Bigotterie

Bigotterie

Bigotterie (französisch bigoterie) oder Scheinheiligkeit ist die Bezeichnung für ein unreflektiertes, übertrieben frömmelndes, dabei anderen Auffassungen gegenüber intolerantes[1] und scheinbar ganz der Religion oder einer religiösen Autorität (Person oder Instanz) gewidmetes Wesen oder Verhalten. Der Duden bezeichnet Bigotterie als „kleinliche, engherzige Frömmigkeit und übertriebene[n] Glaubenseifer“.[2]

Bei der Bigotterie geht es weniger um die Religiosität als solche, sondern vielmehr um die ängstliche und übertriebene Gewissenhaftigkeit in ihrer Ausübung.[3] Das dazugehörige Adjektiv ist „bigott“.

Bigott wurde im 18. Jahrhundert aus dem gleichbedeutenden französischem bigot entlehnt, dessen Herkunft jedoch umstritten ist. Eine Vermutung ist, dass es vom altenglischen bī god („bei Gott“), einer alten englischen Schwurformel abgeleitet wurde. Ebenso ist eine Entlehnung aus dem span. (hombre de) bigote, übersetzt „(Mann mit) Knebelbart“, möglich. Die moderne Bedeutung wäre dann von einem ernsten und finsteren Gesichtsausdruck übertragen, den ein Knebelbart bewirke. Bigotterie, im 17. Jahrhundert abgeleitet vom französischem bigoterie, steht für abgöttische Frömmigkeit und Scheinheiligkeit.[4]

Meyers Großes Konversations-Lexikon definierte 1905 bigott als:

„andächtelnd, frömmelnd, eifrig in der peinlich genauen Ausübung religiöser Gebräuche, aber ohne ernsteres religiöses Leben und streng sittliche Haltung.“

Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 855.[5]

Als Scheinheiligkeit wird auch Heuchelei (auch „Pharisäertum“) oder Doppelmoral bezeichnet, wenn Menschen zum Beispiel vordergründig eine hohe Moral vorgeben, tatsächlich aber im Widerspruch dazu niedrige moralische Standards praktizieren, oder wenn sie Lippenbekenntnisse ablegen, tatsächlich aber anderer Meinung sind. Der Duden bezeichnet scheinheilig als „Aufrichtigkeit, Nichtwissen od. Freundlichkeit vortäuschend; heuchlerisch“.[6]

Adelungs Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart bezeichnete scheinheilig 1798 als:

„den äußern Schein der Heiligkeit, d.i. der Gottesfurcht, annehmend und habend, ohne er wirklich zu seyn. Ein Scheinheiliger, ein Heuchler, den man im gemeinen Leben auch einen Kopfhänger, in Niedersachsen einen Bibelträger, Kirchenklepper, Heiligenfresser, Heiligenbeißer u.s.f. nennet. Ein scheinheiliges Betragen.“

Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1403.[7]

Einzelnachweise

  1. Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 536 hier online auf zeno.org
  2. Bigotterie in Duden online, abgerufen am 27. März 2010
  3. Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 119 hier online auf zeno.org
  4. Der Große Duden Band 7 - Herkunftswörterbuch - Etymologie, 1963
  5. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 855. hier online auf zeno.org
  6. Scheinheilig in Duden online, abgerufen am 27. März 2010
  7. Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1403. hier online auf zeno.org

Literatur

 Wikisource: Brief an eine Gläubige – von Ernst Keil, in Die Gartenlaube (1866), Heft 42, S. 655–657

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: bigott – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wikiquote: Bigotterie – Zitate

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