Großbass

Großbass

Die Großbassblockflöte ist eine Blockflöte.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Mit der Wiederbelebung der Blockflöte durch Arnold Dolmetsch, der die Barockmusik und den entsprechenden Blockflötentypus als Fixpunkt wählte, kam es auch zur Konstruktion von Blockflötentypen, die größer als die Bassblockflöte sind. Dabei verfügt die Großbassblockflöte über bis zu sieben Klappen, die allerdings neben klanglichen Aspekten lediglich die Handhabung der Grifflöcher erleichtern und höchstens ansatzweise zum System ausgebildet sind. Authentisch ist die barocke Großbassblockflöte eigentlich nicht. Als Hölzer für moderne Großbassblockflöten nimmt man Ahorn oder das afrikanische Bubinga.

Geschichte

Im Germanischen Nationalmuseum zu Nürnberg befinden sich gleich zwei bekannte Großbassblockflöten. Beide sind dem Renaissancetypus zuzuordnen, auch wenn das Instrument von Hieronymus F. Kynseker (1636 - 1686) am Kopfstück mit hochbarocken Verzierungen versehen ist. Diese Blockflöte ist Teil eines Ensemblesatzes, der aus Pflaumenholz gefertigt ist. Bei größeren Blockflöten begnügte man sich sonst aus Kostengründen allerdings meist mit Birnbaumholz.

Die Großbassblockflöte verfügte über eine Klappe für den Grundton, die durch eine so genannte Fontanelle geschützt war. Durch ein S-förmiges Anblasrohr ist sie etwas bequemer zu spielen als etwa ein gleichgroßer Pommer (vergl. Tenorsaxofon, das in der Tonhöhe der Großbassblockflöte entspricht.)

Dadurch, dass die Grifflöcher nicht mit Klappen bedeckt sind, liegen die Tonlöcher an akustisch ungünstigen Stellen. Die trotzdem immer noch benötigte enorme Fingerspannweite führt zu massiven Abstrichen bei der Geläufigkeit.

Als authentisches Instrument hat die Großbassblockflöte eine kurze Geschichte von etwa 100 bis 120 Jahren. Beschrieben ist das Instrument lediglich bei Michael Praetorius(1619) und bei Marin Mersenne (Harmonie universelle - Paris 1636). Die früheste Großbassblockflöte ist wohl die aus der Sammlung des venezianischen Catajo-Palastes. Sie befindet sich heute im Kunsthistorischen Museum zu Wien. Die Großbassblockflöte ist bei Michael Praetorius als Instrument in B beschrieben.

Marin Mersenne beschreibt eine Großbassblockflöte mit einer überaus zierlich gearbeiteten Doppelklappe für den Grundton und den darüberliegenden Halbton. Das Problem der kleinen Sekunde über dem Grundton, die nur durch Halbdecken erzielt werden kann, womit sich nicht jeder Blockflötist anfreunden kann, wird durch die Neuerung Mersennes in Analogie an andere Instrumente nicht gelöst.

Das Kynseker-Instrument aus dem germanischen Nationalmuseum ist gleichzeitung Höhe- und Schlusspunkt der Entwicklung. Es bleibt hinter den Vorstellungen Mersennes zurück. Möglich, dass es bereits historisierend konzipiert ist.

Musikalische Funktion

Die Großbassblockflöte ist, anders als etwa die moderne Querflöte, ein multifunktionales Instrument, d.h. sie bietet ihrem Besitzer alles von der vornehmen Zurückhaltung im Ensemble bis hin zu beinahe solistischen Aufgaben. Dabei muss durchaus angemerkt werden, dass Renaissance-Blockflöten zu Beginn des 21. Jahrhunderts weitaus handelsüblicher sind als noch 1970. Wenn es also heißt, die Großbassblockflöte verstärke den Bass im Blockflötenchor, was immer das sein mag, so ist der Renaissance-Typus durchaus einbezogen.

Dritte Stimme im Blockflötenquartett

Um eine recht niedrige Abstraktionsebene handelt es sich immer noch, wenn ein Blockflötenquartett in Klanglage dargebracht wird. Die Großbassblockflöte entspricht in der Tonhöhe exakt der menschlichen Tenorstimme. Durchaus eine Rolle spielt in diesem zusammenhang, dass sich der Tonumfang von großen Blockflöten reduziert, so dass der Ensembleleiter nicht davon ausgehen kann, dass eine Großbassblockflöte den Tonumfang einer gleichgroßen (Tenor-)Rauschpfeife übersteigt.

Bass in Halblage

Oft kann die Großbassblockflöte auch den Bass übernehmen, sofern er C bzw. B nicht unterschreitet. Das Blockflötenquartett in der Halblage besteht aus Alt-, Tenor-, Bass- und Großbassblockflöte. Der Ensembleleiter muss allerdings etwas suchen, um geeignete Literatur zu finden.

Eine Funktion der Kynseker-Flöte könnte die Übernahme der zweiten Violenstimme etwa in Streichersätzen von Johann Rosenmüller o. ä. sein. Inwieweit der Streicherkorpus durch Blockflöten ersetzt werden kann, ist in jedem Einzelfall zu entscheiden.

Der solistische Einsatz

Solistische Möglichkeiten für die Großbassblockflöte ergeben sich, wenn eine Stimme für Tenor instrumental wiedergegeben werden soll, z. B. in "Eins bitte ich vom Herren" von Heinrich Schütz. Diese geistliche Konzert ist für zwei Tenöre und Basso continuo (etwa Dulzian und Orgel) konzipiert. Für eine Ausführung mit Großbassblockflöte geeigneter ist die erste Tenorstimme, da in der zweiten halbgedeckt werden muss.

20. und 21. Jahrhundert

Die Großbassblockflöte findet vereinzelt in der Blockflötenliteratur des 20. und 21. Jahrhunderts Verwendung. Als Soloinstrument verwendet sie Erwin Koch-Raphael in seinem Werk grenzZeit I aus dem Jahr 1993. Kammermusikalisch wird sie beispielsweise in der Komposition STYX (1994) für Blockflöte, Schlagzeug, Wasser und Audio-Zuspielung von Michael Beil oder, hier vom Perkussionisten gespielt, in writing (1998) für zwei Spieler an einer Großen Trommel und Audio-Zuspielung von Harald Muenz, verwendet.

Die Großbassblockflöte in B

Eine solistische Nutzung der Großbassblockflöte ergibt sich auch dann, wenn im Blockflötenquartett der Klanglage alle Blockflöten durch Gemshörner ersetzt werden können mit Ausnahme der Großbassblockflöte, sofern die Stimme den Gemshornumfang übersteigt. Im Liber Fridolini Sichery (um 1500) finden sich hierfür zwei Beispiele. Beide sind von Johannes Stoken (vor 1500). "Helas ce n'est pas" ist für Soprangemshorn, Großbassblockflöte in B, Alt- oder Tenor- sowie Bassgemshorn. Der Satz "Brunete" ist fünfstimmig und für Gemshornquartett und Großbassblockflöte in C oder B.

Die Partie der Großbassblockflöte steht im Tenorschlüssel c4, liest sich jedoch wie eine Tenorblockflöte (oder ein anderes C-Instrument) im g-Schlüssel, der bereits für das LFS belegt ist, vorausgesetzt man wählt die Großbassblockflöte in B. Ein Solo für Großbassblockflöte in B liegt auch in "Fors seulement" von Antoine Brumel vor. Hier ist die Großbassblockflöte in B (Tonumfang B-f') das einzige in der Klanglage verwendbare Flöteninstrument.

Im Manuscript Heinrichs des VIII (British Library, Add. MS 31922) findet sich ein Instrumentalstück, dem 3b vorgezeichnet sind, was für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts ungewöhnlich ist. In der Klanglage können keine Blockflöten außer einer Großbassblockflöte in B (3. Stimme) eingesetzt werden. Für diese erscheint das Instrument allerdings maßgeschneidert.

Als hypothetisches Instrument

Das Problem in diesem Stück wie auch in den zuvor beschriebenen ist, dass weder im Musica getutscht und außgezogen des Sebastian Virdung (1511) noch im Musica instrumentalis deutsch von Martin Agricola (1528/45) eine Großbassblockflöte beschrieben ist, und das obwohl seit 1550 einschlägige authentische Instrumente vorhanden sind. Beschrieben sind lediglich Instrumente in f, c' und g'. Die Grundtöne folgen dem Quintenzirkel. Setzt man die Reihe nach oben und unten fort, ergibt sich eine Sopranblockflöte in d" und eben die Großbassblockflöte in B.

In dieser Reihung sind diese Instrumente 1619 bei Michael Praetorius beschrieben, dazu etliche Zusatzinstrumente, jedoch nicht die Altblockflöte in f'.Das Fehlen des Instruments in B bei Virdung und Agricola ist vielleicht so zu erklären, dass über Halbtöne keine Kirchentonart aufgebaut werden kann, die Großbassblockflöte in B trotz einer mutmaßlichen einschlägigen Musikpraxis nicht in den theoretischen Kontext passt.

Als Phantominstrument

Gelegentlich dient die Großbassblockflöte in B auch als Bassinstrument im Traversflötenensemble, da eine Traversflöte der gleichen Größe nicht zu handhaben wäre. Es ergibt sich daraus die Besetzung Traversflöte in D, 2 Traversflöten in G und Bassblockflöte in B. Ein Beleg hierfür ist der Satz eines unbekannten Meisters im LFS.

Verfügt die der Großbassblockflöte zugedachte Stimme über einen den der Renaissanceflöte übersteigenden Tonumfang, kann der Satz quintiert, d.h. eine Quinte nach oben transponiert werden, woraus sich die reine Querflötenbesetzung Traversflöte in A, 2 Traversflöten in D, Traversflöte in G ergibt. Dabei darf allerdings nicht der Grundton gefordert sein, da dieser bei Traversflöten bis ins 18. Jahrhundert hinein fehlt. In diesem Fall muss die Stimme einem anderen Instrument (Streicher, Kortinstrument) anvertraut werden.

Großbässe anderer Instrumentenfamilien

Diese Großbässe sind eine Oktave, bzw. zwei Oktaven tiefer als die Großbassblockflöte.


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