Irrenhäuser

Irrenhäuser

Irrenhaus oder Irrenanstalt ist eine veraltete, heute als abwertend empfundene und nur noch in der Umgangssprache gebräuchliche Bezeichnung für eine Einrichtung, in der psychisch Kranke untergebracht sind (wie auch die Bezeichnungen Klapsmühle oder Klapse). Die Einrichtung der ersten „Irrenhäuser“ begann zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als der Begriff noch nicht seinen heutigen negativen Klang besaß.

Inhaltsverzeichnis

Situation vor Gründung der Irrenhäuser

Francisco de Goya (1746-1828), Casa de Locos

Jahrhundertelang waren die „Narren“ und „Tollen“ unter menschenunwürdigen Bedingungen im Zuchthaus, Arbeitshaus oder Tollhaus untergebracht und verwahrt worden. In ganz Europa herrschte in der Zeit von 1650 bis 1800 eine Epoche der „Ausgrenzung der Unvernunft“, also all jener, die sich den Forderungen des Zeitalters der Vernunft entzogen: Bettler, Vagabunden, Arbeitslose, politisch Auffällige, Dirnen, mit „Lustseuchen“ Behaftete, Depressive sowie geisteskranke und behinderte Menschen. Sie alle wurden ohne Unterschied zusammen mit Sträflingen in einen gemeinsamen Raum gesperrt. Wer außerhalb der Grenzen der Vernunft, der Arbeit und des Anstandes stand, wurde aus der normalen Gesellschaft verbannt.

Behandlung

Die Beaufsichtigung der „Irren“ geschah durch die „Irrenschließer“, die „Versorgung“ durch so genannte „Zuchtmeister“ und durch Strafgefangene. Geisteskranke wurden früher häufig angekettet und mit Folterwerkzeugen gequält, weil man sie so „zur Vernunft bringen“ oder „von ihren Tollheiten heilen“ wollte. Von „Pflege“ konnte dabei gleichwohl keine Rede sein. Da Geisteskranke als unempfindlich gegenüber Hitze und Kälte, Hunger, Durst und Schmerzen galten, ließ man sie fast nackt, gab ihnen nur wenig zu essen und zu trinken und hatte kein Mitleid mit ihnen. Häufig wurden die Geisteskranken gegen ein kleines Entgelt zur Schau gestellt, wie im Londoner Irrenhaus „Bedlam“ (eine Verballhornung des Wortes „Betlehem“).

Gründung der ersten Irrenhäuser

Der Narrenturm, 9. Wiener Bezirk

Die Einrichtung von Irrenhäusern und Irrenanstalten war unter diesem Gesichtspunkt ein relativer Fortschritt – aus dem ausgegrenzten "Irren" wurde ein Kranker mit einem Rechtsanspruch auf ärztliche Hilfe. Als erstes Irrenhaus der Welt gilt der Narrenturm im Wiener AKH (1784). Maßstäbe setzte zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Pariser Arzt Philippe Pinel. Er nahm den Geisteskranken die Ketten ab und führte sie an die frische Luft. Des Weiteren engagierte er sich für die Anerkennung der Psychiatrie als medizinisches Fachgebiet.

In Deutschland wurden wenig später ebenfalls Irrenhäuser und Irrenanstalten eingerichtet, zu einer Zeit, da die deutschen Psychiater noch um die Anerkennung ihres Faches als eigenständige medizinische Disziplin kämpfen mussten.

Verwendung des Begriffes in der heutigen Zeit

Heutzutage gilt der Begriff „Irrenhaus“ oder „Irrenanstalt“ als abwertend und diskriminierend, er wird nur noch umgangssprachlich anstelle von Psychiatrischer Klinik verwendet. Im übertragenen Sinne steht der Begriff auch heute noch als Synonym für Chaos und Unordnung: Das ist ja ein Irrenhaus oder Hier geht es ja zu wie im Irrenhaus.

Siehe auch

Literatur

  • Michel Foucault: Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft, Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1993. ISBN 3-518-27639-5

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