Ingrier

Ingrier

Die Ischoren oder Ingrier (Eigenbez.: Ingry, Inkeriot, Isurit) gehören zu den Finno-Ugriern. Sie leben in den Rajonen Lomonosow und Kingisepp in der Oblast Leningrad, der historischen Landschaft Ingermanland, sowie Estland. Die Bevölkerungszahl lag 1989 bei 820. Nur ein 36,8 % beherrschte noch die Ischorische Sprache. Sie gehört zur nördlichen Gruppe der ostseefinnischen Sprachen. Literatursprache ist Russisch. Die Ischoren sind orthodoxe Christen.

Es kommt vor, dass der Begriff Ingrier fälschlicherweise für die lutherischen Finnen im Ingermanland verwendet wird. Dies sind jedoch Ingermanländer.

Geschichte

Die Ischoren sind um 1100 aus Südkarelien nach Ingermanland (in etwa das heutige Gebiet Leningrad um St. Petersburg) eingewandert, wo sie zunächst im Bereich des Newazuflusses Ischora (Iskera) siedelten und einheimische Finno-Ugrier, insbesondere Teile der Woten, integrierten. Sie bildeten einen Teil der tschudischen (finnischsprachigen) Bevölkerung des Nowgoroder Fürstentums bzw. der mittelalterlichen Republik Nowgorod. 1228 wurden die Ischoren (Ischora) als Gebiet und Volksstamm in russischen Chroniken erwähnt. Mit der Unterwerfung Nowgorods durch Iwan III. Ende des 15. Jahrhunderts kamen sie unter die unmittelbare Herrschaft Moskaus. Im frühen 16. Jahrhundert waren die nach umstrittenen Schätzungen etwa 70.000 Ischoren bereits zum christlichen Glauben in seiner orthodoxen Variante bekehrt. Mehr als ein Jahrhundert lang, bis zum Ende des Großen Nordischen Krieges 1721, war das Land der Ischoren schwedisch. Die protestantischen Finnen stellten am Ende dieses Zeitraums die Bevölkerungsmehrheit im Gebiet. Nach der russischen (Rück-)Eroberung setzte sich der Prozess der friedlichen Russifizierung der Ischoren fort, der auch viele Aspekte der Kultur einschloss. 1897 gab es noch 21.700 Ischoren, bis 1926 war ihr Zahl sogar auf 26.137 gewachsen.

Nach der Oktoberrevolution 1917 in Russland wurde zunächst eine Schriftsprache für die Ischoren geschaffen und etwa 20 Bücher erschienen bis zur Mitte der 1930er Jahre. Dann wurde die Schriftsprache wieder abgeschafft und die neu entstandenen Schulen geschlossen. Der 2. Weltkrieg stellte einen schwerwiegenden Einschnitt dar. Nach Finnland geflohene oder evakuierte Ischoren mussten ausgeliefert werden und wurden bis 1956 deportiert. Seit dieser Zeit hat äußerer Druck offenbar zur Aufgabe ischorischer Identität durch die Mehrheit der ursprünglich ischorischen Bevölkerung geführt. 1959 wurde ihre Zahl nur noch mit 1.026 angegeben. 2005 wurden im Umland von St. Petersburg wieder 59.742 Ischoren gezählt. Davon sprechen noch etwa 8.000 die Ischorische Sprache.


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