Giudecca

Giudecca
Satellitenaufnahme Venedigs mit der Inseln San Michele im Norden, der Giudecca im Süden sowie der die Lagune nach Osten abschließenden Nehrungsinsel Lido (2001)

Die Giudecca ist eine kleine langgezogene Inselgruppe im Süden der Stadt Venedig in Italien, mit einer Fläche von 58,9 Hektar (genau 589.056 Quadratmeter[1]) und einer Bevölkerung von 6.429 zum Stand der Volkszählung 2001.[2] Sie ist wichtiger Teil des Stadtviertels Dorsoduro.

Inhaltsverzeichnis

Geographische Einordnung, der Kanal

Satellitenaufnahme Venedigs nebst den Nebeninseln St. Michele und Murano im Norden sowie der Giudecca im Süden (2000)
Brücke Ponte Picolo

Die Giudecca liegt südlich von Venedig und wuchs aus ursprünglich sechs, später drei, Teilen zusammen. Die Inselgruppe ist durch den gleichnamigen Kanal (Canale della Giudecca) von der Lagunenstadt getrennt. Ihre gleichmäßig verlaufende Entfernung beträgt zirka 300 Meter. Die Fahrt vom Markusplatz dauert mit einem öffentlichen Dieselmotorschiff (Vaporetto) kaum mehr als drei Minuten. Als größtes und nächstgelegenes Eiland in der Lagune misst die Giudecca in westöstlicher Richtung nicht mehr als 2.000 Meter. Von Norden nach Süden ist sie nicht breiter als 300 Meter. Sie besteht aus insgesamt acht Einzelinseln, die durch etwa fünf bis 40 Meter breite Kanäle voneinander getrennt sind, von denen fünf die Giudecca von Norden nach Süden durchschneiden, und zwei weitere über kurze Distanz in ost-westlicher Richtung verlaufen.

Die Giudecca wird in drei römisch-katholische Pfarreien gegliedert: S.S. Redentore (mit S.S. Trinità - Clarisse und Zitelle), Santa Eufemia und San Gerardo Sagredo.[3]

Geschichte, Herkunft des Namens der Insel

Vermutet wird, dass die Insel im frühen Mittelalter auch „Vigano“ [4] genannt wurde. Auch zu dieser Zeit oder später bürgerte sich der Name „Spinalonga“ (die erstarrte Form von Spina lunga, d. h. lange Fischgräte) ein, da die Form der Insel aus der Vogelperspektive an das biegsame Rückgrat eines Fisches erinnert.

Zur Herkunft des bis heute gültigen Namens „Giudecca“ gibt es zwei scheinbar divergierende Hauptthesen. Nach der einen Lesart ihres Namens sei die Insel benannt worden nach den Juden (giudei), da ihnen anstatt in Venedig auf der Insel vor der Stadt zu siedeln erlaubt worden sei. Demnach würde Giudecca (als Derivat von giudeo, der mittelital. Bezeichnung für Jude – im Unterschied zum heutigen Italienischen ebreo) konkret die 'Insel für Juden' benennen. Von dem venezianischen Patrizier Giorgio Emo ist zudem bekannt, dass er dem Senat des Stadtstaates im Jahr 1515 vorgeschlagen hatte, die Juden der Stadt auf Dauer und ausschließlich auf der Giudecca anzusiedeln. Doch davon kam man ab, wohl auch weil Soldatenquartiere auf der Insel unerwünschte Unruhen hätten provozieren können.[5]
Ein Jahr später nahm der Senat den Vorschlag Zaccaria Dolfins an, wonach sich die in Venedig anwesenden Juden im Ghetto niederlassen sollten, einer Insel am Rande der Stadt, die man nächtens verschloss. Dieses venezianische innerstädtische Judenviertel (in alter Zeit auch Gheto) ist möglicherweise das erste Ghetto in Italien überhaupt.

 
 
Historische Karten von Venedig, mit Giudecca im Süden
Zeichnung eines Franziskaners der Stadt Venedig aus dem 14. Jahrhundert mit der Insel Giudecca (Schreibweise: Iudaica)
1550-Stadtansicht Venedigs (Zeichnung) in Sebastian Münsters Cosmographia (Schreibweise in der lateinischen Ausgabe iudeca, in der deutschen Ausgabe (1570) Giudeca)
1573-Stich Venedigs von der Druckerei Simon Pinargentis Isole che son da Venetia nella Dalmatia (Schreibweise wie in der deutschen Ausgabe Münsters Giudeca)
1729-Stadtplan Venedigs (Schreibweise: Giudeca)
1888-Stadtplan Venedigs aus Meyers Konversationslexikon (Aktuelle Schreibweise: Giudecca)

Die andere Erklärung für die Herkunft des Inselnamens Giudecca knüpft an die wegen kleinerer Vergehen Verurteilten (ital. „giudicati“) an. Da Sträflinge in frühmittelalterlicher Zeit auf die von der Stadt abgegrenzte Insel verbracht worden seien, könnte in diesem Falle allein der Gedanke für die Verbannungsinsel hier Pate gestanden haben.[6]

Michelangelo hatte zwischen 1529 und 1532 drei Jahre auf der Giudecca in einer Art freiwilligen Exils ein Haus gemietet.[7]
Auf Karten und Stichen des Stadtplans Venedigs, sind auf der Giudecca (auch Giudeca bzw. im altvenezianischen Dialekt Zueca) zahlreiche Adelspaläste mit riesigen Gärten eingezeichnet.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert war die Insel mit 3.000 Einwohnern hauptsächlich von Fischern bewohnt. Im frühen 20. Jahrhundert wurde die Giudecca zu einem Industriegebiet, vor allem in seinem westlichen Teilen) mit Werften und Fabriken. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges verlor ein großer Teil der Industrieansiedlung auf der Insel seine frühere Bedeutung. Heute wird Giudecca mehr und mehr als Wohngebiet entdeckt, von dem geschätzt wird, das man sich hierhin gut zurückziehen und vom Touristentrubel Venedigs entspannen kann.

An bedeutenden Gebäuden findet man auf der Giudecca die Kirche Il Redentore, das wohl schönste und imposanteste Bauwerk Palladios, (errichtet 1576 als Votivkirche auf Anordnung des Senats anlässlich des Endes der Pest, die Kirche Sant'Eufemia (gegründet im 9. Jahrhundert) ist eine der ältesten Kirchen Venedigs und die Chiesa delle Zitelle. Die Kirche San Giorgio Maggiore liegt abseits der östlichen Spitze Giudeccas und gehört nicht mehr zu ihr.

Am Westende der Insel liegt ein riesiger, in neugotischem Stil erbauter Ziegelbau, die Stucky-Mühle. Der Bau wurde Ende des 19. Jahrhunderts vom Teigwarenfabrikanten Giovanni Stucky errichtet. Für verschiedene Erweiterungen wurde der hannoversche Architekt Ernst Wullekopf beauftragt, der der Mühle ihre heutige Gestalt gab. Der Molino Stucky war bis zu Beginn des zweiten Weltkrieges die größte Nudelfabrik Italiens. Nach Jahren der Leerstands und des Verfalls begann man Ende des 20.Jahrhunderts die Mühle teils zu einem Hotel, teils zu Kultur- und Ausstellungszwecken umzubauen. Diese Arbeiten wurden 2003 durch einen Großbrand unterbrochen. Inzwischen wurde das Gebäude vom Hilton-Konzern übernommen und als Hotel wiedereröffnet.

Außerdem gab es auf der Giudecca ein Filmstudio.

Die Giudecca in der deutschsprachigen Literatur

1786
Johann Wolfgang von Goethe
(1749-1832)
Italienische Reise
Venedig, 29. September 1786
1789
Friedrich Schiller
(1759-1805)

Der Geisterseher.
Aus den Memoires des Grafen von O**. Fragment

1. Buch: 4
5. Buch, 5. Brief, 1. Julius, a)
5. Buch, 5. Brief, 1. Julius, b)
1819-1822
E.T.A Hoffmann
(1776-1822)
Serapions-Brüder
Doge und Dogaresse, 344
1847
Fanny Lewald
(1811-1889)
Italienisches Bilderbuch
Venedig (Tageslicht), 802
1855
Jacob Burckhardt
(1818-1897)
Der Cicerone
Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens
107b: Architektur von 1540-1580 (Kirche del Redentore, 1576) und Nonnenkloster delle Zitelle, 1586) 108b
1860-1863
Herman Grimm
(1828-1901)
Das Leben Michelangelos
(1860-63)
Kapitel X,2
1862
Paul Heyse
(1830-1914)

Andrea Dolfin. Eine venezianische Novelle
12
1874
Theodor Fontane
(1819-1898)

Aus den Tagebüchern der Italienreise, Okt./Nov. 1874
1
1887
Conrad Ferdinand Meyer
(1825-1898)
Die Versuchung der Pescara
4.Kapitel: 3
1889
Hugo von Hofmannsthal
(1874-1929)
Der Abenteurer und die Sängerin
2.Kapitel: 2

Erwähnung in der nichtdeutschsprachigen Belletristik

1790
Giacomo Casanova
(1725-1798)
Mémoires (dt. Erinnerungen'‘
2.Band: 32.Kapitel)

Einzelnachweise

  1. [1]
  2. [2]
  3. [3]
  4. Otto Julius Bierbaum: Dumont Visuell. Venedig, Köln:DuMont Buchverlag 2000, 5. aktualisierte Auflage ISBN 3-7701-3200-9, S. 336.
  5. Bierbaum, S. 141
  6. Riccardo Calimani: Die Kaufleute von Venedig. Die Geschichte der Juden in der Löwenrepublik, München 1990, S. 11-15; Bierbaum, S. 140
  7. Herman Grimm: Das Leben Michelangelos. Vollständige Ausgabe. Mit 24 Bildtafeln. Eingeleitet und mit Anmerkungen von Dr. Karl Augst Laux, Leipzig: Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung 1940, S. 533 (Kap. X,2). Im Projekt Gutenberg findet sich Grimms Biographie Das Leben Michelangelos (1860-63) bereits in digitalisierter Form (auch wenn die elektronische Stellenangabe nicht mit dem des Originals übereinstimmt: richtig ist Kapitel X,2) Leben Michelangelos, Kapitel X,2

Weblinks

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