Höhenbergsteigen

Höhenbergsteigen

Das Höhenbergsteigen lässt sich gegen das „normale“ Bergsteigen nur schwer abgrenzen. In jedem Fall bedeutet Höhenbergsteigen eine Anpassung der Beteiligten an große Höhe, bezogen auf den verringerten Luftdruck und die Notwendigkeit, trotz großer körperlicher Anstrengungen mit dem verringerten Sauerstoffangebot von großen Höhen (insbesondere ab etwa 7.000 m) so umzugehen, dass die Gefahr von Ödemen, Lungenödem und Hirnödem, gering gehalten werden kann.

Inhaltsverzeichnis

Höhenanpassung

Je größer die Zielhöhe, umso länger ist die Anpassungszeit (Akklimatisation) an die Höhe. Die Anpassungszeit ist auch individuell sehr unterschiedlich und nicht direkt an anderweitige körperliche Fitness gekoppelt: Es gibt unsportliche Personen, die über die natürliche Fähigkeit verfügen, die Konzentration an Erythrozyten (rote Blutkörperchen, die Träger des Sauerstoffs) bis auf das doppelte Maß anzupassen; sie können sich damit länger auch in großen Höhen aufhalten. Bei anderen Personen jedoch steigt die Konzentration auch bei längerer Anpassung nicht so stark – auch wenn sie sehr sportlich und hoch trainiert sind.

Diese Anpassungsleistung lässt sich in gewissen Grenzen sportmedizinisch vorab ermitteln, jedoch zeigt sich die „Wahrheit“ erst vor Ort, beim Bewältigen von Anstrengungen bei verringertem Sauerstoff-Partialdruck in großer Höhe. Besonders wichtig wird dieses Thema bei Expeditions-Reisen, bei denen bergsteigerisch begrenzt erfahrenen Kunden für zumeist viel Geld die Organisation und Logistik sowie das geführte Besteigen höchster Berge angeboten wird. Extrembeispiel hierfür sind die geführten Touren auf den Mount Everest. Zu den besonderen Ausrüstungsgegenständen gehört dabei eine Sauerstoffmaske mit Ventilen und Reglern sowie eine entsprechende Anzahl von Sauerstoff-Flaschen, die zumeist mit Trägern in gestaffelte Höhenlager verbracht werden. Das Besteigen des Mt. Everest ohne zusätzlichen Sauerstoff gelang zwar mittlerweile ca. 100 Menschen, jedoch ist deren physische Befähigung hierfür relativ selten anzutreffen. In aller Regel wird oberhalb von 7.500 m Sauerstoff verwendet, zwischen 1,5 und 2,5 Litern pro Minute, was pro Mensch zwei Flaschen Sauerstoff in 24 Stunden erfordert. Im Bereich des Spitzenbergsteigens wird die Nutzung zusätzlichen Sauerstoffs zumeist als unsportlich angesehen und außer bei medizinischen Notfällen prinzipiell abgelehnt.

Zu jedem Höhenbergsteigen gehört ein genau ausgearbeiteter Plan für die Akklimatisierung. Hierzu gehört das Aufhalten in größerer Höhe zunächst ohne körperliche Anstrengungen. Eine Höhenanpassung ist etwa ab 3.000 Metern Höhe notwendig, wenn man sich dauerhaft in dieser Höhe aufhält. Dabei gilt die Faustregel, nur etwa 300 Meter netto am Tag aufzusteigen. Der zweite Akklimatisationsschritt erfolgt in den Basislagern, die im Himalaya in einer Höhe zwischen 4.500 und 5.500 Metern liegen und einen Aufenthalt über mehrere Wochen ermöglichen. Ausgehend vom Basislager werden einzelne Touren zum Erreichen größerer Höhen unternommen, die der Akklimatisierung dienen – und bei geführten Touren zugleich der Bewertung der Teilnehmer durch ihre Bergführer, inwieweit sie sich den Anforderungen noch größerer Höhen vermutlich gewachsen zeigen werden. Die benötigte Zeit dieser Akklimatisierung beträgt für eine Achttausender-Besteigung oftmals mehr als acht Wochen.

Todeszone

Der härteste Fall ist sicherlich ein geplantes Durchsteigen der sogenannten „Todeszone“. Dieser Begriff wurde von dem Expeditionsarzt der Schweizer Everest-Expedition 1952 geprägt und bezeichnet den Aufenthalt in Höhen oberhalb von 7.000 Metern. Das ist die ungefähre Grenze, oberhalb der auch ein optimal akklimatisierter Mensch, selbst ohne weitere körperliche Anstrengungen, sich nicht mehr regenerieren kann. Ab 7.000 m Höhe wird in den Lungenbläschen der kritische Sauerstoffpartialdruck von 30 bis 35 mmHg (40 bis 47 hPa) unterschritten. Unterhalb dieses Wertes sinkt die Sauerstoffsättigung des Hämoglobins im arteriellen Blut unter einen tolerablen Wert. Der Körper baut unweigerlich, mehr oder minder schnell, so ab, dass ein dauerhafter Aufenthalt unmöglich ist, da man an der Höhenkrankheit sterben würde.[1]

Weitere Risiken

Im Zusammenhang mit den Witterungsbedingungen in größten Höhen (Kälte, hohe Windgeschwindigkeiten, Böen, Wetter-Risiko des plötzlichen Auftauchens von Höhenstürmen) ist klar festzustellen, dass es für den Erfolg solcher Höhen-Expeditionen keine Garantie geben kann – trotz teils gegenteiliger Werbeaussagen.

Zusammen mit den tiefen Temperaturen und dem sich nur wenige Tage im Jahr zufällig öffnenden „Fenster“ verhältnismäßig niedriger Windgeschwindigkeiten und einigermaßen stabiler Wetterverhältnisse, verbunden mit den kräftezehrenden Aufstiegen und der Notwendigkeit zur Mitnahme von zumindest persönlicher Ausrüstung, erschwert durch das Wechseln von Felsgehen und Eisgehen ohne die Möglichkeit zum (sonst üblichen) Wechseln zwischen Steigeisen und dem Gehen ohne Steigeisen, verbunden mit der Gefahr von Fehltritten, Ausrutschern usw., ist das statistische Ergebnis: Kaum eine menschliche Tätigkeit ist mit größerer Lebensgefahr behaftet als der Versuch, einen Achttausender zu besteigen. Das wird unter anderem auch an dem extremen Gewichtsverlust merklich: Ersteiger eines Achttausenders haben am Ende einer mehrwöchigen Expedition mindestens 15 kg, oft aber auch 30 kg abgenommen.

Berge wie der Mount Everest sind gefährliche, dem Zufall preisgegebene Todesfallen. Die hohen Hänge solcher Berge kennen hunderte Tote, die durchaus nicht in der Mehrzahl Menschen waren, die leichtfertig Risiken eingegangen sind, sondern in der überwiegenden Mehrzahl Menschen, die gut vorbereitet und trainiert waren, die aber mit irgendeinem kleinen Detail Pech gehabt hatten: sei es nur ein plötzlich auftretender Wetterumsturz, oder ein zufälliges Ausrüstungsversagen. Auch die Psyche wird hoch belastet, indem man sich klarmachen muss, dass der Anstieg in die Todeszone einem die Begegnung mit Leichen beschert, die niemand mehr aus solchen Höhen bergen kann. Das klare Denken ist stark verlangsamt und beeinträchtigt infolge des Sauerstoffmangels und der Probleme von Dehydratation (zu wenig Wasserzufuhr für den Körper). Bei den anstrengenden Tätigkeiten werden eigentlich ca. sieben Liter tägliche Wasserzufuhr benötigt, aber die Notwendigkeit der technischen Einrichtungen, das Wasser aus Schnee zu schmelzen, die Erschöpfung und die nachlassende Aufmerksamkeit bewirken oft, dass ein bedrohlich werdender Wassermangel nicht wahrgenommen wird.

Die fehlende Versorgung mit ausreichend Sauerstoff, Wasser und Nahrung lässt den Körper sich selektiv selbst zerstören: Wenn dem Körper nicht mehr alles Notwendige zur Versorgung zur Verfügung steht, wird auf „Sparprogramm” geschaltet. Zuletzt wird das Lebenswichtigste, das Gehirn noch versorgt. Zuvor aber zieht sich der Körper aus der Versorgung der Extremitäten zurück; die Zehen und die Finger werden nicht mehr recht durchblutet, die Gefahr von Erfrierungen steigt stark an. Es ist nicht nur von außen kalt − der Körper wird auch außer Stande gesetzt, von innen gegenzuheizen, wenn es an Nahrung, Wasser und Sauerstoff, oder nur an einem hiervon mangelt.

Auch wenn mittlerweile ein Helikopter auf dem Gipfel des Mount Everest gelandet ist, ist es vermessen zu erwarten, man könne sich im Fall auftauchender Probleme per Hubschrauber bergen lassen. Die Bedingungen, unter denen infolge schlechten Wetters Todesgefahren am Berg entstehen, sind die gleichen, die dann einen Einsatz von Hubschraubern in diesen Höhen auch wieder unmöglich machen: starke, böige Winde und Stürme, Sichtbehinderungen über Wolken, Nebel und Schneestürme.

Herausforderungen

Es gibt im Höhenbergsteigen sehr unterschiedliche Herausforderungen. Sehr weit verbreitet ist das Besteigen einer bestimmten Gipfel-Kollektion, an erster Stelle steht dabei die Besteigung aller 14 Achttausender der Welt. Reinhold Messner war 1986 der erste Mensch, der das schaffte, mittlerweile haben dieses Ziel noch weitere 21 Menschen erreicht. Etwas weniger schwierig und gefährlich ist die Besteigung der Seven Summits, der jeweils höchsten Berge jedes Kontinents; dieses Ziel haben bis heute mehrere hundert Menschen erreicht. Um einiges anspruchsvoller als die Seven Summits ist das Ziel, die jeweils zweithöchsten Berge aller Erdteile (Seven Second Summits) zu erklettern, da sie technisch zu weiten Teilen schwieriger und gefährlicher sind als die höchsten Berge.

Als höherwertig gelten außerdem Besteigungen der 14 Achttausender, der Seven Summits und der Seven Second Summits, die in einem möglichst sportlichen Besteigungsstil (z. B. Alpinstil), auf schwierigen oder neuen Routen und im Fall der Achttausender ohne zusätzlichen Sauerstoff absolviert werden. Die meisten Bergsteiger, die eine dieser Gipfellisten vollständig abarbeiten, begehen dabei die Normalrouten, nutzten die Vorteile des Expeditionsstils und an den Achttausendern Flaschensauerstoff. Erstbesteigungen spielen im modernen Höhenbergsteigen keine wesentliche Rolle mehr, da die wenigen noch unbestiegenen Berge zumeist aus religiösen oder militärischen Gründen nicht bestiegen werden dürfen (z. B. Gangkhar Puensum). Erstbegehungen neuer Routen an den Achttausendern und an schwierigen Wänden von Sieben- und Sechstausendern sind dagegen auch heute noch in sehr großer Zahl möglich und stellen höchste Ansprüche an die beteiligten Alpinisten, vor allem wenn sie in einem möglichst leichten und sportlichen Stil erreicht werden. Vier der fünf pakistanischen Achttausender sind bisher noch nie im Winter bestiegen worden, auch dies gilt als extreme Herausforderung, ebenso wie die Begehung schwieriger Routen (oder Neurouten) im Alleingang.

Weitere wichtige Herausforderungen im Höhenbergsteigen sind Speedbesteigungen (sogenanntes „Skyrunning“), vollständige Skiabfahrten, Überschreitungen und Enchaînements, ausgeführt an Achttausendern. Auch dabei ist für die korrekte Bewertung der einzelnen Leistungen die Betrachtung der Route, des Begehungsstils und die Dokumentation der eingesetzten Hilfsmittel entscheidend (Flaschensauerstoff, Fremdhilfe, Fixseile usw.). Beispielsweise wird die Überschreitung eines Achttausenders im Alpinstil zumeist deutlich höher bewertet als eine Speedbesteigung auf der präparierten Normalroute. Heute gibt es eine Vielzahl an Rekorden im Höhenbergsteigen, deren Bedeutung für den Alpinismus zumeist gering ist, sie zielt vor allem auf die Vermarktung der jeweiligen Protagonisten.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Das Everest-Experiment: Bergsteiger als Modell einer Lungenhochdruck-Erkrankung Webseite der Uni Gießen (de.)

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