Immaterielle Monopolrechte/geistiges Eigentum

Immaterielle Monopolrechte/geistiges Eigentum

Unter Geistigem Eigentum (auch intellektuelles Eigentum, engl. intellectual property) werden absolute Rechte an immateriellen Gütern verstanden. Geistiges Eigentum wird daher auch als Immaterialgüterrecht bezeichnet. Inhaber eines solchen Rechts ist z. B. der Anmelder eines Patents oder der Schöpfer eines urheberrechtlichen Werks. Meistens unterliegen diese Rechte Einschränkungen durch Rechte der Allgemeinheit, wie etwa das Zitatrecht für urheberrechtlich geschützte Werke, das Recht zur Erstellung einer Privatkopie, das Recht, Forschung ohne patentrechtliche Einschränkungen betreiben zu dürfen, das Recht von Künstlern auf Parodien oder das Grundrecht sich aus allgemein zugänglichen Quellen frei zu unterrichten.

Die Idee eines geistigen Eigentums entstand erst in der Neuzeit aus naturrechtlichen Wurzeln. Vor allem ab dem 18. Jahrhundert entwickelte sie sich im Zusammenhang mit dem Nachdruck von Büchern als Gegenstand der Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie weiter. Die Bezeichnung Immaterialgüterrecht entstand dagegen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

Diese Rechte und ihre abgeleiteten Rechtsderivate sind in der Regel durch internationale Abkommen geschützt.

Inhaltsverzeichnis

Begriff des „geistigen Eigentums“

Der Begriff des „geistigen Eigentums“ wurde vielfach – auch in der juristischen Literatur – kritisiert. Die Naturrechts- bzw. Eigentumstheorie ist nur eine von vielen Begründungen zur Gewährung von Immaterialgüterrechten, die vor allem beim Urheberrecht und – historisch überholt – beim Patentrecht angewendet wird. Anhänger anderer Theorien halten die Bezeichnung daher für verfehlt; sie stelle eine fehlerhafte Analogie zum Sacheigentum her. Stattdessen wird häufig der von Josef Kohler 1907 geprägte Begriff „Immaterialgüterrecht“ verwendet. Der vielleicht wichtigste Verfechter einer Theorie des geistigen Eigentums war der im letzten Drittel des 19. Jhdts. wirkende Oberbergrat Rudolf Klostermann.

Von einigen Kritikern des Immaterialgüterschutzes wird der Begriff daher als ideologisch besetzt (Kampfbegriff) kritisiert,[1] weshalb von ihnen die Bezeichnungen „immaterielle Güter“, „immaterielle Monopolrechte“ oder auch „geistige Monopolrechte“ eingeführt wurden. Diese Begriffe wiederum seien, so die Befürworter des Begriffs „geistiges Eigentum“, propagandistisch abwertend und stellten zu Unrecht eine Beziehung zu Monopolen her.

Trotz gewisser Mängel scheint sich der naturrechtliche Begriff des geistigen Eigentums gegenüber anderen Begriffen durchzusetzen. Dies ist auch auf die Arbeit der WIPO und ähnlicher Organisationen zurückzuführen. Zunehmend folgt die Benennung von Organisationen der neuen Begrifflichkeit, wie beim Max-Planck-Institut für geistiges Eigentum und Steuerrecht (zuvor: „für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht“) erkennbar wird. Der aktuelle Trend bei der Begrifflichkeit geht also eher weg von einer Verwendung des zu schützenden Guts und hin zur Verwendung der umgesetzten Systematik zur aktuell gewählten bzw. gültigen Schutzmethodik.

Arten

Übersicht

Folgende sehr unterschiedliche und miteinander konkurrierende Rechte werden unter dem Begriff „geistiges Eigentum“ zusammengefasst:

Mit dem Begriff „Schutzrechte“ werden üblicherweise die oben genannten Rechte mit Ausnahme der Geschäftsgeheimnisse und dem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz zusammengefasst. Die „gewerblichen Schutzrechte“ sind die Schutzrechte außer Urheberrecht, Recht am eigenen Bild und Namensrecht, weil diese Rechte im Ursprung privater bzw. persönlicher Natur sind.

Das geistige Eigentum wird teils mit dem Lauterkeitsrecht und dem Kartellrecht zusammengefasst. Das so entstandene Gebiet wird als Grüner Bereich (nach der Fachzeitschrift GRUR, die einen grünen Einband hat) oder Wettbewerbsrecht i. w. S. bezeichnet.

Geistiges Eigentum und Sacheigentum

Das geistige Eigentum ist nicht mit dem sachenrechtlichen Eigentum gleichzusetzen.

Gemeinsamkeiten

  • Die im Sachenrecht geltenden Grundsätze finden auch im Immaterialgüterrecht Anwendung:
    • geistiges Eigentum und Sacheigentum gewähren ein absolutes Recht, das es dem Inhaber erlaubt den Immaterialgut zu nutzen und jeden Dritten von der Nutzung dieses Gegenstands auszuschließen.
    • es können nur solche Rechte erworben werden, welche der Gesetzgeber geschaffen hat (Typenzwang), etwa Patentrecht oder Gebrauchsmuster, Urheberrecht oder Geschmacksmuster, Markenrecht. Gegenstand (welche Immaterialgüter sind schutzfähig) und Inhalt des Rechts sind durch den Gesetzgeber vorgegeben. Davon abweichende Rechte können vertraglich nicht vereinbart werden;
    • das Trennungs- und Abstraktionsprinzip ist auch im Recht des geistigen Eigentums zu beachten (umstritten für das Urheberrecht, z. B. dagegen: Schricker, § 31, Rn. 2);
    • die vermögensrechtliche Zuordnung knüpft an ein nach außen offenkundiges Ereignis an, etwa durch die Eintragung in ein öffentliches Register (Offenkundigkeits- oder Publizitätsprinzip). Das Urheberrecht entsteht allerdings bereits mit der Schöpfung des Werkes und nicht erst mit der Aufführung oder Veröffentlichung.
    • der Gegenstand, an dem das Immateriagüterrecht besteht, muss hinreichend bestimmt sein (Bestimmtheitsgrundsatz)
  • Sacheigentum kann in der Regel vollständig vom Rechteinhaber auf eine andere Person übertragen werden (abgeleiteter oder derivativer Rechtserwerb) und es können einzelne Befugnisse zur Nutzung eingeräumt werden (ursprünglicher oder originärer Rechtserwerb). Dies gilt grundsätzlich auch für geistiges Eigentum. Eine Ausnahme stellt jedoch das Urheberrecht in Deutschland dar, welches von einem Rechtsvorgänger nur im Wege des Erbrechts erworben werden kann.
  • Die Nutzung geistigen Eigentums und Sacheigentums kann gesetzlich beschränkt werden, z. B. durch rechtliche Schranken zugunsten Dritter oder der Allgemeinheit. Dabei können auch zwangsweise Nutzungsrechte eingeräumt werden (z. B. Notwegerecht, Zwangslizenzen im Patentrecht).

Unterschiede

  • Soweit geistiges Eigentum in einem Persönlichkeitsrecht (droit moral) besteht ist es im Gegensatz zum Sacheigentum in der Regel nicht auf eine andere Person übertragbar (z. B. Urheberpersönlichkeitsrecht, s. §§ 12 ff., 29 UrhG, oder Erfinderpersönlichkeitsrecht, s. §§ 37, 63 PatG).
  • Immaterialgüter sind ubiquitär (allgegenwärtig). Dadurch kann ein Immaterialgut verschiedenen Rechtsordnungen gleichzeitig unterliegen. Daher müssen geistige Eigentumsrechte gegebenenfalls in mehreren Ländern angemeldet werden (soweit Anmeldung erforderlich). Das Sacheigentum unterliegt dagegen nur dem Recht des Ortes, an dem sich die Sache belegen ist.
  • Immaterialgüter können nicht-rivalisierend, von beliebig vielen Personen gleichzeitig, genutzt werden. Erst durch die Zuweisung von Monopolrechten wird eine künstliche Knappheit erzeugt, während die Ausschließlichkeit der Nutzung bei körperlichen Gegenständen ständig und untrennbar durch ihrer Natur bewirkt wird.
  • Der strafrechtliche Schutz des geistigen Eigentums erfolgt durch die jeweiligen Schutzgesetze. Die Vorschriften der Eigentumsdelikte (Diebstahl, Raub usw.) von Sachen finden hingegen im Immaterialgüterrecht keine Anwendung.
  • Es gibt einen großen Anteil Immaterialgüter, denen die Rechtsordnung kein Immaterialgüterrecht zuweist. Dies sind z. B. im Urheberrecht gemeinfreie Werke, zum Beispiel einzelne Worte oder Akkorde (geringe Schöpfungshöhe), oder Werke, deren Schutzdauer abgelaufen ist (Aufhebung der Schutzrechte, Freigabe). Dagegen sind herrenlose Sachen die Ausnahme.
  • Herrenlose Sachen können wieder Gegenstand des Eigentums werden. Gemeinfreie Werke und die Nutzung abgelaufener Patente bleiben dagegen auf Dauer frei.
  • Geistiges Eigentum ist zeitlich begrenzt und die Einschränkungen bei den zugeordneten Rechten sind erheblich umfangreicher und weitgehender als beim Sacheigentum. Sacheigentum dagegen bleibt bis zum Untergang der Sache bestehen.
  • Da die Nutzung von Immaterialgütern nur selten den Besitz eines Werkexemplars voraussetzt, kann, im Vergleich zum Sachgut, sehr viel leichter auf das Immaterialgut durch jedermann zugegriffen werden. Der Schutz von Rechten, die am Immaterialgut bestehen, stellt daher andere Anforderungen als der Schutz von Rechten am Sacheigentum.
  • Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Arten von Immaterialgütern. Dadurch ist es möglich, dass ein Immaterialgut unter verschiedenen Gesichtspunkten mehreren unterschiedlichen Immaterialgüterrechten zugleich unterliegt (z. B. kann ein Logo durch das Urheberrecht und das Markenrecht geschützt sein). Zusätzlich besteht sehr häufig noch ein Eigentumsrecht an der Verkörperung. Der Inhaber des Sacheigentums ist regelmäßig ein anderer als der Inhaber des Immaterialgüterrechts. Eine nicht-triviale Komplexität in den möglichen Rechtsansprüchen ist somit eher die Regel als die Ausnahme. Diese Vielfalt erfordert weiterhin die Ausgestaltung durch ähnlich vielfältige, unterschiedliche, gesetzliche Regelungen.

Lizenzen

Immaterialgüterrechte werden häufig lizenziert. Es können einfache Lizenzen oder ausschließliche Lizenzen durch den Rechtsinhaber erteilt werden. Die einfache Lizenz räumt dem Lizenznehmer nur das Recht ein das Immaterialgüterrecht zu nutzen. Die ausschließliche Lizenz gibt dem Linzenznehmer noch die Möglichkeit anderen die Nutzung zu untersagen. Rechtlich wird die einfache Lizenz überwiegend als eine Form der Rechtspacht angesehen. Die ausschließliche Lizenz wird als eine dingliche Übertragung eines Verwertungsrechts auf den Lizenznehmer eingestuft. Von der ausschließlichen Lizenz wird noch die Alleinlizenz unterschieden, welche dem Lizenznehmer für ein bestimmten Gebiet eine alleinige Lizenz einräumt, im übrigen aber dem Lizenzgeber ein Nutzungsrecht erhält.

Geschichte

Zur ausführlichen Geschichte der einzelnen Arten siehe dort.

Antike und Mittelalter

In der Antike sowie im Mittelalter gab es nur ansatzweise ein Recht am geistigen Eigentum. Es gab jedoch in einzelnen frühen Kulturen zeitlich und räumlich begrenzte Nutzungsrechte, beispielsweise an Rezepten oder an Zunftgeheimnissen. Sofern keine Verbote bestanden, war eine Nachahmung erlaubt. Vor der Erfindung des Buchdruckes durfte ein Buch beispielsweise abgeschrieben werden. Die Bearbeitung eines Stoffes durch viele verschiedene Künstler und Autoren war der Normalfall, ebenso die Übernahme oder Veränderung von Liedern und Musikstücken durch andere Musiker.

Vor Erfindung des Buchdruckes erfolgte die Belohnung des Schöpfers nicht durch einen Verkauf von Werken, sondern durch Belohnungen, die ohne Rechtspflicht erfolgten. Die Kunstschaffenden hatten meist eine gehobene gesellschaftliche Stellung inne, wurden von einem Mäzen (oft einem Landesfürsten) gefördert, oder waren in Klöstern oder Zünften organisiert und somit wirtschaftlich abgesichert. Allerdings waren schon damals Plagiate verpönt und Autoren fürchteten die Entstellung ihrer Werke bei der Vervielfältigung durch Abschreiben. Wenn ein Autor keine Veränderung seines Textes wollte, behalf er sich mit einem Bücherfluch – so wünschte Eike von Repgow, der Verfasser des Sachsenspiegels, jedem den Aussatz auf den Hals, der sein Werk verfälschte.

Hier berührt sich die rechtsgeschichtliche mit einer geistesgeschichtlichen Beobachtung: auch die Zitierpraxis war in jenen Zeiten eine wesentlich andere, weniger strenge, als heute. Der Rang eines Künstlers bemaß sich mehr nach seinen handwerklichen Fertigkeiten als nach der Originalität seiner Schöpfungen.

Privilegienwesen und frühe Gesetze

Bereits im späten Mittelalter, etwa ab dem 14. Jh., wurden Privilegien von den jeweiligen Herrschern, zum Teil auch von freien Reichsstädten erteilt, die es alleine dem Begünstigten erlaubten, ein bestimmtes Verfahren einzusetzen. Diese wurden durch eine öffentliche Urkunde (litterae patentes, lat. offener Brief) erteilt. Ein Beispiel ist die Reise in die Niederlande von Albrecht Dürer zum Schutz seiner Kupferstiche durch Kaiser Karl V.

Oft bestand der Zweck des Privilegs jedoch weniger im Ausschluss anderer, sondern in der Befreiung von Zunftregeln oder anderen Vorschriften. Als erste gesetzliche Regelung führte Venedig bereits 1474 ein Patentgesetz ein, nach dem ein Erfinder durch die Anmeldung bei einer Behörde einen zeitlich begrenzten Schutz gegen Nachahmung erhalten konnte.

Auch beim Aufkommen des Buchdrucks im 15. Jahrhundert standen zunächst Privilegien auf die technische Vervielfältigung, die oft eine erhebliche Investition erforderte, im Vordergrund (Druckerprivilegien). Diese wurden oft nur für bestimmte Werke erteilt, was dem Souverän gleichzeitig eine Möglichkeit zur Zensur gab. Erst im 16. Jahrhundert kamen parallel hierzu Autorenprivilegien auf, meistens erwarb jedoch der Verleger durch den Kauf des Manuskripts und der Zustimmung des Urhebers zur Erstveröffentlichung ein ewiges Nachdruckrecht. Auch das erste Urhebergesetz, die britische Statute of Anne (1710) orientierte sich hauptsächlich am Schutz des Verlegers.

Naturrecht und geistiges Eigentum

Im späten 18. Jahrhundert entwickelten naturrechtliche Philosophen (u. a. John Locke, Immanuel Kant, Johann Gottlieb Fichte) die Idee des geistigen Eigentums als ein natürliches, angeborenes, und unveräußerliches Recht. Dabei wurde erstmals deutlich zwischen dem Sacheigentum an Verkörperungen des Werkes, etwa an Handschriften, Büchern, Vorrichtungen und dem Recht an Immaterialgütern, also am Werk, an der Erfindung getrennt. Dem naturrechtlichen Standpunkt entsprechend sollte das Urheberrecht ewig andauern. Die in der Folge entstandenen Urhebergesetze sahen jedoch eine Schutzfrist für eine gewisse Zeit nach dem Tod des Autors (post mortem auctoris) vor.

Internationale Vereinheitlichung

Die unbefriedigende rechtliche Zersplitterung durch die jeweils nur territoriale Geltung der Gesetze zum Schutz geistiger Eigentumsrechte führte zu ersten Vereinheitlichungen durch internationale Abkommen. So wurde 1883 die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) geschlossen, 1886 folgte die (danach mehrfach revidierte) Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst ((R)BÜ). Als Dachorganisation wurde 1967 die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) gegründet.

Eine Sonderstellung nimmt die 1957 gegründete Europäische Gemeinschaft ein, die durch Verordnungen und Richtlinien auf Harmonisierungen hinwirkt. Die einheitliche Auslegung wird dabei durch den EuGH gesichert. Außerdem können beim 1994 durch die Verordnung Nr. 40/94 gegründete Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) Gemeinschaftsmarken und Gemeinschaftsmuster, die im gesamten Gebiet der EU gelten, angemeldet werden.

Geistiges Eigentum als Ware

Es gibt Unternehmen, die nur ihr Geistiges Eigentum (engl.: Intellectual Property) als Wirtschaftsgut vermarkten. Solche Unternehmen stellen keine Waren im eigentlichen Sinne her (Fabless), sondern - im weitesten Sinne - Baupläne und lizenzieren sie an Hersteller-Unternehmen. Einige Beispiele:

Im Patentbereich werden Patentinhaber, welche nicht selbst forschen oder Waren herstellen (en:non practicing entities), gelegentlich als Patent-Troll bezeichnet. Aus wettbewerblicher Sicht wird deren Machtausübung überwiegend abgelehnt[2]

Kritik

Die menschliche Zivilisation hat sich durch Sprache, Kommunikation, Zugang zu Kulturgütern und Austausch von Wissens entwickelt. Sowohl technische Erfindungen als auch Kunstwerken, Mode, Architektur, Design, Musik oder Literatur, befinden sich stets im Wandel, und bauen dabei stets auf vorherige Innovationen auf. Neue Werke sind fast immer Weiterentwicklungen, Verbindungen oder Verfeinerungen älterer Ideen.

Kritiker des Schutzes von geistigem Eigentum behaupten, dass es mit Monopolen auf Wissen vergleichbar sei und eine schädliche und prohibitive Wirkung auf Wirtschaft und Gesellschaft entfalten könne. Es ist umstritten, ob und inwieweit der Schutz geistigen Eigentums den Urhebern, z. B. Erfindern und Künstlern, zugute komme. Umstritten ist auch, wann und bei welcher rechtlichen Ausgestaltung der Schutz geistigen Eigentums der Gesellschaft nutzt. Somit ist eine Abwägung von Interessen von Rechteinhabern und Rechtenutzern, z. B. Verbrauchern oder Verlagen notwendig. Ein Beispiel sind die Rechte von pharmazeutischen Unternehmen an Medikamenten gegen HIV, welche in armen Ländern für den größten Teil der Bevölkerung unbezahlbar sind.

Es wird oft kritisiert, dass Rechteverwerter und Lobbyisten für geistiges Eigentum kaum zu Kompromissen und Zugeständnissen bereit seien, sondern die gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen weiter verschärfen wollen.

Kritiker schlagen vor, die Möglichkeit inklusiven Gebrauchs möglichst weit auszunutzen – oder alternative Entlohnung der Urheber und Erfinder einzuführen. Diese Entlohnung könne durch einen öffentlichen Träger, ein Pauschalvergütungssystem (Kulturflatrate) oder über eine Vergütungspflicht (statt eines Nutzungsverbots) oder auf freiwilliger Grundlage erfolgen.

Die wohl schärfste Kritik des „Geistigen Eigentums“ wurde von Eben Moglen in seinem Text dotCommunist Manifesto formuliert. Er argumentiert, dass etwas, das ohne Mehrkosten allen nützlich sein könne, doch niemanden vorenthalten werden dürfe:

„Die Gesellschaft sieht sich mit der schlichten Tatsache konfrontiert, dass der Ausschluss vom Besitz schöner und nutzbringender intellektueller Erzeugnisse – und von dem Wert all dieser Wissenszuwächse für die Menschen – nicht länger der Moral entspricht, wenn jedermann sie zu den gleichen Kosten wie jede Einzelperson besitzen kann. Hätte Rom die Macht gehabt, jedermann zu ernähren, ohne dass daraus weitere Kosten als die entstanden wären, die für Cäsars eigene Tafel zu zahlen waren, hätte man Cäsar mit Gewalt verjagt, wenn noch irgend jemand hätte verhungern müssen. Das bürgerliche System des Eigentums verlangt jedoch, Wissen und Kultur nach Maßgabe der Zahlungsfähigkeit zu rationieren.“

Eben Moglen: dotCommunist Manifesto

Zumeist richtet sich Kritik jedoch nicht gegen geistiges Eigentum an sich. Kritisiert werden:

Strittige Einzelaspekte

Englischsprachiger Cartoon von der Hauptseite der Pirate Bay, der das Urheberrecht kritisiert.
  • Dauer von Schutzfristen, welche die Notwendigkeiten ökonomischer Anreizsetzung überschreiten und deutlich über typischen gewerblichen Amortisationsfristen liegen
  • Weiterbestehen der Nutzungsverbote für andere, auch wenn der geistige Eigentümer selbst keine Nutzung mehr betreibt
  • Umfang und Aufwand legislativer und exekutiver Staatstätigkeit zur Sicherung geistigen Eigentums, womit Etatismus begünstigt werde
  • Hemmung und Benachteiligung der Wirtschaftstätigkeit kleinerer und mittlerer Unternehmen durch Rechtsrisiken
  • Erschwerte Möglichkeit für kleinere und mittlere Unternehmen an gegenseitigen Lizenzvereinbarungen größerer Unternehmen teilzunehmen
  • Verrechtlichung der Gesellschaft und Anwachsen von Rechtsstreitigkeiten im Fall der Ausweitung von Immaterialgüterrechten
  • Im Urheberrecht: Privatkopie und technische Kopierschutz-Maßnahmen
  • Im Patentrecht: Schutz biotechnischer Erfindungen, Software sowie die Standardisierung patentierter Verfahren. Weiter kritisiert wird, dass der Patentschutz auch dann besteht, wenn der Rechtsinhaber ein Patent innehat, dieses aber nicht nutzt. Ein solches Verhalten dient insbesondere der ungestörten Weiterverwertung bestehender Produkte und Abschottung gegen den Geschäftsbereich des eigenen Unternehmens bedrohende Produkte und ist somit kontraproduktiv zum ursprünglichen Sinn und Zweck der Patentgesetze als Innovations-Förderungsmaßnahme. Ebenso wird die Freiheit des Wettbewerbs damit eingeschränkt.
  • Im Markenrecht: Reichweite der Verwechslungsgefahr
  • Die vielerorts nur nationale bzw. regionale Geltung der Erschöpfung, die Grauimporte verbietet
  • Die Unterbindung von freiem Wettbewerb z. B. im Softwaremarkt durch Schutz für Trivialpatente
  • Überforderung von Gerichten und anwachsende Zufälligkeiten in der Rechtsprechungspraxis durch die zunehmende Komplexität des Immaterialgüterrechts
  • Die Einschränkung von Individualrechten und Datenschutz bei der Verfolgung von mutmaßlichen Verstößen gegen Immaterialgüterrechte
  • Durchsetzung und häufiger Missbrauch durch Abmahnungen gegenüber Privatpersonen bis hin zu damit verbundenen Einschränkungen der Meinungsfreiheit
  • Allgemein das Verhältnis einzelner Eigentumsrechte zu fremden Eigentumsrechten oder sonstigen Grundrechten Dritter im Rahmen der Sozialbindung[3].

In einigen Fällen, wie im Fall der freien Software, bedienen sich Kritiker zur Sicherung der Allgemeinverfügbarkeit freier Software selbst Formen geistigen Eigentums, was wiederum von Firmen wie Microsoft und SAP als „Kommunismus“ kritisiert wurde.

Globalisierung

Globalisierungskritiker bringen vor, geistiges Eigentum nütze einseitig Industriestaaten und sei ein Mittel, Entwicklungs- und Schwellenländer auszubeuten bzw. übe eine unfaire, entwicklungshemmende Wirkung aus. Gerade diese Länder jedoch setzen in neuerer Zeit immer mehr Gesetze zum geistigen Eigentum um, teils, da sie darin Vorteile für ihre eigene Wirtschaft sehen, teils aufgrund wirtschaftlicher Zwänge und wegen internationalen politischen Druck, z. B. über die WTO.

Dieser Druck wird teils auch durch fremdenrechtliche Reziprokitätsklauseln ausgeübt. Das bedeutet, Angehörige eines fremden Staats erhalten nur insoweit Schutz, als ihr Herkunftsland den eigenen Bürgern Schutz gewährt. Reziprozitätsklauseln wirken wie eine protektionistische Handelsbeschränkung (Inländer können den Vertrieb ausländischer Produkte unterbinden, ohne dass Ausländer ähnlichen Schutz erhalten), solange der andere Staat kein ähnliches Gesetz erlässt. Abhilfe schaffen hierbei bi- und multilaterale Abkommen (wie TRIPS), die stattdessen Mindestschutzniveaus und das Meistbegünstigungsprinzip vorsehen.

Die meisten Übereinkommen enthalten außerdem meist nur Mindestschutzniveaus, aber keine Höchstschutzniveaus oder Regeln über Schranken. Die Vereinheitlichung nutzt damit vor allem den Rechtsinhabern, aber nicht Dritten oder der Allgemeinheit, die sich nicht auf ein „Mindestfreiheitsniveau“ verlassen können. Dies ist vor allem bei Veröffentlichungen im Internet problematisch, da ein Rechtsinhaber hier leicht „forum shopping“ betreiben und sich die restriktivste Auslegung aussuchen kann.

Bei der Harmonisierung setzt sich darüber hinaus meist das weitest gehende Recht durch, z. B. im Urheberrecht eine Schutzdauer von 70 Jahren nach dem Tod des Autors. Nimmt man an, dass der Umfang des Schutzes im internationalen Mittel einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Inhaber des Schutzrechts und der Allgemeinheit darstellt, so verschiebt sich dieser zugunsten des Inhabers.

Geistiges Eigentum ohne Rechtswirkung

Der Begriff geistiges Eigentum ist ein politischer Begriff, weil materielle Vorteile von den Implikationen des Begriffs geistiges Eigentum abhängen. Im praktischen Recht spielt er keine Rolle. Da werden die von ihm zusammengefassten Einzelrechte verhandelt. Der Begriff existiert also vornehmlich im internationalen Recht mit politischer Agenda.

Unabhängig von seiner Rechtswirkung hat der Begriff aber eine Bedeutung in der Theorie, so lange Kreativität und Erfindung analysiert werden. Der Prioritätenstreit zwischen Newton und Leibniz über die Erfindung der Infinitesimalrechnung bezog sich nicht auf Patentrecht und materielle Nutzung, sondern auf den Anspruch der Originalität.

Rechtsquellen

Internationale Verträge

Urheberrecht und verwandte Schutzrechte

Gewerblicher Rechtsschutz

Regionales Recht

Europäische Patentorganisation (EPO)

Eurasische Patentorganisation (EAPO)

  • Eurasisches Patentübereinkommen (EAPÜ)

Europäische Gemeinschaft (EG)

  • Richtlinie 87/54/EWG über den Rechtsschutz der Topografien von Halbleitererzeugnissen
  • Richtlinie 89/104/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Markenrichtlinie)
  • Richtlinie 91/250/EWG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen
  • Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (Biotechnologierichtlinie)
  • Richtlinie 98/71/EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen
  • Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft
  • Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum

Deutschland

Oberste Rechtsgrundlage ist Grundgesetz Art 14. Spezifische Bestimmungen von Inhalt und Schranken der exklusiven wirtschaftlichen Verfügungs- und Verwertungsrechte und den zuständigen gesetzlichen Richter bestimmen:

Siehe auch

Nachweise

  1. Richard Stallman: Did You Say "Intellectual Property”? It’s a Seductive Mirage
  2. D. P. Majoras (FTC): „A Government Perspective on IP and Antitrust law“ Vortrag 04.07.2006 am Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb e.V. - FIW mwN.
  3. siehe BVerfGE 50, 290 "Mitbestimmung der Arbeitnehmer" 1 BvR 532/77 OS 4: "Je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht, seine Nutzung und Verfügung also nicht lediglich innerhalb der Sphäre des Eigentümers bleiben, sondern Belange anderer Rechtsgenossen berühren, die auf die Nutzung des Eigentumsobjektes angewiesen sind, um so weiter geht die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhaltsbestimmung und Schrankenbestimmung." mwN

Literatur

  • Florian Mächtel, Ralf Uhrich, Achim Förster (Hrsg.): Geistiges Eigentum. Vorschriftensammlung zum gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht. Tübingen: Mohr Siebeck 2008, ISBN 978-3-16-149801-5 (Inhaltsverzeichnis)
  • Matthias Pierson, Thomas Ahrens und Karsten Fischer: Recht des geistigen Eigentums. Verlag Vahlen, 2007, ISBN 978-3-8006-3428-6
  • Artur Wandtke, Winfried Bullinger: Praxiskommentar zum Urheberrecht. Verlag C. H. Beck, 2006, 2. Auflage ISBN 978-3-406-53423-2
  • Jan Hachenberger: Intellektuelles Eigentum im Zeitalter von Digitalisierung und Internet. Eine ökonomische Analyse von Missbrauchskalkülen und Schutzstrategien. DUV Verlag, 2003, ISBN 3-8244-7765-3
  • Ansgar Ohly: Geistiges Eigentum? in: Juristenzeitung (JZ). Mohr Siebeck, Tübingen 2003, S. 545 - 554 ISSN 0022-6882
  • Marcus von Welser, Alexander González: Marken- und Produktpiraterie, Strategien und Lösungsansätze zu ihrer Bekämpfung. 2007, Wiley-VCH, ISBN 3-527-50239-4
  • Cyrill P. Rigamonti: Geistiges Eigentum als Begriff und Theorie des Urheberrechts. Nomos, Baden-Baden 2001, ISBN 3-7890-7534-5
  • Wissen und Eigentum: Geschichte, Recht und Ökonomie stoffloser Güter, Schriftenreihe 522, Hg. Jeanette Hofmann, Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung, 2006, ISBN 3-89331-682-5, 354 Seiten. Ebenso als PDF erhältlich.
  • Sabine Nuss: Copyright & Copyriot: Aneigungskonflikte um geistiges Eigentum im informationellen Kapitalismus. Westfälisches Dampfboot, 2006, ISBN 978-3-89691-647-1
  • André Gorz: Wissen, Wert und Kapital. Zur Kritik der Wissensökonomie.. Rotpunktverlag, 2004, ISBN 3-85869-282-4
  • Frank Schmiedchen und Christoph Spennemann: Nutzen und Grenzen geistiger Eigentumsrechte in einer globalisierten Wissensgesellschaft: Das Beispiel öffentliche Gesundheit (www.vdw-ev.de, 2007)
  • Otto Depenheuer, Karl-Nikolaus Peifer (Hrsg.): Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel?, 2008, VIII, 224 S. 8 Abb., Geb.,ISBN 978-3-540-77749-6
  • Carla Hesse: The rise of intellectual property, 700 B.C.– A.D.2000: an idea in the balance. In: Daedalus, Spring 2002, S. 26–45 (PDF, 741 KB).
  • Hannes Siegrist: Geschichte des geistigen Eigentums und der Urheberrechte: kulturelle Handlungsrechte in der Moderne. In: Wissen und Eigentum, Bonn: BpB, Bundeszentrale für Politische Bildung 2006, S. 64 - 80.
  • Zeitschrift für Geistiges Eigentum

Weblinks

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