Edvard Munch

Edvard Munch
Edvard Munch im Jahre 1905 oder 1906 in der Lindeschen Villa in Lübeck. Im Hintergrund Das Eherne Zeitalter von Auguste Rodin.

Edvard Munch [ɛdvɒ:rt mʉŋk] (* 12. Dezember 1863 in Løten, Hedmark, Norwegen; † 23. Januar 1944 auf Ekely in Oslo) war ein norwegischer Maler und Grafiker.

Munch gilt als Bahnbrecher für die expressionistische Richtung in der Malerei der Moderne. In Deutschland und Mitteleuropa genoss er früh den Ruf eines Epoche machenden Neuschöpfers, und heute sind seine Eigenart und sein Status schon längst im übrigen Europa und in der Welt anerkannt. Am bekanntesten sind die Werke Munchs aus den 1890er Jahren. Seine spätere Produktion aber erregt zunehmend Aufmerksamkeit und scheint die Künstler unserer Gegenwart in besonderem Maße zu inspirieren.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Edvard Munch wuchs in der norwegischen Hauptstadt Oslo auf, die zu seiner Zeit Kristiania hieß (bis 1877 hieß die Stadt Christiania, dann änderte sich die offizielle Schreibweise in Kristiania; 1925 wurde der Stadt der ursprüngliche Name Oslo wiedergegeben). Der Vater, Christian Munch – Bruder des Historikers Peter Andreas Munch – war ein tief religiöser Militärarzt mit bescheidenem Einkommen. Mit 44 Jahren heiratete er die um zwanzig Jahre jüngere Kaufmannstochter Laura Catherine Bjølstad. Sie starb mit 33 Jahren an Tuberkulose, als Edvard erst fünf Jahre alt war. Edvard selbst war von schwacher Gesundheit, aber nicht er, sondern seine ältere Schwester Sophie war das nächste Opfer der Schwindsucht. Seine jüngere Schwester Laura war wegen „Melancholie“ (heute Depression) in ärztlicher Behandlung. Edvard Munch selbst hatte eine bipolare Störung (manisch-depressive Erkrankung).[1] Von den fünf Geschwistern heiratete nur sein Bruder Andreas, der wenige Monate nach der Hochzeit verstarb.

Das Elternhaus war kulturell anregend – es sind jedoch die Eindrücke von Krankheit, Tod und Trauer, zu denen Munch in seiner Kunst hauptsächlich zurückkehrt.

Realismus

Munch durchlief - auf Wunsch des Vaters - ein Jahr auf der technischen Schule und wandte sich dann, unterstützt von seiner Tante Karen, mit großem Ernst der Kunst zu. Er studierte die Alten Meister, folgte dem Unterricht in Aktzeichnen an der königlichen Zeichenschule und erhielt eine Zeit lang Korrektur von dem führenden Naturalisten Norwegens, Christian Krohg. Seine frühen Arbeiten prägt ein vom französischen inspirierter Realismus und bald schon fiel er als großes Talent auf.

1885 war Munch zu einem kurzen Studienaufenthalt in Paris. Im selben Jahr begann er die Arbeit an seinem entscheidenden Werk – „Das kranke Kind“. Hier bricht er radikal mit dem Realismus, wie wir ihn bei Christian Krohg in einem entsprechenden Motiv sehen (zu sehen in der Nationalgalerie in Oslo). Munch arbeitete lange an dem Gemälde – auf der Suche nach dem ersten Eindruck und einem gültigen malerischen Ausdruck für ein schmerzliches persönliches Erlebnis. Mit diesem Bild versuchte er, Sophies Tod zu verarbeiten. Er verzichtete auf Raum und plastische Form und stieß zu einer ikonenartigen Kompositionsformel vor. Die grobe Stofflichkeit der Oberfläche wies alle Spuren eines mühsamen schöpferischen Prozesses auf. Die Kritik war sehr negativ. Munch griff dieses Motiv zeit seines Lebens immer wieder auf.

Die Hauptwerke der folgenden Jahre sind von der Form her weniger provozierend. „Inger am Strand“ aus dem Jahr 1889 zeugt von Munchs Fähigkeit zur lyrischen Stimmungsschilderung im Einklang mit der neoromantischen Strömung jener Zeit. Dieses Bild malte er in Åsgårdstrand, einer kleinen Küstenstadt in der Nähe von Horten. Die für diese Gegend so charakteristische, an Windungen reiche Küstenlinie finden wir als sinntragendes Leitmotiv in so vielen Kompositionen von Munch.

Christiania-Bohème

1889 malte Munch außerdem ein Porträt des Häuptlings der Christiania-Bohème, Hans Jaeger. Munchs Umgang mit Jæger und seinem Kreis von radikalen Anarchisten in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre wurde zum entscheidenden Wendepunkt in seinem Leben und zur Quelle einer inneren Gärung und eines inneren Konflikts. Zu dieser Zeit begann seine umfassende biografisch-literarische Produktion, die er in verschiedenen Phasen seines Lebens immer wieder aufnahm. Diese frühen Aufzeichnungen fungierten als „Nachschlagewerk“ zu mehreren der zentralen Motive aus den 1890er Jahren. Im Einklang mit Jægers Ideen wollte er wahrheitsgetreue „Nahaufnahmen“ von den Sehnsüchten und Qualen des modernen Lebens vermitteln – er wollte „sein Leben malen“, das infolge seiner Bipolarität von Höhenflügen und Abstürzen des Gemüts gezeichnet war.

Frankreich

Im Herbst 1889 hatte Munch eine große Einzelausstellung in Christiania, woraufhin der Staat ihm ein Künstlerstipendium für drei aufeinander folgende Jahre gewährte. Paris war das natürliche Ziel, wo er für kurze Zeit Schüler von Léon Bonnat war. Die wichtigeren Impulse aber empfing er, indem er sich im künstlerischen Leben der Stadt orientierte. Hier fand zu jener Zeit ein postimpressionistischer Durchbruch mit verschiedenen antinaturalistischen Experimenten statt. Das wirkte befreiend auf Munch. „Der Fotoapparat kann mit Pinsel und Palette nicht konkurrieren“, schrieb er, „solange man ihn im Himmel und in der Hölle nicht verwenden kann“.

Kurz nachdem Munch in diesem ersten Herbst nach Frankreich gekommen war, erreichte ihn die Nachricht vom Tod seines Vaters. Die Einsamkeit und die Melancholie in seinem Bild „Nacht in St. Cloud“ (1890) werden oft vor diesem Hintergrund gesehen. Das dunkle Interieur mit der einsamen Gestalt am Fenster ist völlig von Blautönen beherrscht – eine Valeurmalerei, die an James McNeill Whistlers nächtliche Farbenakkorde erinnern mag. Dieses moderne und selbstständige Werk ist auch ein Ausdruck für die „Dekadenz“ im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts.

Auf der Herbstausstellung 1891 in Christiania zeigte Munch unter anderem „Melancholie“. Hier dominieren große, geschwungene Linien und homogenere Farbflächen – eine mit Paul Gauguin und französischen Synthetisten verwandte Vereinfachung und Stilisierung des Motivs. „Symbolismus – die Natur wird von einer Gemütsstimmung geformt“, schreibt Munch.

Zu dieser Zeit fertigte er die ersten Skizzen zu seinem bekanntesten Werk Der Schrei an. Auch malte er eine Reihe von Bildern in einem impressionistischen und annäherungsweise pointilistischen Stil, mit Motiven von der Seine und der Paradestraße Christianias – Karl Johans Gate. Hauptinteresse Munchs sind jedoch die Eindrücke der Seele und nicht die des Auges. Diese Eindrücke der Seele durchlitt er selbst in starken Ausschlägen.

Deutschland

Im Herbst 1892 stellte Munch in Kristiania die Früchte seiner Frankreichaufenthalte vor. Der norwegische Landschaftsmaler Adelsteen Normann sah diese Ausstellung und verhalf dem damals noch unbekannten Munch zu einer Einladung des Berliner Kunstvereins. Munchs erste Ausstellung in Berlin fand im „Architektenhaus“ in der Wilhelmstraße 92 statt. Sie wurde mit 55 Bildern am 5. November 1892 eröffnet und endete mit einem grausigen „succès de scandal“. Das Publikum und die älteren Maler fassten Munch als anarchistische Provokation auf, und die Ausstellung wurde, auf Betreiben von Anton von Werner, dem Direktor der Königlichen Hochschule der bildenden Künste, nach wenigen Tagen am 12. November 1892 im Protest geschlossen.[2]

Dadurch wurde Munchs Name plötzlich in Berlin bekannt und er entschloss sich, in der Stadt zu bleiben. Er kam in einen Kreis von Literaten, Künstlern und Intellektuellen, in dem Skandinavier stark vertreten waren. Zu dem Kreis gehörten unter anderem der schwedische Dramatiker August Strindberg, der polnische Dichter Stanisław Przybyszewski, der norwegische Bildhauer Gustav Vigeland, der dänische Schriftsteller Holger Drachmann und der deutsche Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe. Man traf sich im Gasthaus „Zum schwarzen Ferkel“ Unter den Linden/Ecke Neue Wilhelmstraße. Hier diskutierte man Friedrich Nietzsches Philosophie sowie Okkultismus, Psychologie und die dunklen Seiten der Sexualität.

Im Dezember 1893 stellte Munch auf Unter den Linden aus. Hier zeigte er unter anderem sechs Gemälde unter der Überschrift „Studie zu einer Serie: Die Liebe“. Das war der Anfang zu dem, was später zum Lebensfries wurde „ein Gedicht über das Leben, die Liebe, den Tod“. Hier finden sich stimmungsgesättigte Motive wie „Der Sturm“, „Mondschein“ und „Sternennacht“, wo man eine Beeinflussung durch den schweizerisch-deutschen Arnold Böcklin ahnen kann. Andere Motive beleuchten die Nachtseite der Liebe wie „Rose und Amalie“ oder „Vampir“. Mehrere Bilder haben den Tod zum Thema, und am meisten Aufmerksamkeit erregte „Der Tod im Krankenzimmer“. In dieser Komposition ist Munchs Schuldigkeit französischen Synthetisten und Symbolisten gegenüber besonders merkbar. In grellen und gleichzeitig fahlen Farben zeigt das Bild eine festgefrorene Szene, vergleichbar einem tragischen Schlusstableau in einem Ibsen-Schauspiel. Das Motiv baut auch hier auf der Erinnerung an den Tod der Schwester Sophie, und die ganze Familie ist vertreten. Die im Stuhl sitzende Sterbende kehrt dem Betrachter den Rücken zu, wird aber von der Gestalt, die Munch selbst vorstellt, in den Blick gerückt. Im Jahr darauf wird der Fries um Motive wie „Angst“, „Asche“, „Madonna“ und „Sphinx (Die Frau in drei Stadien)“ erweitert. Letzteres ist ein vollständig im Geiste des Symbolismus gehaltenes, monumentales Motiv.

Gemeinsam mit Meier-Graefe gab neben anderen Przybyszewski 1894 die erste Publikation über Munchs Kunst heraus. Er charakterisiert sie als „psychischen Realismus“.

Zurück in Frankreich

Munch verließ Berlin 1896 und ließ sich in Paris nieder, wo sich unter anderen Strindberg und Meier-Graefe aufhielten. Hier widmete er grafischen Mitteln immer mehr Aufmerksamkeit auf Kosten der Malerei. In Berlin hatte er mit Radierung und Lithografie begonnen und schuf jetzt in Zusammenarbeit mit dem berühmten Drucker Auguste Clot erlesene Farblithografien und seine ersten Holzschnitte. Auch plante Munch die Herausgabe einer Mappe mit dem Titel „Der Spiegel“, ein grafischer „Fries“. Dank seiner souveränen Beherrschung der Mittel und seiner großen künstlerischen Originalität genießt Munch in unserer Zeit den Ruf eines Klassikers der Grafik.

In Paris fertigte er auch Programmplakate für zwei Ibsen-Vorstellungen des Théâtre de L'Oeuvre an, während der Auftrag, Baudelaires Les Fleurs du Mal zu illustrieren, in den Anfängen stecken blieb.

Die Jahrhundertwende

1898 nach Norwegen zurückgekehrt, schuf Munch die Illustrationen zu einer Spezialausgabe der deutschen Zeitschrift Quickborn zu Texten von August Strindberg.

Um die Jahrhundertwende versuchte Munch, den Fries zu vollenden. Er malte eine Reihe von neuen Bildern, einige in größerem Format und teils geprägt von der Jugendstilästhetik. Zu dem großen Bild „Stoffwechsel/Metabolismus“ (1898) stellte er einen Holzrahmen mit geschnitzten Reliefs her. Es bekam zunächst den Titel „Adam und Eva“, und es enthüllt den zentralen Platz, den der Sündenfallmythos in Munchs pessimistischer Liebesphilosophie einnimmt. Motive wie Das leere Kreuz und Golgatha (beide um 1900) spiegeln eine metaphysische Orientierung in Munchs eigener Zeit wider und sind außerdem ein Echo von Munchs Kindheit und Jugend in einem pietistischen Milieu.

Munchs Haus (heute Museum) in Åsgårdstrand

Eine aufreibende Liebesbeziehung zu Tulla Larssen jener Zeit bestärkte Munch, die Kunst als Berufung zu erleben.

Die Zeit um die Jahrhundertwende war eine Phase rastlosen Experimentierens. Ein farbenfroher und dekorativer Stil manifestiert sich, beeinflusst von der Kunst der Nabis und besonders eines Maurice Denis. Schon 1899 malte Munch „Der Tanz des Lebens“. Dieses Bild kann als kühne und persönliche Monumentalisierung dieses dekorativen Flächenstils aufgefasst werden.

Eine Serie von Landschaftsbildern haben den Christiania-Fjord zum Thema. Diese dekorativen und feinfühligen Naturstudien werden als Höhepunkte des nordischen Symbolismus betrachtet. Das klassische stimmungsgeladene Gemälde „Die Mädchen auf der Brücke“ entstand im Sommer 1901 in Åsgårdstrand.

Erfolg und Krise

Aksel Waldemar Johannesen: Edvard Munch mit dem Porträt von seinem Freund und Entdecker Jappe Nilssen, 1909

Anfang des neuen Jahrhunderts war Munch ernstlich im Begriff, eine Karriere aufzubauen. 1902 zeigte er auf der Secessionsausstellung in Berlin zum ersten Mal den ganzen Fries. Eine Munch-Ausstellung in Prag bekam Bedeutung für mehrere tschechische Künstler. Porträts, häufig in Ganzfigur, wurden nach und nach zu einem wichtigen Bestandteil seines Werks. Das Gruppenporträt Die vier Söhne des Dr. Max Linde (1904, Museum Behnhaus, Lübeck) wird als ein Hauptwerk der modernen Porträtmalerei eingestuft.

Die Fauvisten mit Matisse an der Spitze teilten mit Munch zahlreiche seiner künstlerischen Bestrebungen. Die Künstlergruppe Brücke in Dresden zeigte Interesse für Munch, aber es gelang ihr nicht, ihn für ihre Ausstellungen zu gewinnen.

Der künstlerische Erfolg war von Konflikten auf persönlicher Ebene begleitet. Der Alkohol war zum Problem geworden, und Munch war aufgrund seiner bipolaren Störung psychisch im Ungleichgewicht. Er quälte sich mit Erinnerungen an seine tragische Liebesgeschichte. Die Beziehung zu Tulla hatte 1902 mit einer Revolverszene geendet, bei der Munchs linke Hand angeschossen worden war. Zwar sollte er die Schmach nie verwinden; in diesen Jahren aber wurde sie zur Besessenheit. Tullas Züge lassen sich unter anderem in Marats Tod aufspüren (zwei Versionen von 1907) ein Motiv, von dem sich allgemeiner sagen lässt, es schildere „den Kampf zwischen Mann und Frau, den man Liebe nennen kann“.

Henrik Ibsen starb im Mai 1906, und im Herbst fertigte Munch Bühnenentwürfe für Max Reinhardts Aufführung der Gespenster im kleinen Saal des Deutschen Theaters in Berlin an. Seither nahm Ibsen in Munchs Bewusstsein einen immer größeren Raum ein. Das Selbstbildnis mit Weinglas von 1906 zeigt eine kraftlos zusammengesunkene Gestalt, allein an einem Tisch in einem klaustrophobisch anmutenden Café sitzend eine tragische Erscheinung, geistig eng verwandt mit Oswald in Ibsens Drama.

Auf Bestellung führte Munch ein monumentales Phantasieporträt von Friedrich Nietzsche aus, und während mehrerer Besuche in Weimar porträtierte er auch die Schwester des verstorbenen Philosophen, Elisabeth Förster-Nietzsche. Das Nietzsche-Porträt war das einzige Bildnis, das Munch nach einer Fotografie und nicht nach lebendem Modell schuf.

Zwischen 1902 und 1908 hielt sich Munch überwiegend in Deutschland auf. Malaufträge führten ihn mehrfach nach Berlin, Lübeck (1903), Weimar (1904) und Chemnitz (1905). Danach wurden Thüringen mit Elgersburg, Weimar, Ilmenau und Bad Kösen (1905/06) und schließlich Warnemünde (1907/08) seine festeren Domizile. Warnemünde sollte die letzte Station des selbst gewählten deutschen Exils sein und bot für eine kurze Zeit die gesuchte körperliche und seelische Erholung.

Neue Motive zeugen von einer extravertierteren Orientierung. „Badende Männer“ (1907/08) huldigt auf muntere Weise vitaler Männlichkeit. Alkohol- und Nervenprobleme erreichten dennoch einen kritischen Punkt, und Munch entschied sich für einen achtmonatigen Aufenthalt in einer Kopenhagener Nervenklinik unter der Betreuung von Daniel Jacobson. In Norwegen erkannte man endlich seine künstlerische Leistung, und während er sich in der Klinik befand, wurde ihm der norwegische Sankt-Olav-Orden verliehen.

Zurück in Norwegen

Von 1909 bis zu seinem Lebensende lebte Munch in Norwegen. Zunächst ließ er sich in Kragerø, einer Küstenstadt im Süden des Landes, nieder. Hier malte er unter anderem mehrere klassische Winterlandschaften und stürzte sich mit Eifer in den Wettbewerb um die Ausschmückung des neuen Festsaals der Osloer Universität, die Aula.

1912 räumte man Munch auf der großen Sonderbund-Ausstellung in Köln unter den Pionieren der modernen Kunst einen bedeutenden Platz ein.

In Kragerø ließ er geräumige Außenateliers bauen, wo er mehrere Jahre lang an den Entwürfen für die Universitätsaula arbeitete. Nach langwierigen Auseinandersetzungen wurde schließlich Munch angenommen, und 1916 wurde sein Werk an Ort und Stelle montiert.

Mit Munchs eigenen Worten huldigen die Motive „den ewigen Kräften des Lebens“. Das Hintergrundmotiv ist ein Sonnenaufgang über dem Fjord, inspiriert von der Aussicht, die Munch von seinem in Kragerø gemieteten Besitz hatte. Gleichzeitig nutzt er hier das symbolische Potential des Lichts. Pendants in der Aula sind die großen Leinwände „Die Geschichte“ und „Alma Mater“. Unter einer mächtigen Eiche in einer kargen, rauen Landschaft sitzt ein alter Mann und erzählt einem kleinen Jungen die Sage von den Menschen. In einer wilden, üppigen Landschaft sitzt eine Frau mit einem Säugling am Strand, während größere Kinder die Natur auskundschaften. Abgesehen davon, dass die beiden „archetypischen“ Motive auf Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft anspielen, sind sie Ausdruck des männlichen und weiblichen Prinzips, das in Munchs Bilderwelt einen zentralen Gegensatz darstellt.

Der aufkommenden Arbeiterbewegung widmete Munch sich in mehreren Motiven aus jener Zeit, teils in monumentaler Form. Das Bild „Arbeiter auf dem Heimweg“ (1913–15) ist darüber hinaus eine dynamische Studie in Perspektive und Bewegung. 1916 erwarb Munch den Besitz Ekely bei Christiania. Landschaft, Menschen im Einklang mit der Natur, pflügende Pferde dies sind Motive, die jetzt in klaren, kräftigen Farben geschildert werden. Eine frische, spontane Pinselführung vermittelt den Eindruck einer sinnlichen Huldigung an Sonne, Luft und Erde.

Auf Ekely lebte Munch in zunehmend selbst gewählter Isolation, spartanisch, nur von seinen Bildern umgeben. Er war überaus produktiv. Obwohl er sich nur widerwillig von „seinen Kindern“ trennte, wurden die Bilder zu einer Reihe von Ausstellungen im In- und Ausland ausgeliehen.

In späteren Jahren malte Munch häufig Studien und Kompositionen nach Modell. Unter ihnen gibt es einige, die lebhafter und lebensbejahender sind als frühere Werke. Und doch widmete er sich auch jetzt noch der Erforschung der konfliktgeladenen Themen aus den 90er Jahren. Seine grafische Produktion war weiterhin beachtlich, darunter eine Reihe von lithografischen Porträts.

Nachlass

Als Munch im Januar 1944 starb, vermachte er seine umfangreiche Sammlung von Bildern und nicht systematisierten biografisch-literarischen Aufzeichnungen der Stadt Oslo.[3] Das 1963 feierlich eröffnete Munch-Museum (Munch-muséet) hat folglich heute eine einzigartige Sammlung von Munchs Kunst und sonstigem Material, die sämtliche Phasen des künstlerischen Schaffensprozesses beleuchten.

Die Nationalgalerie (Nasjonalgalleriet) in Oslo hat ebenfalls eine erlesene, besonders an zentralen frühen Gemälden reiche Munch-Sammlung. Hauptwerke befinden sich außerdem in der Bergen Billedgalleri in Bergen.

Im Jahr 1964 wurden Arbeiten von ihm auf der documenta III in Kassel in der berühmten Abteilung Handzeichnungen gezeigt.

Im Sommer 2004 wurden die Gemälde „Der Schrei“ und „Madonna“ aus dem Munch-Museum in Oslo gestohlen. Zunächst ging die Polizei davon aus, dass vermutlich zwei bis fünf Personen an dem Diebstahl beteiligt waren. Später erhob die Polizei Anklage gegen mehrere Verdächtige, jedoch blieben die Bilder weiterhin verschwunden. Man vermutete, dass sie im Ausland versteckt wurden. Da die Werke am helllichten Tag gestohlen wurden, entwickelte sich im Anschluss an den Raub eine Diskussion um die richtige Sicherung wertvoller Kunstobjekte, die trotzdem einem breiten Publikum zugänglich bleiben sollten. Am 31. August 2006 wurden die beiden Bilder — aus den Rahmen gerissen — von der norwegischen Polizei sichergestellt. Im Dezember 2006 gab das Munch-Museum bekannt, „Der Schrei“ sei durch die Folgen des Raubes derartig zerstört worden, dass eine Restauration nicht möglich sei. Vor allem Feuchtigkeitsschäden seien nicht auszubessern.

Ein weiterer Diebstahl von Werken des Malers fand am 6. März 2005 aus einem Hotel im norwegischen Ort Moss statt. Die Täter nahmen zwei Lithografien, die Munch selbst und den Schriftsteller August Strindberg darstellten, und ein Aquarell mit dem Titel Das Blaue Kleid mit. Einen Tag später glückte der Polizei die Festnahme der Täter.[4]

Werke (Auswahl)

  • 1885 Selbst-Portrait mit brennender Zigarette (Nasjonalgalleriet, Oslo)
  • 1884 Bildnis Schwester Inger
  • 1892 Bildnis Inger Munch
  • 1892 Abend auf der Karl Johans Gate (Munch-museet, Oslo)
  • 1894 Madonna (Munch-museet, Oslo; es existieren insgesamt 5 Versionen) am 22. August 2004 zusammen mit Der Schrei geraubt; am 31. August 2006 von der norwegischen Polizei sichergestellt
  • 1885/86 Das kranke Kind (Nasjonalgalleriet Oslo)
  • 1893 Der Schrei (Nasjonalgalleriet, Oslo, Kunsthalle Bergen und Munch-Museum Oslo), geraubt am 22. August 2004 zusammen mit Munchs Madonna aus dem Munch Museum in Oslo; am 31. August 2006 von der norwegischen Polizei sichergestellt
  • 1893 Der Sturm (Museum of Modern Art, New York)
  • 1893 Sterbezimmer (Nasjonalgalleriet, Oslo)
  • 1895 Pubertät (Nasjonalgalleriet, Oslo)
  • 1895 Tod im Krankenzimmer (Death in the sickroom)
  • 1895 Selbstportrait mit Knochenarm (Munch-museet, Oslo)
  • 1898 Der Kuss (Holzschnitt, 41x46cm) (Nasjonalgalleriet, Oslo)
  • 1898/1899 Mädchen und drei Männerköpfe (entdeckt 2005 auf einer Unterleinwand unter dem Bild „Die tote Mutter“)
  • 1899/1900 Die tote Mutter (Kunsthalle Bremen)
  • 1899/1900 Der Lebenstanz/Tanz des Lebens (Nasjonalgalleriet Oslo)
  • 1901 Mädchen auf dem Pier (Munch-museet, Oslo)
  • 1902 Vier Mädchen in Åsgårdstrand (Staatsgalerie Stuttgart)
  • 1903 Die Familie Book (Thielska galleriet, Stockholm)
  • 1903 Die vier Söhne des Dr. Max Linde (Museum Behnhaus, Lübeck)
  • 1905 Vier Mädchen auf der Brücke (Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln)
  • 1907 Amor und Psyche (Munch-museet, Oslo)
  • 1907 Lübecker Hafen mit Holstentor
  • 1908 die Alpha & Omega-Mappe
  • 1917 Vampir (Sammlung Würth, weitere Version im Munch-museet, Oslo)
  • 1942 Selbstportrait: Zwischen Uhr und Bett (Munch-museet, Oslo)

Quellen

  1. Rothenberg A.: Bipolar illness, creativity, and treatment. Psychiatric Quarterly, 2001. (Hinweis auf Bipolare Störung Edvard Munchs)
  2. Bischoff, Ulrich, Edvard Munch 1863–1944, Bilder vom Leben und vom Tod, Taschen 2006, ISBN 978-3-8228-6369-5
  3. tagesspiegel.de: Das Testament des Malers - Wie Edvard Munch Oslo beschenkte, 1. November 2005, Zugriff am 2. Juli 2011
  4. Welt-online vom 9. März 2005: Gestohlene Munch-Werke von der Polizei sichergestellt, abgefragt am 5. März 2010

Literatur

  • Rolf Stenersen: Edvard Munch. Büchergilde Gutenberg, Zürich 1949
  • Ragna Stang: Edvard Munch. Der Mensch und der Künstler. Langewiesche, Königstein im Taunus 1979. ISBN 3-7845-9360-7
  • Arne Eggum: Alpha & Omega. Katalog, Oslo 1981, deutsch von Signe Bøhn. ISBN 82-90128-11-8
  • Marinelli, Ursula: Edvard Munch und die Idee des guten Gemäldes. Paper/Artikel, 2007. Volltext
  • Matthias Arnold: Edvard Munch. Rowohlt, Reinbek 1986. ISBN 3-499-50351-4
  • Reinhold Heller: Edvard Munch. Leben und Werk. Prestel, München 1993. ISBN 3-7913-1301-0
  • Inger Alver Gløersen: Munch as I knew him. Bløndal, Hellerup 1994
  • Uwe M. Schneede: Edvard Munch. Die Meisterwerke. Schirmer/Mosel Verlag, München 1988/2000, ISBN 3-88814-992-4
  • Gerd Presler: Edvard Munch – Werkverzeichnis der Skizzenbücher. Engelhardt und Bauer Karlsruhe, 2004. ISBN 3-937295-09-7
  • Curt Glaser: Zu Besuch bei Edvard Munch in Ekely – 1927. Piet Meyer Verlag, Basel ISBN 978-3-905799-01-9

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Edvard Munch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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