidenheim liquidiert, die Bewohner an Ort und Stelle erschossen oder abtransportiert und ermordet. Gleichzeitig wurden zunehmend Bewohner des Ghettos ausgeschleust und zu den Partisanen gebracht. Ab Juni 1943 begann Rübe damit, auch die Zwangsarbeiter umbringen zu lassen, so dass am 1. Oktober 1943 noch etwa 2.000 Ghettoinsassen verblieben. Sie wurden bei der Liquidierung des Ghettos am 21. Oktober abtransportiert und ermordet, sämtliche Gebäude des Ghettos wurden gesprengt.

Von den tschechischen, österreichischen und deutschen Juden, die im November 1941 ins Ghetto Minsk deportiert worden waren, überlebten nur fünf Personen. [11]

An die jüdischen Opfer des Ghettos Minsk erinnert eine Figurengruppe an der so genannten „Jama“ (Grube), die der Bildhauer Leonid Lewin gestaltete, der auch mit anderen Werken bekannt wurde, vor allem aber mit der Gestaltung des Denkmalkomplexes in Chatyn auch über die Grenzen von Belarus hinaus Berühmtheit erlangte.

Siehe auch

Literatur

  • Grossman, Wassili und Ehrenburg, Ilja: Das Schwarzbuch - der Genozid an den sowjetischen Juden, S.227-277. 1994, Reinbek. ISBN 3-498-01655-5
  • Karl Loewenstein: Minsk – Im Lager der deutschen Juden. In: Beilage zu „Das Parlament“, B. 45/46 vom 7. November 1956. – Erlebnisbericht des ehemaligen Leiters des Jüdischen Ordnungsdienstes.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Grossman/Ehrenburg: Schwarzbuch, S. 236.
  2. Grossman/Ehrenburg: Schwarzbuch, S. 238.
  3. Grossman/Ehrenburg: Schwarzbuch, S. 242.
  4. Alfred Gottwaldt, Diana Schulle: Die ‚Judendeportationen’ aus dem Deutschen Reich 1941 - 1945. Wiesbaden 2005, ISBN 3-86539-059-5, S. 89.
  5. Alfred Gottwaldt, Diana Schulle: Die ‚Judendeportationen’... ISBN 3-86539-059-5, S. 89-97.
  6. Grossman/Ehrenburg: Schwarzbuch, S. 248.
  7. Grossman/Ehrenburg: Schwarzbuch, S. 253.
  8. Grossman/Ehrenburg: Schwarzbuch, S. 260.
  9. Grossman/Ehrenburg: Schwarzbuch, S. 264.
  10. Grossman/Ehrenburg: Schwarzbuch, S. 267.
  11. Alfred Gottwaldt, Diana Schulle: Die ‚Judendeportationen’... ISBN 3-86539-059-5, S. 90.
53.90978627.542875

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