Gleitwinkel

Gleitwinkel

Gleitzahl E, Gleitwinkel γ und Gleitverhältnis ε sind aerodynamische Kennwerte eines Luftfahrzeuges im stationären Gleitflug.

  • Der Gleitwinkel gibt den Winkel an, unter dem ein Flugzeug im antriebsfreien Zustand (Gleitflug) gegen die Horizontale nach unten gleitet. Er ist auch ein Kennwert des Flügelprofils
  • Der Tangens dieses Gleitwinkels wird als Gleitverhältnis dargestellt
  • Die Gleitzahl ist der Kehrwert des Gleitverhältnisses

Mit der Gleitzahl lässt sich aus dem Höhenverlust die horizontale Flugdistanz errechnen, die das Flugzeug in stiller Luft zurücklegt, oder umgekehrt.

Anschaulich gibt die Gleitzahl an, wie viele Meter ein Flugzeug in waagerechter Richtung gleitet, während es einen Meter Höhe verliert.

  • Speziell im Segelflug dient die maximale Gleitzahl eines Flugzeugs zusammen mit dem geringsten Sinken (in m/s) zum Vermitteln der Flugleistung.
  • Als Gleitweg bezeichnet man bei Landeanflügen nach Instrumentenflugregeln das tatsächlich geflogene Sinkflugprofil ab dem Punkt zwischen letzter Landemarke und dem Aufsetzen auf der Landebahn. Wenn ein Flugzeug im Landeanflug ist, zählt der Kopilot oder eine automatische Stimme des EGPWS die Entfernung zum Boden (in Fuß) unmittelbar vor dem Aufsetzen der Maschine herunter. Dies ist der tatsächliche Gleitweg.

Inhaltsverzeichnis

Mathematische Beschreibung

Für den stationären Gleitflug (konstante Flugzeugmasse, konstante Geschwindigkeit) gilt:

FW + Gsinγ = 0 … mit dem Luftwiderstand FW und dem Gewicht G = m·g
FAGcosγ = 0 … mit dem Auftrieb FA
\frac{F_W}{F_A}=\frac{c_W\frac{\rho}{2}v^2_\infty A_{Wid}}{c_A\frac{\rho}{2}v^2_\infty A_{Auf}} = \frac{c_W}{c_A} = \frac {c'_W}{c'_A} = -\tan\gamma = \epsilon = \frac 1 E
cW, c'W … Strömungswiderstandskoeffizient
cA, c'A … Auftriebskoeffizent
die ungestrichenen Werte sind auf die Stirnfläche AFl des Flugzeugs (in Bewegungsrichtung) bezogen, die gestrichenen auf die Tragfläche des Flügels im Drehpunkt und vom Anstellwinkel α abhängig. Beide letztere Werte sind für die Flügelgeometrie typisch und werden im Polardiagramm nach Otto Lilienthal angegeben.

Weil der Gleitwinkel schlicht der Bahnwinkel gegen die Bezugsebene (flight level) ist, und der Gleitweg G entlang, die Flughöhe H normal auf diesen gemessen wird, gilt

\epsilon = | \tan\gamma | = \frac G H bzw. H = E \cdot G

Der Sinkweg S ist dann die Hypotenuse des rechtwinkligen Dreiecks:

H2 + G2 = S2 bzw. S = \sqrt{ 1 - E^2} \cdot G

Zu beachten ist dabei, dass die Flugebene FL nicht mit dem Boden (ground level GL) identisch ist: Das Flugzeug misst seine Höhe an einem Standardluftdruck. Die Divergenz zwischen Flugebene und Landebahn, also der gegenüber Grund falsche Gleitwinkel und die darausfolgende Ungenauigkeit des Zusammenhangs von Sinkweg und Höhe über Grund gehört zu den typischen Tücken des Landeanflugs. Neben der Erfahrung des Piloten wird das über die Landeanweisung des (bodenfesten) Towers korrigiert. Alternative wäre einzig eine absolute Höhenmessung über Grund aus dem Flugzeug heraus, die per Radar zu ungenau, per Laser witterungsabhängig wäre.

Beispiele

Bei einem Gleitwinkel von etwa 2,86° beträgt das Gleitverhältnis 0,05 (oder 5%), also eine Gleitzahl von E = 20. Einem Gleitverhältnis von 1:50 oder 0.02 (Gleitzahl 50) entspricht ein Gleitwinkel von etwa 1,15°.

Mit einem Gleitverhältnis von 1:20 legt ein Flugzeug unter Verlust von 1000 m Höhe eine Entfernung von 20 km zurück, mit 1:50 entsprechend 50 km.

Maximale Gleitzahl

Ein Flugzeug hat keine konstante Gleitzahl, sie hängt von der Geschwindigkeit und der Böigkeit der Umgebungsluft ab, sowie der Steuerkunst des Piloten. Fliegt ein Pilot sein Segelflugzeug im nicht geschobenen Flugzustand, so kann er sehr nah an die theoretische Gleitzahl gelangen. Unsauberes (schiebendes) Fliegen vermindert die Gleitzahl.

Vom Gewicht des Flugzeuges wird die Gleitzahl nicht beeinflusst – im Zustand besten Gleitens steigt mit zunehmendem Gewicht aber die Fluggeschwindigkeit. Ein schweres Flugzeug steigt im Aufwind langsamer, da das Eigensinken größer ist und aufgrund der höheren erforderlichen Geschwindigkeit auch der Kurvenradius beim Kreisen größer wird. Dies ist von Nachteil, da Aufwinde meist zum Zentrum hin stärker werden. Hochleistungssegelflugzeuge werden deshalb möglichst leicht gebaut, aber dafür mit Wassertanks ausgerüstet. Bei guter Thermik kann der Pilot sein Flugzeug durch Wasserballast schwerer und schneller machen. Wird unterwegs die Thermik schlechter, kann er durch Ablassen des Wassers den ursprünglichen leichten Zustand wiederherstellen. Auch zur Landung wird das Wasser normalerweise abgelassen, um langsamer anfliegen zu können.

Generell gilt beim Gleiten, dass die Energie zur Überwindung des Luftwiderstands mangels Motor allein aus dem Höhenverlust kommt – der Vortrieb stellt eine Komponente der Gewichtskraft dar. Ferner lässt sich die Geschwindigkeit nur über die Anstellwinkel der Tragflächen regulieren. Wie man an den Polaren eines Tragflächenprofils ablesen kann, ändert sich das Verhältnis von Auftrieb zu Widerstand bei verschiedenen Anstellwinkeln.

Die maximale Gleitzahl wird nicht bei der Geschwindigkeit des geringsten oder besten Sinkens erreicht, da dort der Widerstand ebenfalls groß ist. Es muss also auf einer gegebenen Entfernung mehr Höhe aufgegeben werden, um die Geschwindigkeit zu halten.

Eben so wenig von Vorteil ist der Ansatz beim geringsten Widerstand, da dort der Auftrieb auch niedrig ist. Die maximale Gleitzahl liegt dazwischen und lässt sich aus einem Diagramm der Leistungspolaren ablesen. Diese Geschwindigkeit des besten Gleitens ist ein Kompromiss aus möglichst hohem Auftrieb bei gleichzeitig möglichst niedrigem Widerstand.

Erhöht man die Masse des Flugzeugs, kann aus dem gleichen Höhenverlust mehr Energie gewonnen werden bzw. es ist weniger Höhenverlust zum Halten einer bestimmten Geschwindigkeit nötig.

Dabei verschieben sich die Leistungspolare und das beste Gleiten wird bei einer höheren Geschwindigkeit erreicht.

Moderne Segelflugzeuge erreichen heute ein maximales Gleitverhältnis von etwa 1:70 bei einer Geschwindigkeit von 100-110 km/h. Zum Vergleich: ein Verkehrsflugzeug (z.B. Airbus A340) bringt es auf ein Gleitverhältnis von etwa 1:16 bei einer Geschwindigkeit von circa 390 km/h.

Gleitzahlen in der Segelflug-Praxis

Im Segelflug werden oft weite Strecken geflogen, wobei aus Gründen der Flugsicherheit und weil es nachts ohnehin keine thermischen Aufwinde gibt nur tagsüber geflogen werden kann, und die Strecke damit auch durch die Durchschnittsgeschwindigkeit begrenzt wird. Deshalb ist nicht nur die Geschwindigkeit des geringsten Sinkens von Bedeutung, die einen schnellen Höhengewinn in Aufwinden sicherstellt, sondern eben auch die Geschwindigkeit des besten Gleitens.

Ein höheres maximales Gleitverhältnis erlaubt es, eine längere Gleitflugstrecke bis zur nächsten Aufwindzone zurückzulegen. Dies führt zu höherer Durchschnittsgeschwindigkeit.

Auch können viele Leistungssegelflugzeuge - für Tage mit besonders guter Thermik - mit Wasserballast beladen werden. Hierdurch lässt sich das beste Gleiten eines Segelflugzeugs zu höheren Geschwindigkeiten verschieben, was bedeutet, dass man mit der gleichen Gleitleistung eine Strecke schneller zurücklegen kann. Allerdings verschlechtern sich durch das zusätzliche Gewicht die Steigleistungen beim Kreisen in der Thermik geringfügig. Von Vorteil sind hier Segelflugzeuge mit Wölbklappen, bei denen für das Kreisen in der Thermik - durch positive Klappenstellung - ein „Langsamflug-Profil“ mit hohem Auftriebsbeiwert gewählt werden kann. Bei schwächer werdender Thermik wird der Wasserballast im Fluge abgelassen. Das beste Gleitverhältnis eines Segelflugzeuges ändert sich durch den Wasserballast nicht.

Um einen steilen Landeanflug zu ermöglichen, sollte das Gleitverhältnis so gering wie möglich sein. Dies wird im Landeanflug durch ausfahrbare Landehilfen erreicht, die den aerodynamischen Widerstand des Flugzeuges erhöhen und gleichzeitig einen Teil des Auftriebs vernichten. Damit wird eine bedeutend höhere Sinkrate bei Normalfahrt erreicht. Weit verbreitet sind die Störklappen (Schempp-Hirth-Klappen, siehe Abbildung zum Segelflug), die etwa in der Mitte des Tragflügelprofils senkrecht in den Luftstrom ausgefahren werden, und das Gleitverhältnis von 40 und mehr zum Anflug auf 5 bis 10 verringern können. Ergänzend ist - vor allem bei älteren Holzflugzeugen - das Flugmanöver Seitengleitflug (Slip) wirkungsvoll, bei dem das Flugzeug durch Kreuzen der Ruder (Querruder rechts, Seitenruder links, oder umgekehrt) in Schräglage gebracht und der Rumpf quer zur Flugrichtung gedreht wird.

Siehe auch

Literatur

  • Götsch, Ernst: Luftfahrzeugtechnik, Motorbuchverlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-613-02006-8

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