Hermann Wilken

Hermann Wilken

Hermann Wilken, auch Hermann Witekind oder Augustin Lercheimer (Pseudonym) (* 1522 in Neuenrade; † 7. Februar 1603 in Heidelberg) war ein deutscher Humanist, Schriftsteller (Hexentheoretiker) und Mathematiker.

Leben

Wilken studierte in Frankfurt (Oder) und in Wittenberg, hier unter anderem bei Philipp Melanchthon. Von diesem wurde er 1552 als Lehrer an die Domschule in Riga empfohlen, deren Rektorat er 1554 übernahm. 1561 immatrikulierte er sich als „honoratus” in Rostock und 1563 in Heidelberg, wo er Professor der griechischen Sprache in der Artistenfakultät wurde. Es ist bekannt, dass der Tod Kurfürst Friedrichs III. 1576 unter seinem ältesten Sohn und Nachfolger Ludwig VI. zur Restauration des Luthertums in der Kurpfalz und zur Entlassung der reformierten Theologen der Universität Heidelberg führte, die danach in Neustadt an der Weinstraße unter dem Schutz des Pfalzgrafen Johann Casimir ihre Lehrtätigkeit fortsetzten.

Die Artistenfakultät und mit ihr Hermann Wilken waren davon zunächst nicht betroffen. Erst die Verweigerung der Unterschrift unter die Konkordienformel führte 1580 zur Entlassung Wilkens und fünf weiterer Professoren der Artistenfakultät sowie der juristischen und der medizinischen Fakultät. Auch Wilken fand 1581 ein Unterkommen am Casimirianum in Neustadt, wo er aber nicht mehr Griechisch lehrte, sondern Mathematik. Als Professor der Mathematik kehrte er 1584, nach dem Tod Ludwigs VI. und dem neuerlichen Umschwung in der Kurpfalz, an die Heidelberger Universität zurück. Wilken, der zeitlebens Professor der Artistenfakultät blieb, starb 1603 in Heidelberg.

1564 war Wilken für kurze Zeit in seine westfälische Heimat zurückgekehrt, wo er als Nichttheologe vom Rat der Stadt Neuenrade, sein Bruder war dort Bürgermeister, mit der Abfassung einer evangelischen Kirchenordnung beauftragt wurde. Diese erschien noch in demselben Jahr in Dortmund im Druck, wurde aber alsbald von Herzog Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg ebenso wie von der Reichsstadt Dortmund verboten. Die ältere Literatur sah, großenteils ohne zureichende Textkenntnis, in Wilkens Neuenrader Kirchenordnung eine Kompilation aus der Rigaer Kirchenordnung von 1530 sowie aus der kurpfälzischen Kirchenordnung von 1552, der Wolfgangschen pfalz Zweibrückenschen Kirchenordnung von 1557 und der mit dem Heidelberger Katechismus verbundenen kurpfälzischen Kirchenordnung Caspar Olevians von 1563. Gryczan weist demgegenüber schlüssig nach, dass Wilken sich dabei an die Rigaer Kirchenordnung anlehnte und sich überdies an der Mecklenburgischen Kirchenordnung von 1552 orientierte.

„Für die Verwendung der Kirchenordnungen Ottheinrichs und Friedrichs III. finden sich keinerlei Anhaltspunkte” . Hinzu kommt die Verwendung des Wittenberger Klugschen Gesangbuches von 1543, dem Wilken 30 Lieder entnahm, ferner Melanchthons „Examen Ordinandorum”. Damit entspricht Wilkens Kirchenordnung „der lutherischen beziehungsweise der melanchthonischen Tradition” , so dass diese „nicht mehr als frühes Zeugnis der Entwicklung des reformierten Bekenntnisses in Westfalen" gedeutet werden könne. Wilken selbst hat sich erst im Laufe der Zeit – lange nach 1564 – „einer gemäßigt reformierten Richtung” genähert, endgültig wohl erst mit seiner Verweigerung der Unterschrift unter die Konkordienformel.

Hermann Wilken veröffentlichte 1585 unter dem Pseudonym Augustin Lercheimer von Steinfelden sein Buch gegen die Hexenverfolgungen: Christlich bedencken vnd erjnnerung von Zauberey. Unter den großen Hexentheoretikern sind Johann Georg Gödelmann und Anton Praetorius maßgeblich von Wilken beeinflusst worden.

Literatur

  • Carl BinzWitekind: Hermann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 43, Duncker & Humblot, Leipzig 1898, S. 554–556.
  • Uwe Gryczan: Witekind, Hermann. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 18, Herzberg 2001, ISBN 3-88309-086-7, Sp. 1559–1572.
  • Dieter Stievermann: Lercheimer, Augustin (Pseudonym). In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 4, Herzberg 1992, ISBN 3-88309-038-7, Sp. 1518–1524.
  • A. F. C. Vilmar mit einem Beitrag in der „Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins” von 1868,
  • Uwe Gryczan: Der Melanchthonschüler Hermann Wilken (Witekind) und die Neuenrader Kirchenordnung von 1564 (Beiträge zur Westfälischen Kirchengeschichte 17), Bielefeld (Luther-Verlag) 1999, ISBN 3-7858-0410-5.
  • Dieter Stievermann: „Neuenrader Stadtgeschichte“ 1990
  • Albrecht Wolters in der „Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins” von 1865
  • H. F. Wilhelm Nelle im „Jahrbuch des Vereins für Evangelische Kirchengeschichte der Grafschaft Mark” von 1900

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hermann Witekind — Hermann Wilken, auch Hermann Witekind oder Augustin Lercheimer (Pseudonym) ( * 1522 in Neuenrade; † 7. Februar 1603 in Heidelberg) war ein deutscher Humanist, Schriftsteller (Hexentheoretiker) und Mathematiker. Leben Wilken studierte in Frankfurt …   Deutsch Wikipedia

  • Wilken — ist ein männlicher Vorname und der Familienname folgender Personen: Aud Wilken (* 1965), dänische Sängerin Constanze Wilken (*1968), deutsche Schriftstellerin Etta Wilken (* 1943), deutsche Behindertenpädagogin Folkert Wilken (1890–1981),… …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann [1] — Hermann (männlicher Taufname, der Tapfere). I. Fürsten. A) Cheruskerfürst: 1) (Arminius), Sohn des Cheruskerfürsten Sigimer, geb. 16 v. Chr.; bildete sich (als Geißel) in Rom u. dann im römischen Kriegsdienst aus u. erhielt von Augustus das… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Hans Wilken — Hans (Wilhelm Friedrich) Wilken (* 6. Mai 1929 in Rostock; † 5. September 2006 ebenda) war ein deutscher Frauenarzt. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 2 Würdigung 3 Schriften (Auswahl) …   Deutsch Wikipedia

  • Heinrich Wilken (Schriftsteller) — Heinrich Wilken (* 27. Januar 1835 in Thorn[1]; † 21. Mai 1886 in Berlin) war ein deutscher Lustspielautor, Schauspieler und Theaterdirektor. Von 1869 bis 1878 wirkte Wilken als Gesangskomiker in Berlin. Ab 1883 war er Leiter des Zentral Theaters …   Deutsch Wikipedia

  • Johann Hermann Julius Maekel — Julius Maekel: Flucht nach Ägypten, (1852) Johann Hermann Julius Maekel (* 13. Dezember 1826 in Schüttorf; † 5. Juli 1910 in Schüttorf) war ein deutscher Porträt und Landschaftsmaler. Leben …   Deutsch Wikipedia

  • Augustin Lercheimer — Hermann Wilken, auch Hermann Witekind oder Augustin Lercheimer (Pseudonym) ( * 1522 in Neuenrade; † 7. Februar 1603 in Heidelberg) war ein deutscher Humanist, Schriftsteller (Hexentheoretiker) und Mathematiker. Leben Wilken studierte in Frankfurt …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Wil — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Persönlichkeiten Wittenberg — Hier sind alle Persönlichkeiten der Lutherstadt Wittenberg erfasst, deren Wirken eng mit der Lutherstadt und der Universität Wittenberg verbunden ist. Dies berührt ausschließlich Persönlichkeiten, bei denen der Bezug zu Wittenberg im Lebenslauf… …   Deutsch Wikipedia

  • 7. Feber — Der 7. Februar ist der 38. Tag des Gregorianischen Kalenders, somit bleiben 327 Tage (in Schaltjahren 328 Tage) bis zum Jahresende. Historische Jahrestage Januar · Februar · März 1 2 …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”