Alpendohle

Alpendohle
Alpendohle
Alpendohle (Pyrrhocorax graculus)

Alpendohle (Pyrrhocorax graculus)

Systematik
Ordnung: Sperlingsvögel (Passeriformes)
Unterordnung: Singvögel (Passeri)
Familie: Rabenvögel (Corvidae)
Gattung: Pyrrhocorax
Art: Alpendohle
Wissenschaftlicher Name
Pyrrhocorax graculus
(Linnaeus, 1766)
Alpendohlen im Flug an der Bürglen, 2165 m ü.M., Schweiz, Berner Oberland

Die Alpendohle (Pyrrhocorax graculus), auch Berg- oder Jochdohle genannt, ist eine Vogelart aus der Familie der Rabenvögel (Corvidae). Sie ist näher mit der Alpenkrähe (Pyrrhocorax pyrrhocorax) als mit der Dohle (Corvus monedula) verwandt. Sie ist ein Brutvogel der Hochgebirge der südlichen Palearktis und kommt in Mitteleuropa gewöhnlich zwischen 1500 und 3900 Metern Höhe vor. Im Winter ist sie tagsüber ein ständiger Gast in Städten und Dörfern am Fuß der Alpen.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Die Alpendohle ist 36 bis 39 Zentimeter lang und hat eine Flügelspannweite von 65 bis 74 Zentimeter. Adulte Männchen wiegen zwischen 230 und 285 Gramm, die Weibchen zwischen 205 und 265 Gramm.

Ihr Gefieder ist schwarz, die Unterflügeldecken sind kontrastierend kohlschwarz. Der Schnabel ist gelb, die Beine rot – wie dies in Populärdarstellungen oft fälschlich dem Raben zugeschrieben wird. Die Iris ist schwarz. Beide Geschlechter sehen gleich aus.

Die Vollmauser durchlaufen Alpendohlen nach der Brutzeit im Zeitraum Juni bis Oktober.

Stimme

Die Lautäußerungen der Alpendohle sind sehr charakteristisch. Der Ruf ist ein helles, rollendes „zirrrrr“, das einen nahezu elektrisch klingenden Oberton hat. Der Ruf ist oft von umherziehenden Schwärmen hörbar. Weiterhin ruft sie durchdringend pfeifend „ziieh“ oder „zrieh“. Bei Beunruhigung wird etwas tiefer und voller „krrrü“ gerufen.

Der Lockruf ist pija oder Zijup, der auch gereiht gerufen wird. Partnervögel rufen sich, wenn sie etwas weiter entfernt sind, wre, wro oder wrii. Der Drohlaut ist djupp, bei Gefahr auch schnarrend chrrr.

Verhalten

Die Alpendohle ist tagaktiv. Sie läuft mit raschen Schritten auf dem Boden und Felsgraten. Bei schnellerer Fortbewegung hüpft sie mit etwas alternierenden Fußbewegungen.

Die Alpendohle ist ein sehr guter Flieger. Sie nutzt Luftströmungen zum Gleiten, wobei sie die unterschiedlichen Strömungsverhältnisse an Hängen und Steilwänden ausnutzt. Bei Aufwind ist sie außerdem ein guter Segelflieger. Sie verfolgt ihre Artgenossen spielerisch und zeigt erstaunliche Flugmanöver. Gelegentlich ist zu beobachten, wie sie sich mit angelegten Flügeln entlang von Steilwänden stürzt. Sie erreicht dabei Geschwindigkeiten von bis zu 200 km/h.[1]

Sie ist sehr gesellig und das ganzjährig zusammenhaltende Paar ist nur im unmittelbaren Nistbereich territorial. Während des Sommers sind sie meist nur in kleinen Gruppen oder paarweise auf Nahrungssuche. Nach Abschluss der Brutzeit kommt es häufig zur Bildung von größeren Schwärmen. Diese haben offenbar traditionell beibehaltene Schwarmareale und Schlaf- beziehungsweise Nahrungsplätze.[2] Innerhalb der Schwärme besteht eine soziale Rangordnung, bei der verpaarte Männchen die höchste Stellung innehaben.

Bei der Suche nach Essensresten kann die Alpendohle sehr zutraulich sein und kommt oft an Skihütten und Liftstationen. Sie ist ruhelos und verschwindet mitunter unvermittelt hinter Bergkämmen.

Lebensraum und Verbreitung

Ganzjähriges Verbreitungsgebiet der Alpendohle
Alpendohle im Flug
Ei der Alpendohle
Alpendohle im Flug
Alpendohlen im Winter

Die Alpendohle ist als Standvogel ganzjährig in den Alpen und Pyrenäen, in Marokko, den italienischen Abruzzen, auf dem Balkan bis nach Griechenland und auf Zypern, in der Südtürkei und im Kaukasus sowie im Himalaya vertreten.

Die Höhenverbreitung variiert in Abhängigkeit vom Verbreitungsgebiet. In Mitteleuropa kommt die Nominatform gewöhnlich oberhalb der Baumgrenze vor und hat damit eine Höhenverbreitung von 1.400 bis 3.000 Höhenmeter. Ausnahmsweise brüten sie auch in niedrigeren Lagen; so lagen die tiefsten Brutnester in der Schweiz bis 560 und 970 Höhenmetern.[3] In Marokko ist die Alpendohle dagegen gewöhnlich zwischen 2.200 und 3.900 Höhenmetern anzutreffen. Im Südosten Europas und in der Türkei kommt die Art verhältnismäßig häufig auch unter 1.000 Höhenmetern vor.

Im Winter und zunehmend auch bei ungünstigem Wetter im Sommer unternimmt die Alpendohle während der täglichen Nahrungsflüge Altitudinalwanderungen vom Gipfelbereich bis in die Siedlungen. Dabei entfernt sie sich selten mehr als zwanzig Kilometer vom Brutplatz.[3]

Nahrung

Die Nahrung der Alpendohle besteht im Sommer überwiegend aus Insekten und Wirbellosen. Unter den Insekten sind es vor allem bodenbewohnende Formen wie Käfer, Grillen, Heuschrecken, Ameisen und Raupen, die eine Rolle in der Ernährung spielen. Die Alpendohle frisst auch kleine Wirbeltiere, gelegentlich auch Jungvögel sowie Aas. Im Herbst und Winter ist die Nahrung hauptsächlich vegetabilisch. Den größten Anteil an der Nahrung haben dann Beeren und Obst sowie Knospen, Flechten und Blätter.

Während der Nahrungssuche hält sie sich meist auf kurzrasigen Flächen aber auch in Geröllhalden und Felswänden auf. Durch Hacken, Untersuchen von Ritzen und Spalten, dem Stochern, Graben und Abheben von kleinen Steinen vom Boden findet sie ihre Nahrung. Dabei ist ihre Bodennutzung insgesamt etwas oberflächlicher als bei der Alpenkrähe.[2]

Nicht sofort gefressene Nahrung versteckt die Alpendohle in Felsritzen und Baumstümpfen, wobei die Nahrung manchmal abgedeckt wird.

Fortpflanzung

Die Alpendohle brütet unter natürlichen Bedingungen meist im dritten Lebensjahr das erste Mal. Sie geht eine monogame Dauerehe ein. Belegt ist, dass einzelne Paarbindungen über sieben bis acht Jahre bestanden. Paare sind unter anderem daran zu erkennen, dass sie in sehr geringem Abstand zueinander fliegen. Sie kraulen sich häufig gegenseitig und ein gelegentliches Füttern des Weibchens durch das Männchen ist auch bei langjährigen Paaren ganzjährig zu beobachten.

Die Alpendohle brütet in steilen, schwer zugänglichen Felswänden. Gelegentlich brütet sie auch an Gebäuden oberhalb der Baumgrenze. Sie ist ein Solitärbrüter, auch wenn sie nach der Brutzeit sehr gesellig lebt. Die Brutplätze werden ab März bezogen, wobei das Nestrevier hauptsächlich vom Weibchen polarisiert wird. Sie ziehen pro Jahr nur eine Brut groß.

Das Nest wird in Felsspalten, -nischen und -höhlen angelegt. Sie nutzt auch senkrechte Bodenschächte, Mauerlöcher in Ruinen und Türmen und brütet sogar auf Dachböden, in Tunneln oder relativ frei auf Fels- und Gebäudesimsen.[2] Einzelne Niststandorte sind gelegentlich über Jahre hinaus besetzt. Das Nest besteht aus Zweigen und Wurzeln und wird mit feinerem Pflanzenmaterial sowie Haaren ausgepolstert. Beide Elternvögel sind am Nestbau beteiligt, jedoch wird das Nistmaterial nach Erreichen eines gewissen Grundbaus nur noch durch das Männchen eingetragen. Bei erfahrenen Elternvögel beträgt die Zeit, die für den Nistbau benötigt wird, drei bis sechs Tage. Erstbrüter dagegen wenden durchschnittlich neun bis zehn Tage für den Nistbau auf.[4] Die Eiablage beginnt in den Alpen frühestens ab Mitte April, gewöhnlich jedoch im Zeitraum von Mitte Mai bis Mitte Juni. Das Gelege besteht aus 3 bis 5 Eiern, der Legeabstand beträgt ein bis zwei Tage. Die Eier sind oval und leicht rau mit einer weißen Grundfarbe und einer olivbraunen und braunen unregelmäßigen Fleckung. Die Brutzeit beträgt 18 bis 21 Tage. Es brütet nur das Weibchen, das vom Männchen am Nest gefüttert wird. Die Nestlinge schlüpfen asynchron in einem Zeitraum von ein bis drei Tagen. Die Nestlingszeit beträgt 31 bis 38 Tage, kehren aber gewöhnlich längere Zeit in den Nestbereich zurück. Sie werden von den Elternvögel, aber auch von anderen adulten Alpendohlen gefüttert. Die Jungvögel bleiben bis in den Winter im Jahresverband.

Jungvögel schließen sich zum Teil anderen Lokalpopulationen an, die in Entfernungen von mehr als fünfzig Kilometer leben. Die nachgewiesene weiteste Abwanderung eines Jungvogels liegt bei 85 Kilometer in Nord-nordöstlicher Richtung, 155 Kilometer in östlichen Richtung und 170 Kilometer in Südöstlicher Richtung.[3] In Freiheit wird die Alpendohle bis zu 20 Jahre alt. Der älteste wiedergefundene beringte Wildvogel erreichte ein Lebensalter von 24 Jahren und fünf Monaten.[4]

Bestand

Der Gesamtbestand für Europa wird auf 130.000 bis 310.000 Brutpaare geschätzt. In Russland, Türkei, Frankreich, Österreich, Schweiz und Spanien leben jeweils mehr als 10.000 Brutpaare.[3]

Durch die touristische Erschließung des Alpenraums bietet sich den Alpendohlen ein größeres Nahrungsangebot. Eine Zunahme oder Arealausweitung konnte im Alpenraum jedoch nur bis in die 1970er Jahre beobachtet werden. Limitierende Faktoren sind möglicherweise das Angebot an geeigneten Nistplätzen sowie an Höhlen und Spalten für Gemeinschaftsschlafplätze in den Wintermonaten. Es gibt jedoch lokal durchaus deutliche Bestandssteigerungen, allerdings kam es vereinzelt regional auch zu deutlichen Rückgängen, wenn sich der Lebensraum und das Nahrungsangebot etwa durch Stauwerksbau oder eine veränderte Müllentsorgung veränderte.[3]

Belege

Literatur

  • Hans-Günther Bauer, Einhard Bezzel und Wolfgang Fiedler (Hrsg): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 2: Passeriformes – Sperlingsvögel, Aula-Verlag Wiebelsheim, Wiesbaden 2005, ISBN 3-89104-648-0
  • Svensson, L.; Grant, P. J.; Mullarney, K.; Zetterström, D.: Der neue Kosmos-Vogelführer - Alle Arten Europas, Nordafrikas und Vorderasiens. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co., Stuttgart. 1999. ISBN 3-440-07720-9

Weblinks

 Commons: Alpendohle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelbelege

  1. Braun et al., S. 51
  2. a b c Bauer et al., S. 51
  3. a b c d e Bauer et al., S. 50
  4. a b Bauer et al., S. 52

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