Strömungswiderstandskoeffizient

Strömungswiderstandskoeffizient

Der Strömungswiderstandskoeffizient, Widerstandsbeiwert, Luftwiderstandsbeiwert oder cw-Wert (nach dem üblichen Formelzeichen cw) ist ein dimensionsloses Maß (Koeffizient) für den Strömungswiderstand eines von einem Fluid umströmten Körpers.

Umgangssprachlich ausgedrückt, ist der cw-Wert ein Maß für die „Windschlüpfrigkeit“ eines Körpers. Er gibt jedoch erst mit der zusätzlichen Kenntnis von Geschwindigkeit, Frontfläche und Dichte des Fluids (z. B.: der Luft) den tatsächlichen Strömungswiderstand an.

Der hier beschriebene Widerstandsbeiwert für umströmte Körper ist zu unterscheiden vom Druckverlustbeiwert bei durchströmten Bauteilen.

Der cw-Wert von Kraftfahrzeugen, insbesondere Pkw, wird etwa seit der zweiten Ölkrise (1979/80) in der Öffentlichkeit wahrgenommen.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Der Strömungswiderstandskoeffizient ist durch:

c_\mathrm w = \frac{F_\mathrm w}{q \cdot A} = \frac{F_\mathrm w}{\frac{\rho}{2}\, v^{\,2} \cdot A}

definiert. Hierbei wird die Widerstandskraft FW auf eine Referenzfläche A und den Staudruck q der Anströmung normiert. Die Widerstandskraft bezogen auf die Referenzfläche entspricht dem rechnerischen Winddruck im Bauwesen. Ferner bilden ρ die Dichte und v die Geschwindigkeit der Anströmung. Die Referenzfläche ist definitionsabhängig. Üblicherweise ist sie gleich der Stirnfläche des angeströmten Körpers. In der Flugzeugaerodynamik wird jedoch die Flügelfläche als Referenz herangezogen. Daher eignet sich zum direkten Vergleich der tatsächlichen Widerstandskraft die Widerstandsfläche: fw = cwA.

Andere Bezeichnungen für den Strömungswiderstandskoeffizienten lauten (Luft-)Widerstandskoeffizient (oder -beiwert) oder Stirnwiderstand. Das Formelzeichen cw (mit w für Widerstand) ist nur im deutschen Sprachraum üblich; im Englischen wird der Drag-Coefficient als cd oder cx notiert.

Der Strömungswiderstandskoeffizient ist für viele Körper über große Bereiche der Reynolds-Zahl (Geschwindigkeit, Fluiddichte, Viskosität) weitgehend konstant; bei einigen Körpern, bei kleiner Reynolds-Zahl oder im Transschall kann er stark von den typischen Werten abweichen. Für eine glatte Kugel (bei hoher Reynolds-Zahl) etwa variiert der Strömungswiderstandskoeffizient zwischen 0,1 und 0,45. In der Nähe der Schallgeschwindigkeit steigt er auf ein Mehrfaches an und sinkt bei sehr hohen Machzahlen auf etwa den doppelten Unterschall-cw-Wert.

Mathematisch ähnelt die Definition des Strömungswiderstandskoeffizienten für umströmte Körper der Definition des Druckverlustbeiwerts für durchströmte Bauteile.

Ermittlung

Der Strömungswiderstandskoeffizient wird üblicherweise im Windkanal ermittelt. Der Körper steht dabei auf einer Platte, die mit Kraftsensoren ausgestattet ist. Die Kraft in Richtung der Anströmung wird gemessen. Aus dieser Widerstandskraft \vec F_\mathrm w und den bekannten Größen wie Luftdichte und Stirnfläche wird der Strömungswiderstandskoeffizient bei gegebener Anströmgeschwindigkeit errechnet. Neben der experimentellen Ermittlung kann der Widerstand je nach Komplexität der Modellform und verfügbarer Rechnerkapazität auch numerisch über die Integration der Verteilung von Druck- und Schubspannungen über die Modelloberfläche berechnet werden.

Anwendung

Aus dem Strömungswiderstandskoeffizienten wird die Widerstandskraft Fw wie folgt berechnet:

F_\mathrm w = \frac{\rho\,c_\mathrm w\,A\, v^{\,2}}{2}.

Der Strömungswiderstand hängt somit ab von

  • der Dichte des strömenden Fluids ρ (vergleiche Luftdichte),
  • der Referenzfläche A,
  • der Strömungsgeschwindigkeit v und
  • dem Strömungswiderstandskoeffizienten cw.

Der Luftwiderstand ist somit jeweils proportional zum Strömungswiderstandskoeffizient, zur projizierten Frontfläche und zum Quadrat der Geschwindigkeit. Die erforderliche Antriebsleistung ist wegen P = \vec F \cdot \vec v sogar proportional zur dritten Potenz der Geschwindigkeit. Daher hat die Wahl der Geschwindigkeit bei Kraftfahrzeugen neben den anderen beiden Faktoren besondere Auswirkung auf den Treibstoffverbrauch.

Der Luftwiderstand ist ausschlaggebend für die Abweichung der tatsächlichen ballistischen Kurve von der idealisierten Wurfparabel.

Beispiele

Typische cw-Werte von Querschnittsformen

Wert Form
1,33 Halbkugelschale, konkave Seite, Fallschirm
1,1 runde Scheibe, quadratische Platte
0,8 LKW
0,78 Mensch, stehend
0,7 Motorrad, unverkleidet
0,6 Gleitschirm im Normalflug
0,55 Moderner Lkw-Sattelzug mit Aeropaket (40 t), Stand 2010
0,5 Cabrio offen, Motorrad verkleidet
0,45 Kugel (Re < 1,7 105)
0,18 Kugel (Re > 4,1 105)
0,4 Durchschnittlicher Roadster
0,34 Halbkugelschale, konvexe Seite
0,30 moderner, geschlossener PKW
0,186 schon möglicher, konsequenter PKW[1]
0,08 Tragflügel beim Flugzeug
0,05 Tropfenform, Stromlinienform
0,03 Pinguin

Re bezeichnet hierbei die Reynolds-Zahl

Luftwiderstandskoeffizienten am Beispiel einiger Serien- und Experimental-PKW

cw-Wert Experimentalfahrzeuge Serienfahrzeuge
0,8 Ford Model T
0,54 Mercedes G-Klasse (W 463, langer Radstand)
0,50 Citroën 2CV
0,48 VW Käfer
0,44 VW-Bus
0,41 Mercedes-Benz Baureihe 116 (1972), VW Golf I (1974)
0,39 Citroën CX (1974), Porsche Carrera GT (2003)
0,38 VW New Beetle (1998), Lada Kalina 1118 (Basisausstattung 2008)
0,37 Renault Twingo I (1995), Smart Fortwo (1998), Dodge Journey (2008)
0,36 Tatra 87 (1937), Citroën DS (1955)
0,35 NSU Ro 80 (1967), Lada Kalina 1118 (gehobene Ausstattung 2008)
0,34 Ford Sierra, VW Golf II, VW Scirocco (2008)
0,33 Citroën SM (1970), Peugeot 206, Mercedes-Benz 190 E (1983), Smart Forfour
0,32 Fiat Grande Punto (2005), Seat Leon (Typ 1P), VW Polo V (6R)
0,31 Renault 19, Citroën C4 Picasso, VW Golf VI
0,30 Saab 92 (1947), Audi 100 C3 (1982), Škoda Octavia (Limousine 2008), Škoda Superb II (Combi 2009), Peugeot 1007 (Minivan 2005), VW Passat B5 (1996)
0,29 Opel Vectra (A, 1988; B, 1995), BMW 1er (2004), BMW 7er (2008), Audi 80 (B3, 1986)
0,28 Rumpler-Tropfenwagen (1921), Mercedes-Benz E-Klasse (W 124, 1984), Renault 25 (1984), Audi A2 (1999–2005), Opel Vectra (Vectra C 2002–2008)
0,27 Tucker Torpedo (1947–1948), Lexus IS 250 (2005), Mercedes-Benz CL-Klasse (2006), Audi A4 (2007), Opel Insignia (2008), Ford Focus Limousine (2011)
0,26 Opel Calibra (1990), Mercedes C-Klasse (2000), BMW 3er (2008), Audi A8 D4 (2010), Mercedes-Benz C-Klasse Coupé (C 204, 2011), Mercedes-Benz B-Klasse (W 246, 2011)
0,25 Panhard CD (1962), Audi A2 1.2 TDI (2000), Mercedes-Benz E-Klasse (W 212, 2009), Toyota Prius III (2009)
0,24 Mercedes-Benz E-Klasse Coupé (C 207, 2009)
0,23 BMW K1 (Kamm-Wagen K1, Versuchswagen, 1938/39)
0,22 Citroën ECO 2000 (Studie, 1981–1984), BMW Vision Efficient Dynamics (Studie, 2009)
0,21 BMW H2R (Studie, 2004)
0,2 Mitsubishi HSR-II (Studie, 1989), Loremo (Produktionsbeginn unwahrscheinlich) GM EV1
0,19 Mercedes-Benz Bionic Car (Studie, 2005),
0,18 Zerotracer Weltumrundungs-Sieger 2010,
0,168 Daihatsu UFE-III (Studie, 2006)
0,159 VW 1-Liter-Auto (Studie mit 2 Sitzen hintereinander)
0,14 Schlörwagen („Göttinger Ei“; Prototyp, 1939 (!)), SolarWorld GT (Solarracer 2011)[2]
0,11 Fortis Saxonia (Sax2 – Ecocar der TU Chemnitz)
0,075 PAC-Car II (Weltrekordfahrzeug der ETH Zürich)

Der cw-Wert quantifiziert die aerodynamische Güte eines Körpers. Durch Multiplikation mit der Stirnfläche A erhält man die Widerstandsfläche eines Fahrzeugs: Widerstandsfläche fw = cwA. Der Luftwiderstand, der den Verbrauch eines Kraftfahrzeugs bei hohen Fahrgeschwindigkeiten bestimmt, ist proportional zur Widerstandsfläche. Von Herstellern wird die Stirnfläche selten angegeben.

Siehe auch

Literatur

  • Sighard F. Hoerner: Fluid-Dynamic Drag. Eigenverlag, 1965
  • Horst Stöcker (Hg.): Taschenbuch der Physik. 4. Auflage. Deutsch, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-8171-1628-4
  • Hans-Hermann Braess, Ulrich Seiffert: Vieweg-Handbuch Kraftfahrzeugtechnik. 2. Auflage. Vieweg, Braunschweig 2001, ISBN 3-528-13114-4
  • Karl-Heinz Dietsche, Thomas Jäger, Robert Bosch GmbH: Kraftfahrtechnisches Taschenbuch. 25. Auflage. Vieweg, Wiesbaden 2003, ISBN 3-528-23876-3
  • Wolfgang Demtröder: Mechanik und Wärme. 4. Auflage. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-26034-X (Experimentalphysik. Band 1)

Weblinks

  1. Konsequente Anwendung führt zum VW XL1
  2. http://www.solarworldno1.com/solarworld-gt/

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