- Herr und Knecht
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Herr und Knecht (russisch Хозяин и работник) ist eine Erzählung von Leo Tolstoi, die 1895 in der Zeitschrift Sewerny Westnik (Nördlicher Bote) erschien.
Inhalt
In dieser Kurzgeschichte reisen der wohlhabende Grundstückseigentümer Wassili Andrejewitsch Brechunov mit seinem demütigem und folgsamen Knecht Nikita zusammen bei einem Schneegestöber durch die Steppe. Wassili ist ungeduldig und möchte die Stadt schnell erreichen, um dort vor anderen Interessenten ein Stück Wald zu kaufen. Der Schneesturms hatte bislang immer noch an Heftigkeit zugenommen und es wäre geboten, zu pausieren, doch der Herr will in seinem Geschäftssinn immer weitergehen. So verirren sie sich und drohen, bald an Unterkühlung zu sterben. In diesem beidseitigem Bewusstsein und der daraus resultierenden Gleichheit, werden die Standesunterschiede zunehmend unwichtig.
Nachdem der Herr seinen Bauern verlassen hat, - ein Versuch, sich doch noch zu retten- , kehrt er noch einmal zurück mit der Erkenntnis, die Tolstoi mehrfach thematisiert hat: das einzige und wahre Glück im Leben ist für andere gelebt zu haben. Der Herr legt sich in dem Bewusstsein, sterben zu müssen auf seinen Knecht, um wenigstens ihn durch die kalte Nacht warm zu halten.
„Er begriff, daß sein Ende nahe war, aber das machte ihn nicht im geringsten traurig oder ärgerlich … Nikita lebt, sagte er sich … also lebe auch ich.“
– Reclam Taschenbuch 1987, Seite 82
Wassili findet in dieser Nacht den Tod, Nikitas Leben jedoch konnte auf diese Weise gerettet werden, er verliert nur einige seiner Zehen durch Erfrierung.
Bewertung
Mit dem Titel Herr und Knecht lehnt sich Tolstoi eng an den von Hegel geprägten Begriff Herrschaft und Knechtschaft. Es steht zwar schon wegen seines Umfangs hinter den großen Werken des Dichters, doch kommt auch hier das Anliegen des Dichters zum Ausdruck: Nach seiner 1886 erschienenen Novelle Wieviel Erde braucht der Mensch?, in dem der Protagonist Pachom am Ende ebenfalls zu Tode kommt, beleuchtet Tolstoi hier erneut die Klassenfrage der Besitzenden und Besitzlosen. Im Gegensatz zu Pachom wird Wassili allerdings als moralisch korrekter Mensch beschrieben, der sich zwar nach immer mehr Grundbesitz sehnt, in letzter Instanz aber selbstlos zurücktreten kann, um dem Guten oder Gerechten zu dienen.
Literatur
- Leo Tolstoi: Herr und Knecht. Volkserzählungen. Diogenes, Zürich 1985, ISBN 3-257-21360-3.
- Leo Tolstoi: Herr und Diener. Berlin 1895 (übersetzt von Hermann Roskoschny; Deutsche Erstausgabe).
Werke von Lew TolstoiRomane: Krieg und Frieden | Krieg und Frieden (Urfassung) | Anna Karenina | Auferstehung
Novellen: Eheglück | Die Kosaken | Wieviel Erde braucht der Mensch? | Der Tod des Iwan Iljitsch | Die Kreutzersonate | Der gefälschte Coupon | Hadschi Murat | Familienglück
Autobiografie: Kindheit | Knabenjahre | Jünglingsjahre
Philosophische Schriften: Kritik der dogmatischen Religion | Meine Beichte | Worin mein Glaube besteht | Das Himmelreich in euch | Was ist Kunst? | Gegen die moderne Kunst | Über Erziehung und Bildung | Wovon die Menschen leben
Dramen: Die Macht der Finsternis | Der Teufel | Der lebende Leichnam | Und das Licht erscheint in der Finsternis (unvollendet)
Erzählungen und Kurzgeschichten: Sewastopol | Der Schneesturm | Der Morgen eines Gutsbesitzers | Luzern | Drei Tode | Polikuschka | Ivan der Narr und seine Brüder | Der Leinwandmesser | Die beiden Alten | Volkserzählungen | Russische Bauern | Das Leben | Grausame Vergnügungen | Herr und Knecht | Vater Sergius | Krieg und Revolution | Für alle Tage | Das große Verbrechen
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