Gottes Werk und Teufels Beitrag (Buch)

Gottes Werk und Teufels Beitrag (Buch)

Gottes Werk und Teufels Beitrag (1985, Originaltitel: The Cider House Rules, dt. Übersetzung von Irene Rumler) ist ein epischer Roman von John Irving. 1999 wurde das Werk von Lasse Hallström verfilmt; Irving selbst schrieb das oscarprämierte Drehbuch.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Der sechste Roman von John Irving spielt überwiegend in den Dreißiger- bis Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts und erzählt die Geschichte des Waisenjungen Homer Wells, der in der Obhut des äthersüchtigen Doktor Wilbur Larch, des Leiters des abgelegenen Saint Cloud’s Waisenhauses im US-Bundesstaat Maine, aufwächst. Dr. Larch, seines Zeichens Gynäkologe und erfahrener Geburtshelfer, betätigt sich nicht nur als Erzieher und medizinischer Betreuer der Waisen von Saint Cloud's, sondern führt entgegen der damals herrschenden Gesetzeslage auch Abtreibungen durch. Er handelt dabei in der festen Überzeugung, dass Frauen die Wahl haben sollten, ein Kind auszutragen oder die Schwangerschaft abzubrechen, sofern sie adäquat informiert sind. Das Buch skizziert den Weg des Dr. Larch vom Medizinstudenten, der im Zuge der Behandlung einer auf sexuelle Kontakte mit einer Prostituierten zurückzuführenden Geschlechtskrankheit der Äthersucht verfällt, zum erfahrenen Arzt, der sich angesichts des Todes der Prostituierten und ihrer Tochter bei unsachgemäß ausgeführten Abtreibungen entschließt, selbst Abtreibungen durchzuführen, und sich damit fortan sowohl Gottes Werk (der Frucht der Empfängnis) als auch dem Beitrag des Teufels (der ungewollten Schwangerschaft) widmet.

Die eigentliche Hauptperson des Romans ist aber Homer Wells, dessen Kindheit und Jugend im Waisenhaus von Saint Cloud's ausführlich behandelt wird. Als eines der ältesten Waisenkinder äußert er nach diversen gescheiterten Adoptionsversuchen den Wunsch, im Waisenhaus zu bleiben. Dr. Larch, in seiner väterlichen Rolle, erwartet im Gegenzug, dass Homer sich „nützlich macht“. Von da an arbeitet Homer nach Kräften im Waisenhaus mit; er unterstützt Dr. Larch und seine Mitarbeiterinnen Edna, Angela und Mrs. Grogan und betätigt sich allabendlich als Vorleser für die übrigen Waisen (darunter das Mädchen Melony, mit der er als Jugendlicher erste sexuelle Erfahrungen macht). Nach und nach übernimmt Homer im Waisenhaus und dem ihm angeschlossenen Krankenhaus eine Assistentenrolle; er erhält von Dr. Larch eine fundierte medizinische Ausbildung und setzt seine immer umfangreicheren medizinischen Fähigkeiten schließlich auch selbst ein, indem er Larch bei Geburten und Abtreibungen (die er selbst missbilligt) unterstützt. Parallel unterhält Homer eine eher lieblose Beziehung zu Melony, der einzigen anderen annähernd gleichaltrigen Waise, der er auch verspricht, Saint Cloud's nicht vor ihr zu verlassen.

Durch einen Zufall erhält der fast schon erwachsene Homer jedoch die Möglichkeit, das Waisenhaus zu verlassen und eine für ihn völlig neue Welt kennenzulernen: Der aus reichem Haus stammende Wally Worthington und seine ungewollt schwangere Verlobte Candy Kendall kommen nach Saint Cloud's, um Dr. Larchs Dienste als Abtreiber in Anspruch zu nehmen. Homer, der sich auf den ersten Blick in Candy verliebt, bekommt von Dr. Larch und Wally die Möglichkeit eingeräumt, Wally und Candy zu begleiten, um über den Sommer in den Ocean View-Obstgärten der Familie Worthington zu arbeiten. Homer lernt das Leben in Ocean View zu schätzen und bleibt bei den Worthingtons, wo er sich als Apfelpflücker und Mädchen für alles verdingt. Seine Kontakte zu Candy bleiben stets rein freundschaftlich; erst als Wally im Zweiten Weltkrieg als Pilot abgeschossen wird und fortan als vermisst gilt, entwickelt sich zwischen ihm und Candy eine Liebesbeziehung, die sie aber im Unklaren über Wallys Schicksal stets geheim halten. Als Candy von Homer schwanger wird, versuchen sie dies durch eine längere Reise nach Saint Cloud's zu verbergen, wo Candy heimlich ihren Sohn Angel zur Welt bringt. Zurück in Ocean View gibt Homer vor, Angel sei eine Waise, die er adoptiert habe. Zugleich taucht Wally, der den Absturz seines Flugzeuges schwer verletzt überlebt hat, gelähmt in Burma wieder auf.

Jahre später lebt Homer immer noch in Ocean View; seine Familie sind der aus dem Krieg zurückgekehrte, immer noch körperlich behinderte Wally, Candy (die Wally inzwischen geheiratet hat und mit der Homer immer noch heimliche sexuelle Kontakte unterhält) und sein Sohn Angel. Gemeinsam führen sie die Apfelplantage, wo sich der heranwachsende Angel in Rose, die Tochter des farbigen Südstaatlers Mr. Rose, des Anführers einer Gruppe Wanderarbeiter, verliebt. Als Angel und Candy herausfinden, dass Rose von ihrem Vater sexuell missbraucht wird und von ihm schwanger ist, überschlagen sich die Ereignisse. Homer erinnert sich seiner medizinischen Ausbildung und führt an Rose erstmals freiwillig eine Abtreibung durch. Mr. Rose wird von Rose erstochen; schließlich taucht auch noch Melony, die Homer seit Jahren sucht, in Ocean View auf und erkennt in Angel sofort Homers und Candys Sohn. Zugleich erstickt der mittlerweile über neunzigjährige Dr. Larch, der sich in der Führung von Saint Cloud's seit Jahren mit einem Treuhänderausschuss herumzuplagen hat und schon seit langem heimlich an einer Wiederkehr Homers als leitender Arzt von Saint Cloud's arbeitet, im Ätherrausch, nicht ohne vorher alles für die Rückkehr Homers Erforderliche in die Wege geleitet zu haben. Um Larchs Werk nicht untergehen zu lassen, erklärt sich Homer bereit, als vorgeblicher Dr. Fuzzy Stone die Nachfolge Dr. Larchs anzutreten. Nachdem er und Candy Wally und Angel über ihre jahrelange Beziehung und ihre Elternschaft zu Angel aufgeklärt haben, kehrt Homer alias Dr. Stone nach Saint Cloud's zurück, um fortan die Verantwortung für das Werk Gottes und den Beitrag des Teufels zu übernehmen.

Kritik

Das Buch behandelt die für Irving typischen Motive der Elternschaft und des Erwachsenwerdens, wobei im Mittelpunkt des Geschehens wie zumeist untypische Eltern-Kind-Beziehungen stehen: einerseits das Verhältnis zwischen dem Waisen Homer und seinem „Ziehvater“ Dr. Larch und andererseits zwischen Homer und Angel, seinem angeblichen Adoptivkind. Wie in Garp und wie er die Welt sah, werden die Sorgen der Vaterpersonen ebenso wie die Fragen des Heranwachsens und der emotionalen Entwicklung behandelt. In Irvings späteren Romanen Owen Meany, Bis ich dich finde und Letzte Nacht in Twisted River treten diese Themen noch stärker zutage. Auch in anderer Hinsicht stellt Gottes Werk und Teufels Beitrag ein typisches Irving-Buch dar: es finden sich die in seinen Werken häufig auftauchenden starken und dominanten Frauenfiguren (Mrs. Worthington und vor allem Melony) ebenso wie die seiner Angst um seine eigenen Kinder entspringenden tragischen (und oft tödlich endenden) Schicksale von Kindern (hier des jungen Fuzzy Stone, dessen Identität Homer am Ende des Buches annimmt). Auch ein weiteres klassisches Irving-Thema, ungewöhnliche sexuelle Beziehungen (zwischen Homer und Melony, Homer und Candy sowie Melony und ihrer Arbeitskollegin) spielt eine wesentliche Rolle, wohingegen andere bei Irving immer wiederkehrende Themen, etwa das Ringen oder die Schriftstellerei in „Gottes Werk“ eher bedeutungslos bleiben (wenn man von Melonys Kampf mit den Apfelpflückern einerseits und Dr. Larchs Betätigung als Chronist und Angels nur angedeuteter späterer Autorenkarriere andererseits absieht). Im Übrigen zeigt uns Irving (erneut) seine Verehrung für Charles Dickens und dessen Romane, seine auf intensive Recherchen zurückzuführenden Detailkenntnisse (hier vor allem in puncto Gynäkologie), seine Vorliebe für Schauplätze in seiner Heimat Neuengland und sein tragikomisches Talent, gepaart mit der von seinen Lesern so geschätzten sprachgewaltigen Ausdrucksweise. All diese Faktoren machen „Gottes Werk“ zu einem der Lieblingsbücher der Irving-Fangemeinde.

Pressestimmen

„Im gewissen Sinn ist auch Irvings neues Werk universal. Ein Roman über die endlosen Mühen der sexuellen Emanzipation, über den langen, historischen Weg aus der Bigotterie; von einem Mann geschrieben, mit einem Mann als Held, kein bisschen feministisch und doch ein flammendes Werk für Frauen. Das mache mal einer nach.“ (Die Zeit, Hamburg)[1]

Einzelnachweise

  1. Ja, ein Schinken! Na und? Die Zeit, Ausgabe 13/1988 vom 25. März 1988, abgerufen am 28. Juni 2011.

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