- Hallux valgus
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Klassifikation nach ICD-10 M20.1 Hallux valgus (erworben) ICD-10 online (WHO-Version 2011) Hallux valgus (deutsch Schiefzehe, volkstümlich Frostballen) ist der medizinische Fachausdruck für den pathologischen Schiefstand der großen Zehe, die dabei im Großzehen-Grundgelenk (Articulatio metatarsophalangealis) zum Fußaußenrand hin (nach lateral) abweicht. Ursache ist in der Regel eine Abweichung des ersten Mittelfußknochens (Os metatarsale 1, kurz MT1) Richtung Fußinnenrand, der sogenannte Metatarsus primus varus. Gleichzeitig kann auch ein Verschleiß des Großzehen-Grundgelenks vorliegen, ein Hallux rigidus.
Befindet sich die Valgus-Deformität im Endgelenk (Articulatio interphalangealis), liegt ein Hallux valgus interphalangeus vor. Eine Abweichung der Großzehe im Grundgelenk zum Fußinnenrand hin (nach medial) wird als Hallux varus bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Beim Hallux valgus (lat. valgus = ‚krumm‘, ‚schief‘) handelt es sich um eine Schiefstellung der Großzehe im Grundgelenk nach außen hin. Die Sehnen zu den Zehen verlaufen nicht mehr zentral über das Gelenk, sondern weiter lateral und ziehen die Zehen in eine schiefe Position. Da meist gleichzeitig ein Metatarsus primus varus vorliegt, tritt der Großzehenballen am Fußinnenrand oft deutlich hervor und es bilden sich häufig schmerzhafte Entzündungen, verursacht durch den Druck des Schuhschafts. Daneben kommt es durch Druck der Großzehe auf die kleinen Zehen oft zu Hammer- und Krallenzehen-Fehlstellungen der benachbarten Zehen.
Radiologisch findet man einen vergrößerten Winkel zwischen MT1 (1. Mittelfußknochen = Os metatarsale 1) und Grundphalanx (Norm 10 Grad), einen vergrößerten Winkel zwischen MT1 und MT2 (Norm 10-12 Grad) und eine Sesambeinluxation. Arthrosezeichen sprechen für das gleichzeitige Vorliegen eines Hallux rigidus.
Ursachen
Neben einer erblichen Veranlagung werden zwei Ursachen für den Hallux valgus gesehen:
- Spreizfuß: Durch das Einsinken des vorderen Quergewölbes beim Spreizfuß kommt es zu einer Verbreiterung des Ballenbereichs, einer anderen Winkelstellung und somit auch zu einer schiefen Stellung vornehmlich der ersten Zehe.
- Falsches Schuhwerk: Durch interkulturelle Vergleiche belegt, ist die Hauptursache des Hallux valgus eindeutig im jahrelangen Tragen von falscher Fußbekleidung zu sehen. Der natürliche und gesunde Normalfuß weist eine leichte Spreizung der Zehen zueinander auf. Eine Tatsache, die heute nur noch in wenigen Kulturen verbreitet ist.
In den Bevölkerungen, die Schuhwerk westlicher Prägung tragen, ist hingegen das dichte Beieinanderliegen der Zehen üblich. Somit hat sich die natürliche strahlengerade Lagerung in eine nur noch zehengerade Lagerung gewandelt. Untersuchungen belegen, dass hierfür schon das über Jahre hinweg regelmäßige Tragen von Strümpfen, die ja die Zehen leicht aneinander drücken, ausreicht. Beschleunigt wird dies durch Tragen von zu engen oder zu kurzen Strümpfen.
Die überwiegend getragenen Schuhe weisen eine Brandsohlengrundform auf, die nicht dem Umriss der natürlichen Fußsohle entspricht (Meyersche Linie nach Prof. Hermann von Meyer). Dadurch werden die Zehen aus ihrer angestammten Lage gedrängt, was auf Dauer zu einer bleibenden Verformung führt. Im fortgeschrittenen Stadium macht sich das dann zunächst durch die Schiefstellung der Großzehe (Hallux valgus) bemerkbar. Diese Schiefstellung schreitet weiter fort, betrifft nach und nach auch die anderen Randzehen und kann bei der Großzehe zu einer nahezu rechtwinklig nach außen zeigenden, die benachbarten Zehen überkreuzenden Längsachse führen.
Stärkere Ausprägungen des Hallux valgus betreffen in erster Linie Frauen. Das rührt einerseits vom schwächeren Bindegewebe der Frau her, aber vor allem durch Damenschuhformen, die diese Fehlentwicklung stärker begünstigen, als die üblichen Herrenschuhe dies bei Männerfüßen verursachen. Drei Faktoren des Schuhwerks sind maßgeblich:
- die Absatzhöhe
- Durch einen höheren Absatz (mehr als drei bis vier Zentimeter) tritt ein verstärkter Druck im Vorfußbereich auf. Das begünstigt einerseits die Spreizfußbildung, und andererseits werden dadurch die Zehen in die Schuhspitze gepresst.
- zu enge Schuhspitzen
- Die Schuhspitzen sind häufig zu eng, um den Zehen den notwendigen Freiraum vor allem zur Seite, aber auch nach oben, zu gewähren. Dadurch werden diese in eine Fehlstellung gezwungen, die im Laufe der Zeit zu einer bleibenden Fehlstellung in den Fußgelenken führt. Viele Frauen haben von oben betrachtet dreieckig geformte (!) Vorfüße, die sich exakt in die spitz zulaufenden Schuhvorderkappen einfügen.
- zu kurze Schuhe
- Sind die Schuhe zu kurz, werden die Zehen ebenfalls aus ihrer natürlichen Lage gedrängt, was nicht nur den Hallux valgus fördert, sondern auch zu Hammer- und Krallenzehen führt.
Das deutsche Ärzteblatt veröffentlichte im Februar 2005 die Ergebnisse einer Reihenuntersuchung an deutschen Schülern. Dort wurde eine alarmierende Zunahme von Fußfehlformen und Fußbeschwerden im Jugendalter bemerkt. Man stellte vor allem bei einem größeren Teil der Mädchen im Alter von 14 Jahren bereits eine deutliche Schiefstellung der Großzehe fest.
Vorbeugung
Kennt man die Ursachen, ist die Vorbeugungsstrategie eindeutig: Schuhe mit hohen Absätzen und zu enger Vorderkappe sollten nicht zu oft getragen werden. Die Füße beherbergen ein Viertel sämtlicher Knochen des menschlichen Körpers und sind extrem anpassungsfähig. Wird abwechslungsreiches Schuhwerk getragen, bleibt eine Schädigung zumeist aus. Nur das regelmäßige bzw. überwiegende Tragen nicht richtig passender Schuhe und/oder von Schuhen mit höheren Absätzen führt zu den genannten Problemen.
Wer viel barfuß läuft, hat dadurch meist schöne Füße mit glatter Haut und geraden Zehen. Der Schuh für den Alltag soll niedrige Absätze und Freiraum für die Bewegung der Zehen haben. Hochhackige Schuhe sollten nur in Ausnahmefällen getragen werden. Fußgymnastik ist ein hervorragender Ausgleich für die Ruhigstellung, die die Füße auch in guten Schuhen erfahren. Unterstützt wird dies durch Fußbäder und Bürstenmassagen.
Konservative Behandlung
Die Umstellung auf flaches Schuhwerk mit genügend Freiraum für die Zehen, insbesondere das Tragen von Zehenstegsandalen, kann nur im Anfangsstadium helfen. Ein fortgeschrittener Hallux valgus ist auf diese Weise nicht zu beseitigen oder zu verringern. Allerdings führt der Wechsel zu derartigem Schuhwerk dazu, dass es nicht zu einer weiteren Schädigung und Verformung kommt. Zwar grundsätzlich empfehlenswert, wenngleich äußerst fraglich hinsichtlich positiver Auswirkungen auf einen Hallux valgus, ist Fußgymnastik, die die Zehen beweglich macht und die Haltemuskulatur der Fußgewölbe stärkt. Barfußlaufen kann dies unterstützen. Ansonsten können orthopädische Schuhe mit Spreizfußeinlagen gegen die Schmerzen beim Gehen helfen oder das Tragen von Schuhen, die keine Druckschmerzen auf dem vorstehenden Großzehenballen verursachen.
Operative Behandlung
Eine einmal eingetretene deutliche Fehlstellung der Großzehe lässt sich nur durch eine Operation korrigieren. Diese ist im Falle von Schmerzen angeraten. In Abhängigkeit von der Ausprägung des Hallux valgus und den bestehenden Beschwerden wird das entsprechende Verfahren gewählt. Von den beschriebenen etwa 150 Methoden sind ca. zehn im deutschsprachigen Raum gebräuchlich. Besteht zusätzlich zum Hallux valgus auch eine Arthrose im Grundgelenk der Großzehe (Hallux rigidus), muss vorrangig diese behandelt werden. Fast alle Operationsmethoden bestehen aus einer Durchtrennung des ersten Mittelfußknochens (Korrekturosteotomie), aber in verschiedener Schnittführung (z. B. Scarf-Osteotomie). Danach wird der zehenwärts gelegene Anteil des Mittelfußknochens in Richtung des zweiten Mittelfußknochens verschoben (wo er ursprünglich gelegen hat) und die beiden Teile des Mittelfußknochens werden eingestaucht oder mit Drähten oder Schrauben fixiert. Abschließend wird die Großzehe mit kräftigen Nähten wieder geradegestellt.
Bei Arthrose im Grundgelenk der Großzehe kann dieses „ausgeputzt“ und die Beweglichkeit wiederhergestellt werden. In anderen Fällen wird der geschädigte Gelenkanteil am Grundglied der Großzehe entfernt, das Gelenk in guter Stellung versteift (Arthrodese) oder selten ein künstliches Gelenk eingebaut.
Die Nachbehandlung umfasst einen redressierenden Verband bis zur Entfernung der Hautnähte, danach wird meistens eine Antivalgussocke bis zum Ende der 6. postoperativen Woche getragen. Für den gleichen Zeitraum wird auch ein Vorfussentlastungsschuh verwendet.
Als additive Ergänzung zu den Leitlinien zur operativen Korrektur des Hallux Valgus beschreibt die EFAS (European Foot and Ankle Society; www.efas.co.uk) die zwingende Notwendigkeit der ganzheitlichen Diagnose von Erkrankungen des Fußes. Teilweise Korrekturen seien langfristig oft von schlechtem Ergebnis oder könnten dem Fuß im Extrem eher schaden (Quelle: Dr.Thanos Badekas, Darmstadt, Leiter des Wissenschaftsausschusses der EFAS).
Komplikationen: Infektion, Köpfchennekrose bei breitem Abschieben der Kapsel, Hallux varus, Hallux valgus Rezidiv, Metatarslagie. Bei Arthrodese ist die Pseudoarthrose unangenehm.
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Nach der operativen Korrektur, bei der auch die drei mittleren Hammerzehen behandelt wurden
Weblinks
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