- Industrialisierung der Stadt Weingarten
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Die Industrialisierung der Stadt Weingarten (Weingarten (Württemberg)) erfolgte von 1805 bis 1945.
Ausschlaggebend für die Industrialisierung war hierbei der Fortschritt der Technik für Wasserkraft. Dank der Scherzach , die durch Weingarten fließt und dem Stillen Bach konnte die Wasserkraft gut genutzt werden. Ab 1966 wurde wegen Wassermangels der Scherzach im Sommer einen Dampfmaschine als Ersatz zur Waserkraft eingesetzt.
Inhaltsverzeichnis
Bevölkerungsentwicklung
Die Bevölkerungsentwicklung in Weingarten war ein wichtiger Faktor zur Industrialisierung der Stadt Weingarten. Seit 1806 stieg die Zahl der Einwohner von etwa 2.000 bis heute auf rund 25.000.
Jahr Einwohnerzahlen 1233 10 1823 2.234 1843 3.116 1849 3.267 1855 3.011 1861 3.038 1. Dezember 1871 ¹ 4.128 1. Dezember 1880 ¹ 5.232 1. Dezember 1900 ¹ 6.678 1. Dezember 1910 ¹ 8.077 16. Juni 1925 ¹ 7.299 16. Juni 1933 ¹ 8.385 Jahr Einwohnerzahlen 17. Mai 1939 ¹ 10.381 13. September 1950 ¹ 11.858 6. Juni 1961 ¹ 14.783 27. Mai 1970 ¹ 17.831 31. Dezember 1973 20.566 31. Dezember 1980 21.991 27. Mai 1987 [1] 20.918 31. Dezember 1990 22.987 31. Dezember 1995 23.366 31. Dezember 2000 23.604 30. September 2005 23.643
In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts kam es zunächst nur zu einer mäßigen Zunahme der Einwohner. Dies mag damit zusammenhängen, dass nach der Säkularisation der Benediktinerabtei Weingarten (1803) und dem Besitzwechsel des einstigen vorderösterreichischen Marktfleckens Altdorf an das Königreich Württemberg (1806), der mit der Auflösung der Landvogtei verbunden war, sich in Altdorf-Weingarten ehemalige Mittelpunktsfunktionen kaum halten bzw. neu entwickeln konnten. Das Gemeinwesen geriet immer mehr in den Schatten der aufstrebenden nahen Oberamtsstadt Ravensburg.In den 1830er und 1840er Jahren war allerdings eine deutliche Bevölkerungszunahme zu registrieren, die neben einer Erhöhung der mittleren Lebenserwartung auf die hohen Geburtenraten zurückzuführen ist. Diese Aufwärtsentwicklung wurde in der Jahrhundertmitte unterbrochen. Ursache war eine allgemeine Teuerung, ausgelöst durch eine damals europaweit auftretende Kartoffelkrankheit (1851/52), die selbst im oberschwäbischen Bauernland zu einer Auswanderungswelle führte. Gegen Ende der 1860er Jahre stieg die Bevölkerung wieder deutlich an, eine Tendenz, die sich bis zum Ersten Weltkrieg fortsetzte. Die Hauptimpulse für dieses überdurchschnittliche Wachstum waren die Stadterhebung (1865), die beginnende Industrialisierung (z.B. Gründung der Maschinenfabrik Weingarten 1866) sowie die Einrichtung einer Garnison (seit 1868).
Standortfaktor Wasserkraft
Mit dem Mühlbach (Stiller Bach) und der Scherzach besaß Weingarten ein beachtliches Energiepotential, das von alters her durch zahlreiche Mühlen und Triebwerke intensiv genutzt wurde und in der Frühphase der Industrialisierung einer der wichtigsten Ressourcen für die Gewerbe- und Industrieentwicklung des Ortes darstellte.
Durch die Wasserkraft entstand Weingartens ältestes noch heute bestehendes Sägewerk "Habisreutinger". Es begann mit dem Erwerb einer Mühle bzw. eines Wasserrechts. Der einstige Klostersäger Franz Josef Habisreutinger konnte nach Aufhebung der Reichsabtei 1803 die Obere Säge als Pächter übernehmen. 1822 ging der Betrieb in das Eigentum der Familie über. Eine 40-PS-Turbine wurde 1892 im Rahmen einer Betriebserneuerung durch das Wasserrad ersetzt. Der Betrieb stieß jedoch bald an seine Grenzen, weil die Wasserkraft nicht mehr ausreichte. Eine Leistungssteigerung war nur möglich, wenn zusätzlich Wasserrechte erworben werden konnten. Nach langwierigen Verhandlungen gelang es dem Unternehmen, durch den Bau einer Druckwasserleitung zwischen Mahlweiher und Sägerei (1910) die Turbinenleistung auf 150 PS zu erhöhen. Diese Leistung reichte bis 1960, erst dann wurde ein Dampfkraftwerk mit 300 PS errichtet.
Ein weiteres noch heute bestehendes Unternehmen ist die Schellinger Mühle. 1879 erwarb Josef Schellinger die kleine Getreidemühle und baute sie zu einer leistungsfähigen Kunstmühle aus. In den vergangenen Jahrzehnten wurde der Betrieb mehrfach erweitert und zählt heute zu den großen Getreidemühlen und Kraftfutterwerken Baden-Württembergs.
Eine weitere Firma, deren Produkte jahrzehntelang mit dem Namen Weingarten eng verbunden waren und die ihre Wurzeln auch auf einen einstigen Mühlenstandort zurückführen konnte, war die Hefefabrik. 1885 kaufte Eberhard Riedlinger eine alte Ölmühle am unteren Mühlbach und begann bald darauf mit der Herstellung von Getreidepresshefe und Fruchtbranntwein. Nach mancherlei Umbauten und Besitzwechsel erlebte das Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg eine beachtlichen Aufschwung, konnte aber angesichts der starken Konkurrenz in der Lebensmittelbranche auf Dauer nicht überleben. Ende der 1970er Jahre wurde die Hefefabrik geschlossen und im Zuge der Stadtsanierung 1982 abgerissen.
Die eigentliche Industrialisierung
Im Jahre 1866 begann im Lauratal die eigentliche Industrialisierung Weingartens. Dort baute man die Flachs-, Hanf– und Abwergspinnerei Weingarten. Diese Firma war lange Zeit der größte Betrieb im Ort. Sie wurde damals unter modernsten Produktionsgesichtspunkten geplant und mit englischen Maschinen ausgestattet, darunter die erste Dampfmaschine Weingartens. Diese wurde dazu benutzt, den sommerlichen Wassermangel der Scherzach auszugleichen. Von dieser Möglichkeit, eine Dampfmaschine als Energiereserve einzusetzen, machten in den folgenden Jahren eine größere Zahl von Betrieben Gebrauch, wie die folgende Tabelle verdeutlicht:
Firma Gewerbe Jahr Spinnerei AG - 1866 Alois Wahl Färberei 1866 C.F Autenrieth Holzmanufaktur 1867 Ris und Reiser Papierfabrik 1869 Heinrich Schatz Machinenwerkstatt 1869 Johann B. Rupp Strumpfwirkerei 1870 Georg Bildstein Maschinenfabrik 1879 August Konzett Mühle 1883 E. Riedlinger Hefefabrik 1885 Joseph Jakob Gerberei 1894 Köpff Brauerei 1895 Konzett Grieselmühle 1903 B. Jordan Holzmanufaktur 1905 Schiele Bad Schoeneck 1907 Thomas Sontheimer Treibriemen 1911 VersorgungsKrankenhaus - 1922 Hummler Seifenfabrik 1926 Milchversorgung - 1934 Weingarten und das Schienennetz
Ein Problem für Weingarten während der Industrialisierung war die fehlende Anbindung an das Schienennetz. Zahlreiche Güter mussten nach Ravensburg oder Niederbiegen gebracht und von dort geholt werden. Erst mit dem Bau der Lokalbahn Ravensburg-Weingarten in den Jahren 1887/88 konnte diese Problemtik ausgeglichen werden. Eine Verbesserung der mangelhaften Transportmöglichkeit, die sich vor allem für die expandierende Maschinenfabrik als großer Standortnachteil erwies, brachte die Bahnstrecke Weingarten-Niederbiegen, die am 1. Oktober 1911 eingeweiht wurde. Damals erhielt neben der Maschinenfabrik auch das kleine Industriegebiet an der Ettishoferstraße einen Gleisanschluss.
Literatur
- Werner Heinz: Altdorf-Weingarten 1805–1945. Industrialisierung, Arbeitswelt und politische Kultur. Eppe, Bergatreute 1990, ISBN 3-89089-018-0
Einzelnachweise
- ↑ Volkszählungsergebnis
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