Finnen

Finnen
Finnische Familie im Jahre 1901

Die ethnischen Finnen (finn. suomalaiset) sind ein finno-ugrisches Volk, dessen hauptsächliches Siedlungsgebiet in Finnland liegt. Die überwiegende Mehrheit der Finnen spricht die finnische Sprache, die zur finno-ugrischen Sprachfamilie gehört.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Die genaue Definition von „ethnischer Finne“ kann variieren, insbesondere was die Frage betrifft, inwieweit die schwedischsprachigen Bevölkerungsteile Finnlands, die sogenannten Finnlandschweden, den ethnischen Finnen zuzurechnen sind. Die Finnlandschweden selbst betrachten sich normalerweise nicht als ethnische Minderheit, sondern sehen sich als „schwedischsprachige Finnen“ und ihre Kultur als integralen Bestandteil der finnischen Kultur.[1] Das finnische Statistikamt klassifiziert die Bevölkerung Finnlands nach Staatsbürgerschaft, Geburtsland und Muttersprache, aber nicht nach ethnischer Zugehörigkeit.[2] Im Jahr 2007 waren 91,2 % der Einwohner finnisch- und 5,5 % schwedischsprachig.[3] Manche ausländische Statistiken behandeln die Finnlandschweden als eine von den Finnen separate Ethnie. Beispielsweise gibt der Fischer Weltalmanach an, dass 92,4 % der Bevölkerung Finnlands Finnen und 5,6 % Finnlandschweden sind.[4] Das CIA World Factbook spricht sogar von 93,4 % Finnen und 5,6 % Schweden (nicht Finnlandschweden).[5]

Auch die genaue Abgrenzung zu anderen Finnougriern ist oft eine Definitionsfrage. So gibt es in Schweden, Russland (Karelien), und Norwegen alteingesessene finnischstämmige Minderheiten (siehe unten), die manchmal als Finnen, manchmal als eigene Volksgruppen angesehen werden. Des Weiteren sind durch Auswanderung in den letzten 200 Jahren auch in Kanada und in den USA, hier vor allem im Nordwesten des heutigen Bundesstaates Michigan, nennenswerte finnische bzw. finnischstämmige Bevölkerungsgruppen entstanden. Insgesamt schätzt man die Zahl der ethnischen Finnen weltweit auf über 6,5 Millionen.

Geschichte

Hauptartikel: Geschichte Finnlands

Man geht heute davon aus, dass die Vorfahren der heutigen Finnen in vorgeschichtlicher Zeit aus Osten nach Finnland kamen und sich dort ab dem zweiten Jahrtausend v. Chr. allmählich in Samen und Finnen auseinanderentwickelten.[6] Eine Beschreibung des römischen Geschichtsschreibers Tacitus spricht vom Volk der Fenni. Im 12. Jahrhundert wurde Finnland Ziel eines Kreuzzugs des schwedischen Königs Erik IX. Die Finnen kamen unter schwedische Herrschaft und wurden erst Katholiken, später Lutheraner. Während der schwedischen Herrschaft entstand der schwedischsprachige Bevölkerungsteil Finnlands. 1809 wurde Finnland als autonomes Großfürstentum Finnland dem russischen Reich angeschlossen. 1835 veröffentlichte der Arzt Elias Lönnrot erstmals das von ihm gesammelte finnische Nationalepos Kalevala, das maßgeblich zum Aufleben des finnischen Nationalgefühls beitrug. 1917 erklärte sich Finnland für unabhängig.

Finnen außerhalb Finnlands

Tornedalen (Schweden)

Vor allem in der Provinz Norrbotten Schwedens lebt die finnische Minderheit der Tornedalen (Tornedalianer), benannt nach der gleichnamigen Region. Im Gegensatz zu den finnischen Immigranten der neueren Zeit, die Schwedenfinnen genannt werden, sind die Tornedalen alteingessesene Einwohner. Diese Gruppe wurde aufgrund von Grenzziehungen zwischen Russland und Schweden im 19. Jahrhundert zu einer kleinen Minderheit in Schweden. Ihre Sprache ist eine Form des Finnischen, die einige ältere dialektale Züge beibehalten hat und sich durch eine hohe Anzahl schwedischer Lehnwörter auszeichnet (siehe Meänkieli). Um die Jahrhundertwende 2000 wurden die Tornedalen, ebenso wie die Samen, Roma, Sinti, Juden und Schweden-Finnen als Minderheit in Schweden und als geschützte Volksgruppe mit kultureller Autonomie anerkannt. Im Laufe des 20. Jahrhunderts hat eine starke Assimilation stattgefunden; heute sind die Einwohner so gut wie ausnahmslos zweisprachig oder - besonders in den jüngeren Generationen - nur mehr einsprachig schwedisch. Die Anzahl der Sprecher des Meänkieli (Tornedalfinnischen) schwankt je nach Zählweise (aktive, passive Sprachbeherrschung, …) zwischen 30.000 und 70.000 Menschen.

Kvenen (Norwegen)

Die etwa 10.000 Kvenen (Kvener) in Norwegen sind nach einer Definition des schwedischen Forschers Kenneth Hyltenstam „alle Menschen finnischer Sprache und mit finnischem Kulturhintergrund, die vor 1945 in Norwegen eingewandert sind, sowie deren Nachfahren, unter der Voraussetzung, dass der genannte Hintergrund von den betreffenden Personen für relevant erachtet wird“.[7] Die Kvenen siedelten im Mittelalter in den nördlichen Küstenstrichen des Bottnischen Meerbusens und lebten von der Jagd und dem Nahrungserwerb in der Wildnis, trieben Handel mit den Samen und anderen umliegenden Völkern und betrieben auch Ackerbau und Viehzucht.[8] Sie wanderten überwiegend im 18. und 19. Jahrhundert nach Nordnorwegen ein. Die Volksgruppe hat heute den Status einer anerkannten Minderheit, und Kvenisch ist seit 2005 als eigenständige Sprache in Norwegen anerkannt.

Waldfinnen (Schweden und Norwegen)

In Ostnorwegen (vor allem im Finnskogen) und in Mittelschweden lebt die Gruppe der finnischstämmigen Waldfinnen, die im 16. Jahrhundert eingewandert sind. In Norwegen haben die Waldfinnen den Status einer anerkannten Minderheit. Sie sind jedoch heute großteils assimiliert und sprechen fast nicht mehr finnisch.

Finnen in Russland

Etwa 67.000 Finnen lebten noch 1989 als Minderheit in der damaligen Sowjetunion, hauptsächlich im Gebiet von Sankt Petersburg und in der Republik Karelien (hier 2,3 % der Bevölkerung). 34,5 % sprachen noch Finnisch.

Seit fast 2.000 Jahren sind die Finnen in Karelien ansässig, wo sie seit dem Mittelalter unter schwedischer und russischer Herrschaft lebten. Das südwestliche Karelien und Ost-Salla waren bis 1940, Petschenga bis 1944 Teil Finnlands.

Die Finnen um Sankt Petersburg sind Nachkommen von Einwanderern, die nach 1618 bis zum Ende des Großen Nordischen Krieges 1721 diese Gebiete besiedelten, während das Ingermanland eine schwedische Provinz war. Die protestantischen Finnen (Ingermanländer, Eigenbezeichnung: Inkeriläinen) stellten am Ende dieses Zeitraums dort die Bevölkerungsmehrheit. Nach der russischen (Rück-)Eroberung wurden die Finnen allmählich wieder zur Minderheit. Aufgrund ihrer eigenen Konfession mit Finnisch als Sprache im Gottesdienst und seit dem 19. Jahrhundert mit eigenen Schulen und Zeitungen, war ihre kulturellen Identität jedoch nicht bedroht. Nach der Oktoberrevolution 1917 in Russland erklärte die lutherische Kirche ihre Selbständigkeit. In den 1930er Jahren setzten starke Repressionen ein. Die Kirche wurde zerschlagen, die Schulen geschlossen. 50.000 sowjetische Finnen wurden noch vor dem Zweiten Weltkrieg deportiert beziehungsweise zwangsumgesiedelt. Weitere umfassende Deportationen folgten nach dem Krieg. Nach Finnland geflohene Ingermanländer mussten an die Sowjetunion ausgeliefert werden. Nachdem es im alten Siedlungsgebiet kaum noch Finnen gab, durften einige nach 1956 zurückkehren. Die größte Gruppe siedelte jedoch in der heutigen Republik Karelien, wo die finnische Sprache gepflegt werden durfte. Bis 2002 sind etwa 30.000 Russland-Finnen nach Finnland eingewandert. Die Ende der 1980er Jahre wiederentstandene lutherische Kirche hat erheblichen Einfluss erlangt und missioniert heute erfolgreich auch unter Russen.

Es kommt vor, dass der Begriff Ingrier (der eigentlich für die Ischoren steht) mitunter für die Finnen im Ingermanland verwendet wird.

Verwandte Themen

Einzelnachweise

  1. Zitat von der Website der Schwedischen Volkspartei: The Swedish speaking Finns generally don't label themselves as an ethnic minority. With regards to identity, the Swedish speaking element is usually considered as an integral part of Finnish culture, although expressed in another language than Finnish. http://www.sfp.fi/eng/swedish_speaking_fin/, Zugangsdatum 17. Mai 2008
  2. Vgl. Kuka on ulkomaalainen? Finnisches Statistikamt, Zugangsdatum 17. Mai 2008
  3. The Population of Finland in 2007 Finnisches Statistikamt, Zugangsdatum 17. Mai 2008
  4. Fischer Weltalmanach 2008, ISBN 978-3-596-72008-8
  5. CIA World Factbook: Finland (englisch), Zugangsdatum 17. Mai 2008
  6. Hansen S. 146 f.
  7. Kenneth Hyltenstam, Kvenskans status. Rapport för Kommunal- og regionaldepartementet och Kultur- og kirkedepartementet i Norge Stockholm 2003, S. 2
  8. Hansen S. 163.

Literatur

  • Lars Ivar Hansen und Bjørnar Olsen: Samens Historie fram til 1750. Oslo 2004.
  • Rudolf A. Mark: Die Völker der ehemaligen Sowjetunion, Verlag für Sozialwissenschaften, 1992, ISBN 3531120751
  • Manfred Scheuch: Atlas zur Zeitgeschichte. Europa im 20. Jahrhundert, Bechtermünz Verlag, 2002, ISBN 3828904033

Weblinks


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