- Inzuchtkoeffizient
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Der Inzuchtkoeffizient (abgekürzt IK, oft auch COI von engl. Coefficient of Inbreeding) gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass an einem Locus beide Allele vom selben Vorfahr stammen. Im Gegensatz zum Ahnenverlustkoeffizienten misst er immer die wahre Inzucht eines Individuums.
Inhaltsverzeichnis
Berechnung
Exakte Methode nach Wright
Inzuchtkoeffizienten können auf mehrere Arten berechnet werden. Die exakte - allerdings auch recht zeitaufwendige - Methode ist die Formel nach Wright:
n1 = Anzahl der Generationen vom Vater zum gemeinsamen Ahnen
n2 = Anzahl der Generationen von der Mutter zum gemeinsamen Ahnen
= Inzuchtkoeffizient des gemeinsamen AhnenBerechnung über Isonomiekoeffizienten
Da die Formel nach Wright die Inzuchtkoeffizienten der einzelnen Ahnen mit einbezieht, wird für die Berechnung nach Wright je nach Anzahl Generationen schnell eine sehr hohe Rechenleistung nötig. Für eine weniger aufwendige Berechnung existiert daher folgende Näherungsformel:
mit
IK = Isonomiekoeffizient (Näherung des Inzuchtkoeffizienten)
n1= Generationen zwischen Vater und gemeinsamen Ahnen
n2= Generationen zwischen Mutter und gemeinsamen AhnenDas wird für jeden mehrfach auftretenden Vorfahren berechnet und dann summiert. Dabei werden Ahnen nur dann mehrmals eingerechnet, wenn sie über andere Ahnen einfließen; die Eltern eines mehrfachen Vorfahren werden also nicht eingerechnet, da diese bereits mit dem Vorfahren eingehen. Der Inzuchtkoeffizient der einzelnen Ahnen wird nicht berücksichtigt, wodurch der erhaltene Näherungswert eher zu niedrig wird.
Andere Methoden
Weitere Berechnungsmethoden, die besonders für sehr große Populationen (über 100'000 Individuen) geeignet sind, sind die Inzuchtberechnung nach Quaas, die Inzuchtberechnung nach Meuwissen und die Inzuchtberechnung nach van Raden. Ihr Vorteil gegenüber der Methode nach Wright liegt in der wesentlich schnelleren Berechnung guter Näherungen des Inzuchtkoeffizienten auch bei sehr großem Datenumfang.
Schätzverfahren
Der Inzuchtkoeffizient beträgt in guter Näherung die Hälfte des Verwandtschaftskoeffizienten der beiden Eltern.
Für Bevölkerungen, Berufsgruppen usw. ist auch die Bildung eines Mittelwertes über alle Angehörigen der Bevölkerung bzw. Teilbevölkerung möglich und sinnvoll. Um den Koeffizienten berechnen zu können, muss der Grad der Blutsverwandtschaft der Ahnen bekannt sein. Dadurch sind Aussagen stets nur in einer bestimmten zeitlichen Tiefe möglich, denn bald werden alle Berechnungen durch fehlende Ahnen zu Schätzungen mit einem mehr oder weniger großen statistischen Fehler.
Eine sinnvolle und einfache Möglichkeit, den Inzuchtkoeffizienten für menschliche Populationen oder für Einzelpersonen oder Personengruppen zu schätzen, ergibt sich aus der Verwendung der Familiennamenhäufigkeiten der Vorfahren, d. h. aus der Wahrscheinlichkeit der Isonymie.
Praktische Anwendungen
In der Tierzucht existieren für viele Spezies und Rassen Daten, die eine Korrelation zwischen Inzuchtkoeffizient und Leistungsverlust aufzeigen (z.B. Milchleistung, Fruchtbarkeit, Preisgelder etc); dies wird Inzuchtdepression genannt. In diesen Fällen wird daher darauf geachtet, in der Zucht den Inzuchtkoeffizienten möglichst niedrig zu halten.
Andererseits kann Inzucht auf einen Vorfahren mit guter Leistung auch zu einer Erhöhung dieser Leistung in seinen Nachkommen führen, welche den negativen Einfluss der Inzuchtdepression überwiegt. In solchen Fällen muss die ideale Balance zwischen Leistungssteigerung durch Inzucht und Inzuchtdepression gefunden werden.
In Populationen, die einem vollständigen Purging unterliegen, existiert kein Zusammenhang zwischen Inzuchtkoeffizient und Inzuchtdepression mehr.
Beispiele für Inzuchtkoeffizienten
Unter der Voraussetzung, dass die Vorfahren selbst nicht ingezüchtet sind, ergeben sich bei verschiedenen Inzuchtszenarien folgende Inzuchtkoeffizienten:
Verpaarung Verwandtschaftskoeffizient der Eltern Inzuchtkoeffizient des Nachwuchses Vater X Tochter bzw. Sohn X Mutter 50 % 25 % Bruder X Schwester 50 % 25 % Großvater X Enkelin bzw. Enkel X Großmutter 25 % 12.5 % Halbbruder X Halbschwester 25 % 12.5 % Onkel X Nichte bzw. Neffe X Tante 25 % 12.5 % Cousin X Cousine 12.5 % 6.25 % Literatur
Allgemein
- Kräusslich/Brem: "Tierzucht und allgemeine Landwirtschaftslehre für Tiermediziner", Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1997; ISBN 3-432-26621-9
- Srb/Owen/Edgar: "General Genetics", W.H. Freeman & Company, San Francisco 1965; ASIN B00149QL0E , Library of Congress 65-19558
Methoden
- Meuwissen/Luo (1992): "Computing Inbreeding Coefficients in Large Populations", Genet Sel Evol 24:305-313
- Quaas (1976): "Computing the diagonal elements and inverse of a large numerator relationship matrix", Biometrics 32:949-953
- van Raden (1992): "Accounting for Inbreeding and Crossbreeding in Genetic Evaluation of Large Populations", Journal of Dairy Science 75(11):3136-3144
- Wright (1922): "Coefficients of Inbreeding and Relationship", The American Naturalist 56:330
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