Interparlamentarische Union

Interparlamentarische Union
Interparlamentarische Union in Genf (Schweiz) 2010

Die Interparlamentarische Union (IPU, gegründet als „Interparlamentarische Union für internationale Schiedsgerichtsbarkeit“, frz.: Union interparlementaire, kurz UIP) ist eine 1889 gegründete internationale Vereinigung von Parlamenten, mit dem Ziel der Sicherung des Friedens, der Förderung des Demokratieverständnisses in allen Teilen der Welt und der Wahrung der Menschenrechte. Sie wurde von William Randal Cremer aus Großbritannien und Frédéric Passy aus Frankreich ins Leben gerufen. In der IPU sind aktuell 147[1] Parlamente souveräner Staaten vertreten. Der Sitz des Sekretariats ist in Genf. Finanziert wird die Union ausschließlich durch die Beiträge der Mitgliedsparlamente. Präsident der IPU ist seit 2008 der Namibier Theo-Ben Gurirab.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Sitzung der 25. Konferenz der Interparlamentarischen Union im Deutschen Reichstag 1928

Die erste Idee zur Gründung einer Friedensorganisation von Parlamentariern hatte der Franzose Frédéric Passy in den 1870er und 1880er Jahren. Er war zeit seines Lebens engagierter Pazifist und seit 1881 Mitglied des französischen Parlaments. Passy entwickelte die Idee der Verhinderung von Kriegen und Konflikten durch eine internationale, staatliche Schiedsgerichtsbarkeit. Nationen sollten sich statt der Anwendung von Waffengewalt einer neutralen Instanz unterwerfen. 1888 lernten sich Passy und der britische Gewerkschafter William Randal Cremer in Paris kennen, der eine friedenssichernde britisch-amerikanische Koalition unter Einbeziehung Frankreichs herstellen wollte. Nachdem im Juni der US-amerikanische Senat diesem Vertrag zustimmte, nahmen Passy und Cremer Kontakt zu verschiedenen europäischen Parlamenten auf.

Ein Jahr später kam es auf deren Initiative zur Gründung der „Interparlamentarischen Union für internationale Schiedsgerichtsbarkeit“ in Paris als Versammlung von Abgeordneten aus den Parlamenten zunächst europäischer Staaten. Ein weiteres Mitglied bei der Gründungskonferenz am 29. und 30. Juni 1889 war der schweizer Jurist Élie Ducommun.

Die zweite Konferenz fand 1890 in London statt. Auf dieser erhielt die Union erstmals einen repräsentativen Charakter: 111 Abgeordnete vertraten 11 europäische Staaten, über 1000 weitere Parlamentarier hatten Zustimmungserklärungen geschrieben.

Auf der 3. Konferenz am 13. November 1891 in Rom wurde das „Internationale Ständige Friedensbüro“ (frz.: Bureau International Permanent de la Paix) mit Sitz in Bern eingerichtet, dessen erster Vorsitzender Ducommun bis zu seinem Tod 1906 wurde. Die Aufgabe des Büros war vor allem die Koordinierung der vielfältigen Aktionen nationaler, teilweise rivalisierender Friedensorganisationen. Ducommun bekam für diese ehrenamtliche Arbeit als „Geschäftsführer des Friedens“ 1902 den Friedensnobelpreis.

1892 wurde auf der Folgekonferenz in Bern - organisiert von Charles Gobat - das Zentralbüro der Union ins Leben gerufen, an deren Spitze Charles Gobat gestellt wurde.

Den ersten Erfolg konnte die Union mit dem wesentlichen Beitrag zur Einberufung der Ersten Haager Friedenskonferenz 1899 leisten. In der Folgezeit wurden auf Anregung und Vermittlung viele zwischenstaatliche Schiedsverträge abgeschlossen.

1905 wurde der Name auf „Interparlamentarische Union“ verkürzt.

Ab 1920 hat das Sekretariat der Union seinen ständigen Sitz in Genf. Zuvor wechselte der Sitz von Bern (1892-1911) nach Brüssel (1911-1914) und nach Oslo (1914-1920).

Arbeitsweise

Die Interparlamentarische Union tagt in der Regel zweimal jährlich (Interparlamentarische Konferenz), auf denen sich die Delegationen der Parlamente austauschen. In erster Linie werden in diesem Plenum der Parlamentarier politische, wirtschaftliche und soziale Fragen von internationalem Interesse erörtert und gegebenenfalls themenbezogene Entschließungen erarbeitet. Auf die nationalen Parlamente haben diese Entschließungen aber keine direkten Auswirkungen oder Verpflichtungen.

Die Gesamtzahl der Delegierten variiert, denn es können maximal acht Vertreter aus Ländern mit weniger als 100 Millionen Einwohnern und maximal zehn aus Ländern mit mehr als 100 Millionen Einwohnern von den Parlamenten bestimmt werden.

Zusätzlich werden Sonderkonferenzen veranstaltet, die in erster Linie Fragen aus den Bereichen Abrüstung sowie Natur und Umwelt betreffen.

Mit der Planung und Durchführung der Konferenzen betraut ist der Interparlamentarische Rat, dem jeweils zwei Parlamentarier jedes Mitgliedslandes angehören. Aus seiner Mitte wird ein Präsident mit einer Amtszeit von drei Jahren gewählt. Präsident ist derzeit Theo-Ben Gurirab, Sprecher der Nationalversammlung von Namibia.[2]

Eine Schlüsselstellung bei der Vorbereitung der Tagesordnung und bei der Einrichtung neuer Ausschüsse hat der Exekutivausschuss. Ihm gehören neben dem Präsidenten des Interparlamentarischen Rates zwölf weitere Mitglieder an. Seine Aufgabe ist die Unterstützung des Rates.

Die inhaltliche Arbeit wird übernommen von den Ausschüssen, die mindestens zweimal im Jahr tagen. Aktuell gibt es vier Ausschüsse: „Ausschuss für politische Fragen, internationale Sicherheit und Abrüstung“, „Ausschuss für Parlaments- und Rechtsangelegenheiten sowie Menschenrechtsfragen“, „Ausschuss für wirtschaftliche und soziale Fragen“, „Ausschuss für Erziehung, Wissenschaft, Kultur und Umwelt“.

Bisherige und geplante Konferenzen

65. Interparlamentarische Konferenz in Bonn: deutsche Briefmarke von 1978
# Stadt Land Zeitraum
1. Paris Frankreich 29./30. 6. 1889
2. London Großbritannien 1890
3. Rom Italien 1891
4. Bern Schweiz 1892
5. Den Haag Niederlande 1894
6. Brüssel Belgien 1895
7. Budapest Ungarn 1896
8. Brüssel Belgien 1897
9. Kristiania Norwegen 1899
10. Paris Frankreich 1900
11. Wien Österreich 1903
12. Saint Louis USA 1904
13. Brüssel Belgien 1905
14. London Großbritannien 1906
15. Berlin Deutschland 1908
16. Brüssel Belgien 1910
17. Genf Schweiz 1912
18. Den Haag Niederlande 1913
19. Stockholm Schweden 1921
20. Wien Österreich 1922
21. Kopenhagen Dänemark 1923
22. Bern Schweiz 1924
23. Washington/Ottawa USA/Kanada 1925
24. Paris Frankreich 1927
25. Berlin Deutschland 1928
26. London Großbritannien 1930
27. Bukarest Rumänien 1931
28. Genf Schweiz 1932
29. Madrid Spanien 1933
30. Istanbul Türkei 1934
31. Brüssel Belgien 1935
32. Budapest Ungarn 1936
33. Paris Frankreich 1937
34. Den Haag Niederlande 1938
35. Oslo Norwegen 1939
36. Kairo Ägypten 1947
37. Rom Italien 1948
38. Stockholm Schweden 1949
39. Dublin Irland 1950
40. Istanbul Türkei 1951
41. Bern Schweiz 1952
42. Washington USA 1953
43. Wien Österreich 1954
44. Helsinki Finnland 1955
45. Bangkok Thailand 1956
46. London Großbritannien 1957
47. Rio de Janeiro Brasilien 1958
48. Warschau Polen 1959
49. Tokio Japan 1960
50. Brüssel Belgien 1961
51. Brasília Brasilien 1962
52. Belgrad Jugoslawien 1963
53. Kopenhagen Dänemark 1964
54. Ottawa Kanada 1965
55. Teheran Iran 1966
56. Lima Peru 1968
57. Neu-Delhi Indien 1969
58. Den Haag Niederlande 1970
59. Paris Frankreich 1971
60. Rom Italien 1972
61. Tokio Japan 1974
62. London Großbritannien 1975
63. Madrid Spanien 1976
64. Sofia Bulgarien 1977
65. Bonn BRD 1978
66. Caracas Venezuela 1979
67. Ost-Berlin DDR 1980
68. Havanna Kuba 1981
69. Rom Italien 1982
70. Seoul Südkorea 1983
71. Genf Schweiz 1984
72. Genf Schweiz 1984
73. Lomé Togo 1985
74. Ottawa Kanada 1985
75. Mexiko-Stadt Mexiko 1986
76. Buenos Aires Argentinien 1986
77. Managua Nicaragua 1987
78. Bangkok Thailand 1987
79. Guatemala-Stadt Guatemala 1988
80. Sofia Bulgarien 1988
81. Budapest Ungarn 1989
82. London Großbritannien 1989
83. Nikosia Zypern 1990
84. Punta del Este Uruguay 1990
85. Pjöngjang Nordkorea 1991
86. Santiago de Chile Chile 7. - 12. 10. 1991
87. Yaoundé Kamerun 6. - 11. 4. 1992
88. Stockholm Schweden 7. - 12. 9. 1992
89. Neu-Delhi Indien 12. - 17. 4. 1993
90. Canberra Australien 13. - 18. 9. 1993
91. Paris Frankreich 21. - 26. 3. 1994
92. Kopenhagen Dänemark 12. - 17. 9. 1994
93. Madrid Spanien 27. 3. - 1. 4. 1995
94. Bukarest Rumänien 9. - 14. 10. 1995
95. Istanbul Türkei 5. - 19. 4. 1996
96. Peking China 16. - 20. 9. 1996
97. Seoul Südkorea 10. - 14. 4. 1997
98. Kairo Ägypten 11. - 15. 9. 1997
99. Windhuk Namibia 6. - 10. 4. 1998
100. Moskau Russland 7. - 11. 9. 1998
101. Brüssel Belgien 11. - 15. 4. 1999
102. Berlin Deutschland 10. - 15. 10. 1999
103. Amman Jordanien 30. 4. - 5. 5. 2000
104. Jakarta Indonesien 15. - 21. 10. 2000
105. Havanna Kuba 1. - 6. 4. 2001
106. Ouagadougou Burkina Faso 9. - 14. 9. 2001
107. Marrakesch Marokko 17. - 22. 3. 2002
108. Santiago de Chile Chile 6. - 11. 4. 2003
109. Genf Schweiz 1. - 3. 10. 2003
110. Mexiko-Stadt Mexiko 18. - 23. 4. 2004
111. Genf Schweiz 28. 9. - 1. 10. 2004
112. Manila Philippinen 3. - 8. 4. 2005
113. Genf Schweiz 17. - 19. 10. 2005
114. Nairobi Kenia 7. - 12. 5. 2006
115. Genf Schweiz 16. - 18. 10. 2006
116. Nusa Dua Indonesien 29. 4. - 4. 5. 2007
117. Genf Schweiz 8. - 10. 10. 2007
118. Kapstadt Südafrika 13. - 18. 4. 2008
119. Genf Schweiz 13. - 15. 10. 2008
120. Addis Ababa Äthiopien 5. - 10. 4. 2009
121. Genf Schweiz 18. - 21. 10. 2009
122. Bangkok Thailand 27.3. - 1. 4. 2010
123. Genf Schweiz 4. - 6. 10. 2010
124. Panama-Stadt Panama 15. - 24. 4. 2011
125. Bern Schweiz 16. - 19. 10. 2011
126. Kampala Uganda 31.3 - 5. 4. 2012
127. Quebec City Kanada 21. - 26. 10. 2012
128. Quito Ecuador

Weblinks

Referenzen

  1. Mitgliederzahl: http://www.ipu.org/english/membshp.htm
  2. http://www.ipu.org/strct-e/presdnt.htm

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