Handelsbilanzüberschuss

Handelsbilanzüberschuss

Ein Handelsbilanzüberschuss liegt vor, wenn in einem Land über einen bestimmten Zeitraum die Ausfuhren (Exporte) wertmäßig größer als die Einfuhren (Importe) sind. Der entstandene Exportüberschuss wird als Saldo auf der Passivseite der Handelsbilanz ausgewiesen. Ein erzielter Überschuss wird als Indikator für bestehende Wettbewerbsfähigkeit angesehen, da die Unternehmen des Landes in der Lage sind, ihre Produkte auf dem Inlands- und auf dem Weltmarkt zu verkaufen.

Weitere Bezeichnungen sind Außenhandelsbilanzüberschuss, aktive (Außen-)Handelsbilanz bzw. positive (Außen-)Handelsbilanz.

Der Terminus "aktive Handelsbilanz" taucht zum ersten Male in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts auf (Francis Bacon 1615).[1]

Inhaltsverzeichnis

Weitere Definitionen

Wenn die Exporte größer sind als die Importe, weist die Außenhandelsbilanz einen Haben-Saldo auf. Er wird als Außenhandelsbilanzüberschuss bezeichnet und erscheint in der staffelförmigen Darstellung der Zahlungsbilanz mit einem Plus-Vorzeichen; daher spricht man in diesem Fall von einer aktiven Außenhandelsbilanz.[2] Übersteigt die Summe der Ausfuhren die Summe der Einfuhren, so spricht man von einer aktiven bzw. positiven Handelsbilanz oder von einem Handelsbilanzüberschuss.[3]

Einordnung

Einordnung der Handelsbilanz in die Zahlungsbilanz[4]
Zahlungsbilanz I. Leistungsbilanz Handelsbilanz
Dienstleistungsbilanz
Erwerbs- und Vermögenseinkommen
Laufende Übertragungen
II. Vermögensübertragungen
III. Kapitalbilanz Direktinvestitionen
Wertpapiertransaktionen
Finanzderivate
Kreditverkehr
Sonstige Kapitalanlagen
IV. Veränderung der Währungsreserven zu Transaktionswerten
V. Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen

Exporte und Importe von Sachgütern werden in der Handelsbilanz aufgeführt. Die Daten der deutschen Handelsbilanz werden vom Statistischen Bundesamt über die Intrahandelsstatistik (Erfassung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten der EU) und Extrahandelsstatistik (Erfassung des Handels mit den Staaten außerhalb der EU) gewonnen.

Wie alle Teilbilanzen weist auch die Handelsbilanz in der Regel kein ausgeglichenes Konto auf. Der Saldo der Handelsbilanz wird mit den Salden von Dienstleistungsbilanz, Faktoreinkommensbilanz und Bilanz der laufenden Übertragungen in der Leistungsbilanz erfasst. Diese wiederum ist eine Teilbilanz der Zahlungsbilanz.

Verfügt eine Volkswirtschaft über einen Überschuss in der Handelsbilanz, so bedeutet dies, dass sie auch in der Kapitalbilanz einen Überschuss haben muss (Prinzip der doppelten Buchführung). Daraus folgt ein Netto-Kapitalexport, die Ansprüche des Inlandes gegenüber dem Ausland steigen oder die Verbindlichkeiten des Inlandes gegenüber dem Ausland sinken. Zum Kapitalexport rechnet der Erwerb von Vermögenstiteln im Ausland, zum Beispiel in Form des Kaufs von Unternehmen (Direktinvestitionen), von Grundstücken und Häusern, von Wertpapieren und so weiter. Die Gewährung von Anleihen an das Ausland rechnet ebenfalls zum Kapitalexport.[5]

Einflussfaktoren auf den Handelsbilanzüberschuss

Wechselkursänderungen

Offene Gütermärkte ermöglichen die Wahl zwischen in- und ausländischen Gütern. Sie hängt in erster Linie vom realen Wechselkurs ab - dem relativen Preis inländischer Güter ausgedrückt in Einheiten ausländischer Güter.[6]

Eine Abwertung der inländischen Währung führt normalerweise dazu, dass die Importnachfrage aufgrund der Importpreiserhöhung sinkt (Folge: Importe gehen zurück) und dass die Exportnachfrage sich infolge der Senkung der Exportpreise erhöht (Folge: Exporte nehmen zu). Dies führt zu einer Verbesserung der Handelsbilanz wenn die Marshall-Lerner-Bedingung erfüllt wird. Dies ist der Fall, wenn die Exporte stark genug zunehmen und die Importe stark genug abnehmen, um den Preisanstieg bei den Importen zu kompensieren. In der Realität hat sich gezeigt, dass es nach einer Abwertung zunächst zu einer Verschlechterung und erst später zu einer Verbesserung der Handelsbilanz kommt. Dieser Vorgang wird auch als J-Kurveneffekt bezeichnet.

Realeinkommensänderungen

Sinkt das Einkommen im Inland, so führt dies bei konstantem Wechselkurs zu sinkenden Importen. Steigt wiederum das Einkommen der Ausländer, so führt dies aus Sicht des Inlandes zu steigenden Exporten. Beide Vorgänge führen zu einem Anstieg des Handelsbilanzsaldos.

Änderungen der Nachfrage

Ein Sinken der inländischen Güternachfrage (z. B. durch niedrigere Staatsausgaben, Steuererhöhungen, niedrigere Konsumausgaben) führt zu einem Sinken der inländischen Produktion und zu einem Handelsbilanzüberschuss.

Ein Anstieg der ausländischen Güternachfrage führt zu einem Anstieg der inländischen Produktion und folglich auch zu einem Überschuss der Handelsbilanz.

Handelsbilanzüberschuss in Deutschland

Entwicklung des Außenhandels Deutschlands von 1990–2007
Entwicklung des Außenhandels Deutschlands nach Gütergruppen

Die deutsche Wirtschaft ist stark vom Export abhängig. Gleichzeitig ist Deutschland als rohstoffarmes Land aber auch auf Importe (v. a. Energie) angewiesen.

Die Ausfuhren (Exporte) im Jahr 2007 lagen mit 969,1 Mrd. Euro um 8,5 % über den Werten des Vorjahres. Deutschland war damit zum fünften Mal in Folge weltweit führend im Export von Waren. Mit einem Anteil von 18,7 % sind dabei Kraftwagen und Kraftwagenteile Deutschlands wichtigstes Exportgut. Auf Rang zwei und drei der wichtigsten Exportgüter folgen Maschinen (14,3 %) und chemische Erzeugnisse (13,2 %). Diese drei Branchen machen 46,1 % der deutschen Ausfuhren aus.[7] Die Einfuhren (Importe) sind im Jahr 2007 um 5,0 % auf 770,4 Mrd. Euro gestiegen. Die Außenhandelsbilanz schloss demzufolge im Jahr 2007 mit einem Überschuss von 198,7 Milliarden Euro ab. Im Jahr 2006 hatte der Saldo in der Außenhandelsbilanz 159,0 Milliarden Euro betragen.

Handelsbilanzüberschuss mit Mitgliedstaaten der Europäischen Union

In die Mitgliedstaaten der Europäischen Union wurden im Jahr 2007 Waren im Wert von 627,6 Milliarden Euro versandt und Waren im Wert von 502,6 Milliarden Euro von dort bezogen. Gegenüber dem Jahr 2006 stiegen die Versendungen in die EU-Länder um 11,1 % und die Eingänge aus diesen Ländern um 8,4 %. Wichtigstes Exportland Deutschlands blieb 2007 das Nachbarland Frankreich. Hier wurde ein Exportplus von 10,4 Prozent auf 93,9 Milliarden Euro verzeichnet. Auf den nächsten Plätzen folgten wie im Vorjahr die USA, Großbritannien, Italien und die Niederlande.[8]

Handelsbilanzüberschuss mit Drittländern

In die Länder außerhalb der Europäischen Union (Drittländer) wurden im Jahr 2007 Waren im Wert von 341,5 Milliarden Euro exportiert und Waren im Wert von 267,8 Milliarden Euro aus diesen Ländern importiert. Gegenüber dem Jahr 2006 stiegen die Exporte in die Drittländer um 4,1 % und die Importe von dort sanken um 1,0 %. [9]

Handelsbilanzüberschuss in China

Quelle: Thomson Datastream

Die Zeit als Exportweltmeister ist für Deutschland vorerst zu Ende: China hat die Bundesrepublik im Jahr 2009 als Exportweltmeister abgelöst. [10] Bereits im 2. Quartal 2007 hatten die Chinesen die ehemals auf dem zweiten Platz liegenden USA überrundet. Im Zeitraum von 1978 bis 2006 verzehnfachte sich der Anteil der Volksrepublik am Weltexport von 0,8 auf 8,0 Prozent. Die Ausfuhrerfolge des Reichs der Mitte beruhen laut Germany Trade and Invest (gtai) nur unwesentlich auf Billigprodukten. China ist mit einem Exportanteil von 18,5 Prozent schon heute größter Lieferant in der Branche Elektronik, ebenso wie für Elektrotechnik mit 13,4 Prozent. Im Bereich Stahl lag das Land 2006 mit einem Ausfuhranteil von 8,7 Prozent zwar noch knapp hinter Deutschland (8,8 Prozent), doch auch hier wird es 2007 dem bfai zufolge einen Wechsel an der Spitze geben. Auch bei Maschinen und chemischen Erzeugnissen müsse künftig stärker mit China gerechnet werden. Einzig der Pkw-Sektor blieb bisher von Angriffen verschont.[11]

Die boomenden Exporte haben China im Jahr 2007 einen Rekord-Überschuss in der Handelsbilanz beschert. Wie in der Grafik ersichtlich, belief sich der Handelsbilanzüberschuss auf 262,2 Milliarden Dollar (rund 180 Milliarden Euro). Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 47,7 Prozent. Die Daten zeigen, dass Chinas Außenhandel weiterhin tendenziell wächst. Die wichtigsten Handelspartner Chinas sind die EU, USA und Japan.

Kritik erhält China vor allem durch die Koppelung seiner Währung an den US-Dollar, wodurch der Marktmechanismus ausgehebelt wird und China seine stark positive Handelsbilanz gegenüber den USA sichert.

Einzelnachweise

  1. Joseph A. Schumpeter, (Elizabeth B. Schumpeter, Hg.): Geschichte der ökonomischen Analyse. Erster Teilband. Vandenhoeck Ruprecht Göttingen 1965. S. 435, Anm. 19. Vgl. auch W. H. Price: The Origin of the Phrase Balance of Trade. In: Quarterly Journal of Economics, Band XX, November 1905, S. 157.
  2. Reining, Dr. Adam: Lexikon der Außenwirtschaft, München, 2003, S. 34
  3. Artikel Handelsbilanz. In: Wikipedia - Die freie Enzyklopädie Bearbeitungsstand: 22. Oktober 2007, 13:51 UTC. (Abgerufen: 5. April 2008, 11:05 MEZ)
  4. Brümmerhoff, Dieter: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. München, 2002, S. 165
  5. Rose/Sauernheimer: Theorie der Außenwirtschaft, 11. Auflage, München, 1992, S. 9
  6. Blanchard/Illing: Makroökonomie, 4. Auflage, München, 2006, S. 535
  7. Handelswaren (Abgerufen: 11. April 2008, 18:15 MEZ)
  8. Spiegel Artikel über Deutschlands wichtigste Handelspartner Bearbeitungsstand: 17. März 2008. (Abgerufen: 12. April 2008, 10:50 MEZ)
  9. Deutscher Außenhandel 2007 Bearbeitungsstand: 8. Februar 2008. (Abgerufen: 11. April 2008, 18:05 MEZ)
  10. [1]
  11. Welt Artikel über China als neuen Exportweltmeister Bearbeitungsstand: 21. Dezember 2007. (Abgerufen: 14. Mai 2008, 16:50 MEZ)

Literatur

  • Bellendorf, Heinz (1994): Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im weltweiten Strukturwandel, Frankfurt a. M., Peter Lang Verlagsgruppe, ISBN 3-631-46989-6
  • Blanchard, Olivier; Illing, Gerhard (2006): Makroökonomie, 4. Auflage, München, Pearson Studium, ISBN 3-8273-7209-7
  • Dieckheuer, Gustav (2001): Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 5. Auflage, München, R. Oldenbourg Verlag, ISBN 3-486-25806-0
  • Reining, Adam (2003): Lexikon der Außenwirtschaft, München, R. Oldenbourg Verlag, ISBN 3-486-27416-3
  • Rose, Klaus; Sauernheimer, Karlhans (1992): Theorie der Außenwirtschaft, 11. Auflage, München, Verlag Franz Vahlen, ISBN 3-8006-1655-6

Weblinks

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