Honigpumpe am Arbeitsplatz

Honigpumpe am Arbeitsplatz

Die Honigpumpe am Arbeitsplatz ist eine Installation des Künstlers Joseph Beuys, die erstmals auf der Documenta 6, 1977 im Museumsgebäude Fridericianum in Kassel der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Es handelte sich dabei um eine über mehrere Räume verteilte technische Anordnung, die 150 kg Honig durch ein umlaufendes Schlauchsystem pumpte. Neben der Honigpumpe rotierte eine Kupferwalze in 100 kg Margarine.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau der Installation

Das Werk bestand aus einem Elektromotor, 2 Schiffsmaschinen, einer Kupferwalze, einem Stahlbehälter, einem Zinnrohr, einem Plastikschlauch, 150 kg Honig und 100 kg Margarine.

Im Erdgeschoss des Museums Fridericianum befand sich die mit einem Elektromotor betriebene Pumpe in einem halbkreisförmigen Raum, die den Honig durch ein 173 Meter langes System aus Plastikschläuchen durch das Treppenhaus in das Obergeschoss des Gebäudes transportierte.

Parallel zum Elektromotor waren zwei Schiffsmaschinen im Raum aufgestellt, die durch eine Kupferwelle miteinander verbunden waren. Die Kupferwelle rotierte in der Margarine.

In unmittelbarer Nähe zur Honigpumpe befand sich der Tagungsraum der Free International University (FIU), in dem Beuys ausführlich mit den Menschen diskutierte. Unterhalb der Decke, an der Fensterseite des FIU-Tagungsraums, war durch einige Meter das Plastikschlauchsystem in mehrfachen Windungen über dünne Eisenstangen gerollt und in den zirkulierenden Honigkreislauf integriert.

Dieser halbkreisförmige Raum war für die Besucher nicht zugänglich und konnte nur von oben eingesehen werden.

Hintergrund

1972, auf der Documenta 5, war Beuys mit seinem eingerichteten Büro der „Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung“, in dem eine permanente 100-tägige Diskussion stattfand, vertreten. Am letzten Tag der Documenta, dem 8. Oktober, fand der „Boxkampf für direkte Demokratie durch Volksabstimmung“ statt, bei dem Beuys gegen Abraham David Christian kämpfte.

Fünf Jahre später, im Jahr 1977, präsentierte er dann die „Honigpumpe am Arbeitsplatz“. In einem der documenta-Räume mit permanentem Diskussionsforum, durch den der Schlauch der Honigpumpe und der in ihm ununterbrochen zirkulierende Honig geleitet war, um mit den Besuchern über seinen Erweiterten Kunstbegriff, die Soziale Plastik und eine direkte Demokratie im Rahmen des hundert Tage dauernden Forums der Free International University (FIU) zu diskutieren, die er anlässlich seines Beitrags zur documenta 6 ins Leben rief.

Beuys hatte hierfür alternative Arbeitsgruppen, Wissenschaftler, Künstler, Journalisten, Exilanten und Verfolgte, Vertreter politisch unterdrückter Minderheiten, sowie eine Abordnung des Betriebsrates von Lucas Aerospace zu dieser öffentlichen Konferenz eingeladen, um die Idee einer zu institionalisierenden, permanent tagenden, öffentlichen, internationalen Konferenz über das Schicksal der Menschen entscheidenden Fragen zu diskutieren. [1]

Am Eröffnungstag der Documenta 1977 fand unter anderem eine halbstündige Satellitenübertragung des Hessischen Rundfunks in die USA statt, in der Joseph Beuys seine Idee der sozialen Plastik vortrug.

Rezeption

Mit der Honigpumpe drücke ich das Prinzip der Freien Internationalen Universität aus, im Blutkreislauf der Gesellschaft zu arbeiten. In das Herzorgan - dem stählernen Honigbehälter- hinein und aus ihm heraus fließen die Hauptarterien, durch die der Honig mit einem pulsierenden Ton aus dem Maschinenraum gepumpt wird, durch das Gebiet der Free University zirkuliert und zum Herzen zurückkehrt. Das ganze Gebilde wird erst vervollständigt durch die Menschen im Raum, um den die Honigarterie herumfließt und in welchem der Bienenkopf in den aufgerollten Schlauchwicklungen mit seinen eisernen Fühlern gefunden werden kann. [2]

Die Honigpumpe am Arbeitsplatz, eine Metapher für den menschlichen und gesellschaftlichen Organismus, ist in der Gesamtheit ein Symbol für das Herz-Kreislaufsystem des Menschen:

Die elektrisch betriebene Pumpe ist das Herz. Das Blut ist der Honig, der als zirkulierende Energie in einem Adersystem aus Plexiglasschläuchen aus dem Untergeschoss durch das Treppenhaus des Museums Fridericianum ins lichtdurchflutete Obergeschoss gepumpt wird. Oben und unten sind eine Metapher für den Körper eines Lebewesens, nämlich als Rumpf und Kopf. Der FIU-Tagungsraum bildet somit das Kommunikationssystem, das die Sprache, Diskussion und Dialog ermöglicht.

Materialsprache

Beuys arbeitete überwiegend mit alltäglichen, für die Kunst ungewöhnlichen Gegenständen und Materialien und setzte diese oftmals in poetische und emotional aufgeladene Verbindungen um. Hierbei verwendete er neben traditionellen künstlerischen Materialien wie Holz unter anderem auch Stoffe wie Fett, Filz und Honig und verrottende Materialien.

Der Werkstoff Honig nahm in Beuys’ Werk eine zentrale Rolle ein, und er verwendete ihn mehrfach als Material oder Bezug, so zum Beispiel in den Arbeiten:

  • Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt, eine Aktion, bei der Beuys’ Kopf vollständig mit Blattgold, Goldstaub und Honig bedeckt war
  • „Gib mir Honig“, ein signierter Blecheimer für Honig aus dem Jahr 1979
  • „Aus dem Leben der Bienen“ (1952), eine frühe Zeichnung
  • „Bienenkönigin“ (1956), ein weiteres Frühwerk.

Honig sollte in seiner Symbolik auf die gemeinschaftliche Lebensform der Honigbiene und deren Fähigkeiten zur Staatenbildung hinweisen. Den Honig als ein von Bienen erzeugtes Nahrungsmittel und als naturwissenschaftliches Phänomen sah Beuys als eine Grundlage der Theorie der Sozialen Plastik.

In einem Gespräch, das die „Rheinische Bienenzeitung“ 1975 mit Beuys führte, ging der Künstler auf den Zusammenhang näher ein: Am Bienenorganismus sei dieser durch soziale Tätigkeit entstehende Wärmeprozess abbildbar. Beuys vergleicht ihn mit der Weiterentwicklung im Sinne des Sozialismus, aber nicht als Staat der perfekt funktionieren müsse, sondern im Sinne eines Organismus, der doch perfekt funktionieren muss.

„Dieser Begriff des Wärmehaften verbindet sich auch mit dem Begriff der Brüderlichkeit und des gegenseitigen Zusammenarbeitens, und deswegen haben Sozialisten die Biene genommen als Symbol, weil das im Bienenstock geschieht, die absolute Bereitschaft, sich selbst zurückzustellen und für andere etwas zu tun.” [3]

Literatur und Audio

  • Johannes Stüttgen: Zeitstau. Im Kraftfeld des erweiterten Kunstbegriffs von Joseph Beuys; FIU-Verlag (1998) ISBN 3-928780-22-0
  • Clara Bodenmann-Ritter: Joseph Beuys - Jeder Mensch ein Künstler. Gespräche auf der documenta 5/1972; Ullstein TB, ISBN 3-548-34450-X
  • Harlan/Rappmann/Schata: Soziale Plastik. Materialien zu Joseph Beuys; Achberger Verlag (1984) ISBN 3-88103-012-3
  • Joseph Beuys: Eintritt in ein Lebewesen. Vortrag u. Diskussion am 6. August 1977 in Kassel anlässlich documenta 6, "Honigpumpe am Arbeitsplatz" ISBN 3928780514

Weblinks

Quellen

  1. FIU-Verlag Informationsbroschüre [1]
  2. Freie Übersetzung nach Tisdall (1979), S.254 [2]
  3. Heiner Stachelhaus: Joseph Beuys, Düsseldorf 1991, S. 88

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