Grundfrage der Philosophie

Grundfrage der Philosophie

Als Grundfrage der Philosophie bezeichnet man eine Frage, deren Beantwortung für den Fortgang alles weiteren Philosophierens grundlegende Bedeutung hat. Da mit der Beantwortung der Grundfrage Vorentscheidungen getroffen werden, welche die Behandlung aller folgenden Probleme im Voraus bestimmt, kommt ihr eine große Bedeutung zu. Ob es allerdings überhaupt sinnvoll ist, dass die Philosophie ihren Ausgang von einer Grundfrage nimmt, ist Gegenstand vor allem postmoderner Kritik geworden.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsgeschichte

Engels

Unter der zuerst von Friedrich Engels so formulierten Grundfrage der Philosophie versteht man einen historischen Standpunkt, der die wichtigste Ausrichtung des Philosophierens in der Beantwortung der Frage nach dem Verhältnis von Denken und Sein, bzw. von Geist und Natur sieht. Entsprechend ihrer Beantwortung klassifiziert Engels den Antwortenden als Materialist oder Idealist. Diese Sichtweise wird besonders vom Dialektischen Materialismus und ähnlichen vom Marxismus bestimmten Theoriegebäuden gepflegt.

Fichte[1] hatte behauptet, das das Bewusstsein von der Materie abhängig ist. Ursprünglich aus dem Leib-Seele-Problem abgeleitet, teilt man die philosophische Welt für einen längeren Zeitraum – oftmals auch in polemisierender Weise – in Materialisten und Idealisten auf. Formuliert wurde die „Grundfrage“ von Friedrich Engels[2]. Sie beinhaltet also das Verhältnis von Materie und Bewusstsein, und besteht aus zwei Teilfragen:

  1. Was ist primär, Materie oder Bewusstsein? (nach Engels: Was ist das Ursprüngliche, der Geist oder die Natur?)[3] Für den Materialisten ist die Materie dem Bewusstsein vorgängig, der Idealist sieht das umgekehrt.
  2. Ist die Welt erkennbar? Der Materialist hält die Welt für grundsätzlich vollständig erkennbar, auch wenn dies derzeit auf Grund des Entwicklungsstandes noch nicht vollständig möglich ist; der Idealist glaubt, dass die Welt nicht oder nur bedingt erkennbar ist und der Mensch sie niemals vollständig erkennen kann. [4]

Demnach galt nur, wer beide Fragen materialistisch beantwortete, als Materialist.

Heidegger

Im Zuge seines Projekts der Überwindung der Metaphysik – also auch metaphysischer Unterscheidungen wie Idealismus und Materialismus – führt Martin Heidegger die Unterscheidung zwischen Leitfrage und Grundfrage ein. Dabei bezeichnet Leitfrage das metaphysische Fragen nach dem Seienden als Seienden und dem Sein des Seienden (Geist/Materie), die dann in der Metaphysik und Ontologie seit Platon und Aristoteles zu verschiedenen Antworten führte, während hingegen Heidegger mit seiner Formulierung der Grundfrage auf das Sein als solches abzielte, also die im Laufe der Geschichte verschiedenen Ver- und Entbergungen des Seins im Ereignis untersuchte. Ziel ist es damit, nicht mehr das Sein zu bestimmen, sondern zu untersuchen, wie es überhaupt zu solchen Bestimmungen kam.[5]

Mit der Unterscheidung von Grund- und Leitfrage geht also für Heidegger eine Ablehnung des vormaligen Konzepts der Grundfrage einher. Heidegger sieht in metaphysischen Leitfragen nach dem obersten Seienden (bspw. Geist/Materie) zwar das bestimmende Moment der Philosophiegeschichte. Mit seiner Neuformulierung der Grundfrage lehnt er dieses Vorgehen jedoch ab und setzt an diese Stelle eine ganz anders formulierte Grundfrage: Warum überhaupt und in welcher Weise bilden sich im Laufe der Geschichte die verschiedenen metaphysischen Bestimmungen aus? Heidegger versucht darauf in seinen Schriften zur Seinsgeschichte Antworten zu geben.

Literatur

  • Gerhard Koch: Die Grundfrage der Philosophie und ihre Beantwortung durch den dialektischen Materialismus. Berlin, Parteihochschule „Karl Marx“, 1973.
  • R. O. Gropp: Die Grundfrage der Philosophie, die Entstehung und Bedeutung des Denkens. Vortrag, gehalten im Marxistischen Kolloquium der SED-Parteiorganisation der Karl-Marx-Universität, Fachrichtung dialektischer und historischer Materialismus am 28. April 1958. Verlag Enzyklopädie, Leipzig 1958.

Einzelnachweise

  1. http://www.textlog.de/6525.html
  2. http://sozialimpulse.de/Texte_html/Marxismus_und_Anthroposophie/Marxismus_und_Anthroposophie_I_2.htm
  3. http://www.re-wi.de/engels-grundfrage.pdf
  4. http://www.trend.infopartisan.net/trd1006/t051006.html
  5. Vgl. Martin Heidegger: Beiträge zur Philosophie. Vom Ereignis. (GA 65), S. 74ff.

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