Goldwater-Nichols Act

Goldwater-Nichols Act

Der Goldwater-Nichols Department of Defense Reorganization Act of 1986 (PL 99-433) war ein Reformgesetz, das die militärische Befehls- und Kommandostruktur der US-Streitkräfte neu regelte. Es war die einschneidendste Reform im Verteidigungsministerium seit dem National Security Act von 1947. Sie ist nach Senator Barry Goldwater aus Arizona (Vorsitzender des Senate Armed Services Committee (SASC)), und dem Kongressabgeordneten Bill Nichols aus Alabama benannt, die diese Gesetzesinitiative einbrachten. Das Gesetz passierte das Repräsentantenhaus (383-27) und den Senat (95-0) und wurde von Präsident Ronald Reagan am 1. Oktober 1986 ratifiziert. Neben vielen weiteren Veränderungen wurde vor allem die militärische Kommandokette verschlankt, die seitdem vom Präsidenten über den Verteidigungsminister direkt zu den Kommandeuren der Unified Combatant Commands führt und dabei den Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs umgeht, dem dabei ausschließlich eine beratende Funktion zuteil wurde, obwohl er nominell weiter der ranghöchste Soldat der US-Streitkräfte blieb.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Hintergrund

Bereits im Zweiten Weltkrieg gab es Abstimmungsprobleme durch parallele voneinander unabhängigen Befehlsketten zwischen Präsident, den einzelnen Ministerien (Department of War und Department of the Navy, beide mit Kabinettsrang) sowie den beiden (damals nur zwei) existierenden Teilstreitkräften.

Nach der Streitkräftereform (Security Act) von 1947 gab es immer noch parallele Kommandostrukturen. Die Stabschefs der einzelnen Teilstreitkräfte bildeten (auch nach dem Goldwater-Nichols Act) gemeinsam den Joint Chiefs of Staff (JCS) und wählten aus ihre Mitte den Vorsitzenden (Chairman of the JCS), der dem Verteidigungsminister verantwortlich war. Beide waren dann gemeinsam dem Präsidenten in seiner Funktion als Oberbefehlshaber aller US-Streitkräfte verantwortlich.

Der Goldwater-Nichols Act war der Versuch, der Rivalität zwischen den einzelnen Teilstreitkräften um Einfluss und Budgetzuteilung entgenzuwirken und die dadurch verursachte mangelnde Fähigkeit für Verbundoperationen (Jointness-Prinzip) abzubauen. Bereits während des Vietnamkrieges wurden diese Schwierigkeiten sichtbar, aber erst die 1980 gescheiterte Geiselbefreiung in Teheran (Operation Eagle Claw) und das Desaster bei der Besetzung Grenadas (Operation Urgent Fury) 1983 machten einen dringenden Handlungsbedarf deutlich.

Diese kontraproduktive Rivalität manifestierte sich auch in Friedenszeiten bei dem Verteilungskampf um Gelder und der Nichtabstimmung von Beschaffungsprojekten (Bedarfsanalyse und Entwicklung von Waffensystemen und Ausrüstung) untereinander. Das verursachte teure und unnötige Redundanzen nicht nur bei der Beschaffung, sondern auch bei den Organisationsstrukturen (militärische Einrichtungen und Kommandos), die außerdem noch die Kommandokette zusätzlich verkomplizierten. Selbst die Entwicklung von Gefechtsdoktrinen wurde teilweise voneinander unabhängig und sogar widersprüchlich durchgeführt.

Die Ausarbeitung der AirLand Battle-Doktrin Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre legte die Koordinationsschwierigkeiten bei den geplanten Verbesserungen innerhalb der einzelnen Teilstreitkräfte offen. Ziel dieses neuen Einsatzkonzeptes sollte eine Vereinheitlichung der bis dahin unterschiedlichen Handlungsmaßgaben sein. Dabei sollte erreicht werden, dass Land-, Luft und Seestreitkräfte einschließlich der weltraumgestützten Waffensysteme aufeinander abgestimmt, eben im Verbund, operieren. Dieses dringend notwendige Konzept wurde aber durch die beschriebenen Strukturprobleme vereitelt. Keine der Teilstreitkräfte war zu Kompromissen bereit.

Diese zwar schon seit über 40 Jahren bestehenden Reibungsverluste kulminierten Anfang der 1980er Jahre in den Verteilungskämpfen, die sich durch die massive Aufstockung des Verteidigungshaushaltes der Reagan-Regierung noch verschärften und bei der jede Teilstreitkraft nach Kräften versuchte, die andere bei der Budgetzuteilung auszustechen. Dies führte zusammen mit den so deutlich aufgetretenen Schwächen bei der Gefechtsführung von Verbundoperationen dazu, dass der Kongress das Verteidigungsministerium anrief, diese strukturell bedingten Probleme durch eine Neuorganisation zu korrigieren.

Die Nichtbeachtung dieser Empfehlung führte schließlich zu dem Goldwater-Nichols-Gesetz, das nun das Department of Defense 1986 zu der dringend nötigen Reform zwang.

Ergebnisse der Reform

Wirtschaftlichkeit

Da das Militär auch bei begrenzten Etats in der Lage sein muss, seinen Auftrag zu erfüllen, werden mit der Kooperation im Beschaffungswesen teure und überflüssige Duplikationen vermieden, so wie beispielsweise bei der EF-111A Raven der Air Force und der EA-6B Prowler der Navy.

Effizienz

Effizienz ergibt sich unmittelbar aus der Abschaffung redundanter Verbände und Organisationen. Separate Entwicklungen von Waffen, Material und Ausrüstungen nebeneinander werden ausgeschlossen. Erster Erfolg war die gemeinsame Entwicklung der GPS-gesteuerten Abwurflenkwaffen für Luft- und Seestreitkräfte (Smartwaffen) und der Stealthtechnologie.

Effektivität

Effektivität entsteht durch den Nutzen, der sich aus dem Druck zur teilstreitkraftübergreifenden Zusammenarbeit ergibt. Das typische Kastendenken innerhalb der einzelnen Waffengattungen wird überwunden und das gegenseitige Verständnis für die Eigenheiten und operativen Erfordernisse der jeweils anderen gefördert.

Die Reform führte zu einer Neustrukturierung der Kommandobereiche und ihre Beziehung zueinander. Durch den Goldwater-Nichols Act wurde die militärische Beratung des Präsidenten in der Funktion des Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs gebündelt und dadurch divergierende eventuell gegensätzliche andere Meinungen, die früher von den Stabschefs der Teilstreitkräfte hätte kommen können, ausgeschlossen. Gleichzeitig wurden zunächst acht oberste Kommandobehörden geschaffen, die Unified Combatant Commands, deren Chefs zu ihrem militärischen Rang auch den Titel Commander in Chief führten. Diese Kommandoeinrichtungen teilen sich in regionale und funktionale auf. Die funktionalen bilden die Einsatzkräfte aus, stellen sie bereit und rüsten sie aus, während die Regionalkommandos sie anfordern und zum Einsatz bringen. Denen, den die Einsatzkräfte „gehören" (Funktionalkommandos), haben keine operative Kontrolle über sie und denen, die sie einsetzen (Regionalkommandos), gehören sie nicht. Wenn die Kräfte dann einem Regionalkommando (je nach Erfordernissen auch temporär) unterstehen, wird dennoch von den Funktionalkommandos erwartet, dass sie Nachschub, Ersatz und Wartung von Personal und Material gewährleisten.

Der Panamafeldzug (Operation Just Cause), bei der General Maxwell R. Thurman als Befehlshaber des Regionalkommandos US Southern Command (SOUTHCOM) sämtliche US Streitkräfte kommandierte, ohne mit einem Stabschef der Teilstreitkräfte Kompromisse aushandeln zu müssen, war der erste sichtbare operative Erfolg der Reform.

Veränderungen

Nach dem Nunn-Cohen Amendment wurde 1987 das US Special Operations Command (SOCOM) eingerichtet, das sämtliche Spezialeinsatzkräfte der Streitkräfte (zunächst mit Ausnahme der des Marine Corps) befehligte. Ab dem 20. Juni 2003 wurden auch Teile der Marines unter dem Kommando Marine Corps Forces Special Operations Command dem SOCOM unterstellt.

Am 29. Oktober 2002 veranlasste Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, dass die Kommandeure der Unified Combatant Commands den Titel Commander in Chief ablegen, da nur der Präsident als Oberbefehlshaber der Streitkräfte diese Bezeichnung führen sollte, um die Befehlskette begrifflich zu präzisieren.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Goldwater-nichols act — Le Goldwater Nichols Act (the Goldwater Nichols Department of Defense Reorganization Act de 1986 PL 99 433) fixe le processus de commandement lors des opérations militaires engagées par le Département de la Défense. L ordre initial émane du… …   Wikipédia en Français

  • Goldwater-Nichols Act — Le Goldwater Nichols Act (the Goldwater Nichols Department of Defense Reorganization Act de 1986 PL 99 433) fixe le processus de commandement lors des opérations militaires engagées par le Département de la Défense. L ordre initial émane du… …   Wikipédia en Français

  • Goldwater-Nichols Act — The Goldwater Nichols Department of Defense Reorganization Act of 1986 USPL|99|433 reworked the command structure of the United States military. It increased the powers of the Chairman of the Joint Chiefs.It made the most sweeping changes to the… …   Wikipedia

  • Goldwater-Nichols-Gesetz — Der Goldwater Nichols Department of Defense Reorganization Act of 1986 (PL 99 433) war ein Reformgesetz, das die militärische Befehls und Kommandostruktur der US Streitkräfte neu regelte. Es war die einschneidenste Reform im… …   Deutsch Wikipedia

  • Goldwater (disambiguation) — Goldwater may refer to:People*Barry Morris Goldwater, American conservative politician *Barry Goldwater, Jr., politician and son of Senator Barry GoldwaterThings*Goldwater s, American department store owned by Michel Goldwasser, grandfather of… …   Wikipedia

  • Goldwater — Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Patronyme Goldwater est un nom de famille notamment porté par : Barry Goldwater (1909 1998), un homme politique américain. Robert Goldwater (1907… …   Wikipédia en Français

  • Barry Goldwater — Goldwater redirects here. For other uses, see Goldwater (disambiguation). This article is about the late United States Senator and Presidential nominee. For his son, see Barry Goldwater, Jr. Barry Goldwater United States Senator from Arizona …   Wikipedia

  • Barry M. Goldwater — Barry Goldwater Barry Morris Goldwater (* 1. Januar 1909 in Phoenix, Arizona; † 29. Mai 1998 in Paradise Valley, Arizona) war ein US amerikanischer Politiker und Mitbegründer der modernen konservativen Bewegung in den USA. Er war über fünf… …   Deutsch Wikipedia

  • Barry Morris Goldwater — Barry Goldwater Barry Morris Goldwater (* 1. Januar 1909 in Phoenix, Arizona; † 29. Mai 1998 in Paradise Valley, Arizona) war ein US amerikanischer Politiker und Mitbegründer der modernen konservativen Bewegung in den USA. Er war über fünf… …   Deutsch Wikipedia

  • William Flynt Nichols — Member of the U.S. House of Representatives from Alabama s 4th and 3rd district In office …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”