- HM Cancri
-
RX J0806.3+1527, manchmal einfach abgekürzt als J0806 bezeichnet, auch bekannt unter der Variablenbezeichnung HM Cancri (HM Cnc), ist eine astronomische Strahlungsquelle im visuellen und im Röntgenbereich, die Helligkeitsvariationen mit einer Periode von 321,5 Sekunden aufweist. J0806 ist etwa 16.000 Lichtjahre von der Erde entfernt und befindet sich im Sternbild Krebs.
HM Cancri wurde 1999 mit dem am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik gebauten Satelliten ROSAT als Quelle von Röntgenstrahlen entdeckt. Es handelt sich bei J0806 um ein Doppelsternsystem[1] aus zwei Weißen Zwergen mit je etwa einer halben Sonnenmasse (bzw. je etwa 150.000 Erdmassen), die einander in einer Entfernung von nur rund 80.000 Kilometern (bis 100.000 km[2]) in ca. 5,4 Minuten[1] umkreisen, entsprechend etwa 450 km/sek.[3]
Die beobachtete Röntgenstrahlung entsteht vermutlich an den magnetischen Polen der beiden Weißen Zwerge.[3]
J0806 hält zwei astronomische Rekorde: Es ist das Doppelsternsystem mit der kürzesten bislang bekannten Umlaufzeit und dazu auch noch das engste.[2] Die Entdeckung gelang einem internationalen Forscherteam um Gijs Roelofs vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge (USA). Über ihre Erkenntnisse berichteten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal Letters.[2]
Gijs Nelemans von der Radboud Universität in Nijmegen (Niederlande) sagte, die beiden Sterne müssten in einer früheren Phase Masse verloren und sich einander angenähert haben. Was genau dazu führte, sei noch nicht bekannt.[2] Die Sterne kommen sich jährlich um etwa 0,5 Meter näher.[4] Es wird vermutet, dass das System in einem Röntgen- oder Gammaflash (Gammablitz) enden wird.[3]
Das System ist auch die stärkste bekannte Quelle von vermuteten Gravitationswellen. Deren Effekt würde mit der beobachteten Verringerung der Periode um 1,2 Millisekunden pro Jahr übereinstimmen. Mit dem Projekt LISA, einem geplanten, aus drei Satelliten bestehendem interferometrischen Gravitationswellendetektor (den Start der LISA-Mission planen ESA und NASA gemeinsam für 2019), sollen möglicherweise Veränderungen der Raumzeit bei HM Cancri gemessen werden können.
Die Sterne liegen so nahe beieinander, dass Materie von einem Stern zum anderen fließt und dort auf den Äquator fällt.[2] Es wird vermutet, dass es außer dem Massentransfer auch eine Akkretionsscheibe um den kleineren Stern gibt.[5] Mittels des 10-Meter-Keck-I-Teleskop auf Hawaii bestätigte sich, dass die vor 11 Jahren gemessene 5,4-Minuten-Periode in der Tat die Umlaufzeit eines Doppelsterns ist. Während sich die beiden Sterne umkreisen, verursacht die Kreisbewegung der Sterne eine jeweils periodische Verschiebung der Spektrallinien vom kürzeren blauen zum längeren roten Wellenlängenbereich und zurück.
Diesen Doppler-Effekt nutzten die Forscher, um die Umlaufbewegung von HM Cancri zu messen.[2] HM Cancri ist sehr leuchtschwach: Die scheinbare Helligkeit beträgt nur 21,[6] das entspricht einem Millionstel der Helligkeit der Schwächsten, am Sternenhimmel mit bloßen Augen erkennbaren Objekte. Daher mussten laut dem Beobachtungsleiter auf Hawaii,[5] Arne Rau vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Hunderte von Spektren in kürzester Zeit aufgenommen werden.[2]
Rau vertritt die Auffassung, dass das Sternsystem in ein paar Millionen Jahren zu einer Supernova vom Typ Ia werden könne.[7] Zunächst rechnet er auch mit einem zukünftigen Auseinanderdriften, denn „wenn der leichtere Stern Masse verliert, wird er größer. Dadurch verschiebt sich das Massenzentrum nach außen und die Perioden werden länger“.[7] Auch sagte er bezüglich der Feststellung von erwarteten, durch HM Cancri entstehenden Gravitationswellen durch LISA: „Es wäre ein Schock, sollte HM Cancri nicht [durch LISA] gesehen werden, zudem würde es eine der Hauptaussagen aus Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie in Frage stellen.“[7]
Literatur
- T. E. Strohmayer: Precision X-Ray Timing of RX J0806.3+1527 with CHANDRA: Evidence for Gravitational Radiation from an Ultracompact Binary. In: The Astrophysical Journal, Ausgabe 627, 2005, S. 920 ff.
Weblinks
- Wann verschmilzt J0806? aus der Fernseh-Sendereihe alpha-Centauri
- NASA Sees Orbiting Stars Flooding Space with Gravitational Waves – Pressemitteilung der NASA vom 30. Mai 2005
Einzelnachweise
- ↑ a b G. H. A. Roelofs, A. Rau, T. R. Marsh, D. Steeghs, P. J. Groot, G. Nelemans: Spectroscopic Evidence for a 5.4-Minute Orbital Period in HM Cancri. In: The Astrophysical Journal Letters. 711, Nr. 2, 2010, S. L138, doi:10.1088/2041-8205/711/2/L138.
- ↑ a b c d e f g BIG-SCREEN Internetportal, Lippstadt
- ↑ a b c Video BR alpha/alpha-centauri
- ↑ „Pro Jahr wird die Umlaufzeit momentan um 1,2 Millisekunden schneller und der Abstand um einen halben Meter geringer, so dass die Sterne in ein paar hunderttausend Jahren zusammenstoßen werden“ jumk.de
- ↑ a b Wilder Ringelreihen der Sterne – Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft vom 8. März 2010.
- ↑ SKY & TELESCOPE
- ↑ a b c Der Standard, Österreich
Wikimedia Foundation.