Haitianische Revolution

Haitianische Revolution

Als Haitianische Revolution wird der Sklavenaufstand in der französischen Kolonie Saint-Domingue von 1791 und die nachfolgenden Ereignisse bezeichnet. Sie führte zur Gründung des ersten unabhängigen Staates in Lateinamerika durch die ehemaligen Sklaven.

Inhaltsverzeichnis

Saint Domingue: Die Situation vor 1790

Hispaniola um 1723

Das heutige Haiti war vor 1790 die französische Kolonie Saint Domingue. Sie wurde im frühen 17. Jahrhundert zunächst von Freibeutern besiedelt. Ab 1670 begann der Anbau von Tabak, später von Indigo, Kaffee, Kakao und Baumwolle.

Um 1700 begann der Anbau von Zucker. 1704 gab es bereits über 100 Plantagen, 1791 waren es etwa 1.000. Dieser Anstieg verlangte nach immer mehr Arbeitskräften, die in afrikanischen Sklaven gefunden wurden. Bis 1776 wurden insgesamt 800.000 Sklaven importiert. Viele starben allerdings schon beim Transport oder brachten sich selbst um. Andere starben an Überarbeitung, Unterernährung oder durch Bestrafung der Plantagenbesitzer. Auf Saint Domingue lag die Sterblichkeitsrate der Sklaven in den ersten drei bis acht Jahren bei 50 Prozent. Aus diesem Grund mussten immer wieder neue Sklaven nach Saint Domingue gebracht werden. Zwei Drittel der Sklaven waren afrikanischer Abstammung, die anderen waren auf Saint Domingue geboren.

1789 lebten etwa 600.000 Menschen auf Saint Domingue. Die schwarzen Sklaven machten 90 Prozent dieser Bevölkerung aus. Dazu kamen etwa 40.000 Weiße. Diese spalteten sich in zwei Gruppen, die „grands blancs“ und die „petits blancs“. Erstere bildeten die Oberschicht. Sie waren die Plantagenbesitzer, Händler und Bürokraten. An der Spitze der Verwaltung stand der Gouverneur als Repräsentant des französischen Königs. Die „petits blancs“ arbeiteten als Plantagenverwalter und –aufseher, als Ladenbesitzer, Händler und Handwerker in den Städten.

Die unterste Schicht der freien Bürger der kolonialen Gesellschaft bildeten die 30.000 freien Schwarzen oder Mulatten. Letztere waren häufig Kinder von Franzosen und schwarzen Sklavinnen. Sie bildeten eine Schicht zwischen den Weißen und den Sklaven. Auf Grund der mutmaßlichen Verwandtschaft mit einem wohlhabenden Plantagenbesitzer und dem damit verbundenen Reichtum zogen sie den Neid und den Hass der „petits blancs“ auf sich. Ausdruck dieser Abneigung waren extreme Restriktionen gegen die freien Schwarzen. Sie durften sich nicht mit Weißen an einen Tisch setzen und nach 21 Uhr auf offener Straße aufhalten. Sie durften auch nicht nach Frankreich einreisen.

Die Benachteiligung des überwiegenden Teils der Bevölkerung führte zu Spannungen zwischen den sozialen Schichten. So kam es schon vor 1790 häufig zu Sklavenrevolten, die aber immer niedergeschlagen wurden.

Die Spannungen erreichten eine neue Dimension im Zuge der Französischen Revolution von 1789. Das Konzept der Menschenrechte, des allgemeinen Bürgerrechts und der Mitbestimmung bei politischen Fragen drang auch bis zu den fernen Kolonien Frankreichs vor. Ebenso war die Ausrufung der Menschenrechte nicht mit der Benachteiligung einzelner Gesellschaftsschichten und dem System der Sklaverei auf Saint Domingue vereinbar. Vor allem die Mulatten und freien Schwarzen sahen hier ihre Chance auf sozialen Aufstieg.

Verlauf der Revolution

Beginn der Revolution

Kampfgeschehen um 1802

Die Revolution begann damit, dass die freien Farbigen Gleichberechtigung verlangten. Sie organisierten sich 1788 in der Société des Amis des Noirs, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Ein im Mai 1791 erlassenes Gesetz zur Verbesserung ihrer Position wurde von den weißen Kolonisten und der Verwaltung nicht beachtet.

Vincent Ogé, der die Rechte der freien Farbigen in Paris vertrat, kehrte im Oktober nach St. Domingue zurück und plante gemeinsam mit Jean Baptiste Chavannes Waffengewalt gegen die Plantagenbesitzer anzuwenden. Ogé lehnte aber die Hilfe schwarzer Sklaven ab, da die freien Farbigen ein Viertel der Sklaven besaßen und er deren Unterstützung nicht verlieren wollte. Es gelang ihnen, eine Armee von 300 Mann aufzustellen, aber ihr Aufstand wurde schnell niedergeschlagen und ihre Anführer zum Tode verurteilt.

Beauvais, Pinchinat, Rigaud und Douyon, die nun den Kampf fortsetzten, erhielten Hilfe von Lambert, einem freien Schwarzen, und 300 Sklaven. Sie besiegten die Weißen in der Schlacht von Pernier und erzwangen so die Anerkennung ihrer Rechte. Die Sklaven wurden allerdings fast alle verschleppt und getötet.

Am 4. April 1792 erließ der französische Gesetzgeber ein Gesetz, das allen freien Bewohnern der französischen Kolonien die gleichen Rechte zubilligte, unabhängig von ihrer Hautfarbe. Léger-Félicité Sonthonax, Regierungskommissar der Ersten Französischen Republik, traf im September mit 6.000 Soldaten auf der Insel ein, um das Gesetz gegen die weißen Royalisten durchzusetzen, die sich weiterhin weigerten, die alten Verhältnisse aufzugeben.

Toussaint Louverture

Louverture auf einem Geldschein abgebildet

François-Dominique Toussaint Louverture war der Sohn eines aus dem heutigen Benin verschleppten Afrikaners. Er genoss im Gegensatz zu den anderen Sklaven eine bessere Stellung als Haussklave. 1776 wurde er freigelassen.

Toussaint trat 1793 an der Seite Spaniens in den Krieg ein. Nach der Abschaffung der Sklaverei wechselte er 1794 mit 4000 Soldaten auf die französische Seite und erhielt den Rang eines Brigadegenerals. 1799 schlug Louverture in einem schweren Bürgerkrieg auch die Armee von Andre Rigaud und war somit unbestrittener Herrscher der Kolonie. Den Gouverneur Laveaux schickte Louverture als Gesandten nach Paris, den Regierungskommissar Sonthonax ließ er 1797 aus dem Land deportieren und Saint-Laurent de Roume wurde 1800 verhaftet.

Sonthonax hielt am 4. Februar 1798 im Rat der Fünfhundert eine Rede, in der er das Verhalten Louvertures ihm gegenüber darstellte. Ab dem Moment zeigte sich Frankreich Louverture gegenüber misstrauisch. Hedouvilles sollte ihn bremsen.

Napoleon Bonaparte

Unter der Herrschaft Napoleons kam es zum endgültigen Bruch zwischen der französischen Kolonialmacht und der Kolonie St. Domingue. Louverture hatte 1801 in St. Domingue eine Verfassung erlassen und sich persönlich zum Gouverneur auf Lebenszeit ausgerufen. Der Verfassungstext war mit der französischen Kolonialmacht nicht abgesprochen, auch wenn er deren Anspruch nicht ausdrücklich in Frage stellte. Napoleon nutze den mittlerweile mit Spanien und Großbritannien geschlossenen Frieden und entsandte eine 6.000 Mann starke Streitmacht nach St. Domingue, um dort wieder französisches Recht zu installieren. Angeführt wurde die Streitmacht von seinem Schwager Charles Leclerc.

Nach drei Monaten wurden die Kämpfe beendet und im Mai 1802 ergaben sich die Truppen Louvertures. Das französische Recht wurde wieder durchgesetzt. Louverture selbst wurde verhaftet und nach Frankreich verschifft, wo er später im Gefängnis verstarb.

Napoleons Schwager verstarb im November 1802 an Gelbfieber. Es war ihm nicht gelungen, die Insel völlig zu befrieden. Dies stellte sich nach Bekanntwerden der Pläne Napoleons, die Sklaverei in allen französischen Kolonien wieder einzuführen, als unmöglich heraus. Viele französische Unterstützer wechselten die Seiten und halfen den Aufständischen, gegen die französischen Truppen zu kämpfen, die durch das Gelbfieber zudem stark geschwächt waren. Angeforderte Unterstützung vom französischen Mutterland blieb aus, da sich Frankreich durch den neuausgebrochenen Krieg mit Großbritannien einer Seeblockade durch die britische Marine ausgesetzt sah und Napoleon daher seine Pläne für überseeischen Kolonien aufgeben mußte. Bereits im April 1803 hatte er die Kolonie Louisiana an die USA verkauft. Am 18. November 1803 kam es zu einer letzten großen Schlacht in Vertieres, in der die Franzosen geschlagen wurden und sich zunächst in den Ostteil der Insel zurückzogen.

Diese Niederlage führte zur Unabhängigkeit St. Domingues, die am 1. Januar 1804 verkündet wurde, gleichzeitig wurde die Insel von St. Domingue in Haiti umbenannt. Der Bürgerkrieg zur Unabhängigkeit Haitis kostete schätzungsweise eine halbe Million Menschen das Leben.

Nach der Revolution

Dessalines an der Spitze Haitis 1804–1806

Jean Jacques Dessalines

Mit der Verkündung der Unabhängigkeit Saint Domingues am ersten Januar 1804 endete die Revolution in der Gründung des ersten freien lateinamerikanischen Staates. Dieses stellte die Regierung Jean-Jacques Dessalines’ aber auch vor schwierige Aufgaben, sowohl auf diplomatischer Ebene als auch im Bereich der Handelsbeziehungen.

Außenpolitik

Dessalines verfolgte besonders in Bezug auf die benachbarten Sklavenhaltergesellschaften eine zurückhaltende Politik, um einer drohenden Invasion der Kolonialmächte Frankreich, England und Spanien entgegenzuwirken. Trotz erheblicher Bedenken der europäischen Kolonialmächte und der USA entwickelten sich schon sehr früh neue Handelsbeziehungen und diplomatische Kontakte. Die USA wurden zum wichtigsten Handelspartner Haitis.

Wirtschaft

Dessalines versuchte durch die Einführung einer generellen Importsteuer von 10 Prozent und der Erhebung von Abgaben auf Exporte bestimmter Produkte, die Wirtschaft zu stärken. Auch sollte der Einfluss des Staates im Bereich der Wirtschaft verstärkt werden. So wurden alle vor 1803 getätigten Landverkäufe und -transaktionen für ungültig erklärt.

Innenpolitik

Die Folgen des Unabhängigkeitskrieges wurden auch auf sozialer Ebene deutlich. Viele der weißen Europäer, die in der Kolonialgesellschaft die Elite bildeten, wie auch große Teile der schwarzen Bevölkerung, waren in den Kampfhandlungen umgekommen oder geflohen. So schrumpfte die Gesamtbevölkerung in der Zeit des Unabhängigkeitskrieges um rund 150.000 auf 380.000.

Es bildete sich eine dünne soziale Schicht (anciens libres), aber die breite Masse bestand aus den Ex-Sklaven (nouveaux libres), die die Revolution zum großen Teil getragen hatten.

Dessalines, der sich 1804 zum Kaiser ernannte, wurde 1806 von einigen Offizieren des Militärs ermordet. Sein Nachfolger wurde Henri Christophe.

Literatur

  • Walther L. Bernecker: Kleine Geschichte Haitis (= Edition Suhrkamp 1994 = NF 994). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-518-11994-X.
  • Oliver Gliech: Die Sklavenrevolution von Saint-Domingue/Haiti und ihre internationalen Auswirkungen (1789/91–1804/25). In: Bernd Hausberger, Gerhard Pfeisinger (Hrsg.): Die Karibik. Geschichte und Gesellschaft 1492–2000 (= Edition Weltregionen 11). Promedia, Wien 2005, ISBN 3-85371-236-3, S. 85–100.
  • C. L. R. James: Die schwarzen Jakobiner. Toussaint Louverture und die Unabhängigkeitsrevolution in Haiti (= Kleine Bibliothek 341). Pahl-Rugenstein, Köln 1984, ISBN 3-7609-0911-6.
  • Karin Schüller: Sklavenaufstand, Revolution, Unabhängigkeit: Haiti, der erste unabhängige Staat Lateinamerikas. In: Rüdiger Zoller (Hrsg.): Amerikaner wider Willen. Beiträge zur Sklaverei in Lateinamerika und ihre Folgen (= Lateinamerika-Studien 32). Vervuert, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-89354-732-0, S. 125–143.

Weblinks


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