- Hans Christian Ralfs
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Hans Christian Ralfs (* 28. August 1883 in Preetz (Holstein); † 21. April 1945 im Landeskrankenhaus Meseritz-Obrawalde) war ein deutscher Maler und Graphiker. Er gilt als Vertreter des norddeutschen Expressionismus.
Leben
Aufgewachsen in Kiel begann Ralfs 1902 das Kunststudium an der Großherzoglich-Sächsischen Hochschule in Weimar unter den Professoren Olde, von Hoffman und Hagen. Dort verschrieb er sich der damals noch jungen expressionistischen Bewegung und machte die Bekanntschaft mit Max Beckmann, Markus Behmer und dem in Deutschland weilenden Edvard Munch.
Aus dem Kriegseinsatz in Belgien zurück gekehrt, stellte er in der Kieler Kunsthalle unter dem Kriegseindruck entstandene Aquarelle und Graphiken mit dem von Dante entlehnten Titel „Der Triumph des Todes“ aus. Durch diese und weitere Ausstellungen, auch von Ölgemälden, in Kiel und Hamburg wurde Ralfs rasch bekannt, behielt jedoch eine kritische Distanz zu dem Kieler Expressionisten-Kreis um Drömmer, Ehmsen, Lange und Röhl. 1919 gründet Ralfs in Kiel eine eigene Malschule, aus der sein prominenter Schüler und lebenslanger Freund Karl Friedrich Gotsch (1900–1984) hervorgegangen ist, und reist zu Munch nach Norwegen. Aus der Begegnung mit dessen neueren Bildern ergibt sich für Ralfs ein stilistischer Wandel und schließt sich eine äußerst produktive Schaffensperiode an. Die Kieler „Volkszeitung“ hebt anlässlich einer weiteren Ausstellung in der Kunsthalle (1919) nach den düsteren Kriegsbildern seine „stark bunten Kontraste“ und den „flächigen Farbauftrag hervor“, mit welchen er „malerisches Neuland“ betreten habe. Über den späteren Verbleib dieser 18 in Norwegen entstandenen Gemälde ist jedoch nichts bekannt, wie überhaupt der Großteil seines Werkes verschollen ist bzw. in nicht bekannten Privatsammlungen schlummert.
Bis zu dessen Tod im Jahre 1938 war Ralfs mit Ernst Barlach freundschaftlich verbunden; beide tauschten Holzschnittzyklen aus. Die Kunsthalle Kiel erwarb eine Reihe von Holzschnitten für die graphische Sammlung, darunter den nach Haydns „Schöpfung“ gestalteten Bildzyklus.
Das Nachwirken der Kriegserlebnisse, Zerwürfnisse mit der Familie, vornehmlich aber das Leiden eines sich ganz der Kunst verschriebenen Malers am Unverständnis seitens der Mitmenschen führten zu innerer Zerrüttung und bedingten 1922/23 einen ersten stationären Aufenthalt in der neurologischen Abteilung der Universitätsklinik in Kiel. Es folgten Jahre eines unsteten Lebenswandels, unterbrochen durch Klinikaufenthalte, in denen Ralfs seinen Lebensunterhalt durch handwerkliche, journalistische Tätigkeiten und Vorträge den Unterhalt sicherte.
1935 erfolgte anhand neu verfügter nationalsozialistischer Rechtsverordnungen seine Zwangseinweisung unter dem Vorwand einer attestierten Schizophrenie dauerhaft in das Psychiatrische Landeskrankenhaus Neustadt (Holstein). Der intellektuell völlig klare Künstler schuf dort weitere Bilder, sofern die Zwangsarbeiten, wie Körbeflechten, Gärtnereiverrichtungen, dies ermöglichten. Hier schuf er u. a. die Bildfolge „Irrenhaus II“, in welcher er ein bereits 1923 gestaltetes Thema wieder aufnahm. In der Anstalt macht er die Bekanntschaft mit dem „Artbrutisten“ Friedrich Schroeder-Sonnenstern. Bei Freigängen in Neustadt besorgte sich Ralfs für das z.T. von Gotsch und Barlach zugeschossene Geld das nötige Malmaterial bei einem Glasermeister.
Als das Landeskrankenhaus wegen der hohen Zahl an Kriegsopfern zu einem Lazarett umgewidmet wurde, begann 1942 die schubweise Evakuierung; die Patienten, darunter auch Hans Christian Ralfs, wurden in das Landeskrankenhaus Meseritz-Obrawalde verbracht und fast alle vom medizinischen Personal mittels Giftspritzen systematisch umgebracht - der bevorzugten Tötungsart im „Mordhaus Obrawalde“ so Ralfs in seinem Bericht für die Rote Armee, welche das Lager Ende Januar 1945 befreite. Der Künstler überlebte, typhuskrank und unterernährt, nur noch wenige Monate. Die Zahl der gesamten Opfer in Obrawalde wird von der Forschung fünfstellig beziffert – die letzte eingetragene Sterbenummer lautet 18 232. Die wenigen nachgelassenen Habseligkeiten des Künstlers, darunter ein Lyrik-Manuskript, wurden seinem Freund Gotsch in St. Peter-Ording überstellt.
Die zahlreichen im Landeskrankenhaus in Neustadt entstandenen Bilder sind nach der Überstellung ins Todeslager, sofern Ralfs sie nicht an externe Freunde vorher verschenkt hat, im Besitz des damaligen Personals verblieben. Ein Teil ist von dem Sohn eines der behandelnden Ärzte unter dem Titel „Hans Ralfs. Neustädter Bilder“ im Jahre 1999 veröffentlicht worden.
Ausstellungen (nach 1945)
Die wenigen, noch vorhandenen bzw. bekannten Bilder reichen aus, den Künstler als ebenbürtig an die Seite der großen Vertreter der ersten Expressionistengeneration zu stellen. Seit 1988 sind die im Museumsbesitz befindlichen Arbeiten von Hans Christian Ralfs in verschiedenen Ausstellungen in Schleswig-Holstein gezeigt worden, so etwa in der Kunsthalle zu Kiel („Fremde sind wir auf der Erde alle. Graphik des Expressionismus – Literarische Korrespondenzen“), 1992 in der Stadtgalerie in Kiel („Kunstwende – der Kieler Impuls des Expressionismus 1915–1922“), 1998 im Nordfriesischen Museum Husum und in der Landesbibliothek im Kieler Schloss die erste große Einzelausstellung („Hans Ralfs – ein Künstlerschicksal in Schleswig-Holstein“), in Neustadt (Holstein) 2003 („Hans Ralfs – Evangelium Johannis. Neustädter Holzschnitte Hans Ralfs und Ernst Barlach“) und ferner in der großen Wanderausstellung „Nordkunst. Schleswig –Holstein im 20. Jahrhundert“ (Husum, Tondern [DK], Lübeck, 2003/2004).
Literatur
- Helmut Duve : Hans Ralfs als Künstler und Mensch. In: Kieler Zeitung vom 1. März 1931.
- Riewert Ehrich : Hans Christian Ralfs – ein vergessener holsteinischer Künstler. In: Schleswig-Holstein, H. 7 (1987), S. 13–15.
- Riewert Ehrich / Johanna Gotsch: Zur Lyrik von Hans Ralfs. In: Klaus Lengsfeld: Hans Ralfs (1883–1945) – ein Künstlerschicksal in Schleswig-Holstein. Husum 1998, S. 73 ff.
- Friedrich Karl Gotsch : Tragödie eines Künstlers/zur Ralfs-Ausstellung in Hamburg. In: Hamburger Freie Presse vom 1. Oktober 1947.
- Will Grohmann : F.K.Gotsch. Reihe Junge Kunst. Leipzig 1924.
- Jürgen Hacker : Von anderer Warte – Hans Ralfs’ Blick in die Kieler Szene. In: Stadtgalerie in Kiel (Hg.): Kunstwende – der Kieler Impuls des Expressionismus 1915–1922. Kiel 1992, S. 157–164.
- Uwe Haupenthal/Friedrich Ernst Struwe : Hans Ralfs – Neustädter Bilder. Husum 1999.
- Uwe Haupenthal (Hg.): Nordkunst. Schleswig–Holstein im 20. Jahrhundert. Neumünster 2003.
- Herbert Henck : Der Maler Hans Ralfs. In: Ders.: Norbert von Hannenheims Todestag. In: Berlin in Geschichte und Gegenwart. Jahrbuch des Landesarchivs Berlin 2003, S. 126f.
- Josef G. Hodin : Hans Ralfs. In: ders.: F.K. Gotsch. Ölbilder. Hamburg 1987, S. 39f.
- Manfred In der Beek : Der Triumph des Todes. In: Deutsches Ärzteblatt, H. 15 (1971) S. 1135–1142.
- Klaus Lengsfeld : Hans Ralfs (1883–1945) – ein Künstlerschicksal in Schleswig-Holstein. Husum 1998.
- Friedrich Ernst Struwe: Hans Ralfs – Wege und Irrwege. Neustadt/Holst. 2003.
- Friedrich Ernst Struwe/Elisabeth Laur: Hans Ralfs – Evangelium Johannis. Neustädter Holzschnitte Hans Ralfs und ErnstBarlach. Neustadt/Holst. 2003.
Personendaten NAME Ralfs, Hans Christian KURZBESCHREIBUNG deutscher Maler und Graphiker GEBURTSDATUM 28. August 1883 GEBURTSORT Preetz STERBEDATUM 21. April 1945 STERBEORT Meseritz-Obrawalde
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