Ismail Haniyya

Ismail Haniyya

Ismail Haniyya (arabisch ‏إسماعيل هنية‎, DMG Ismāʿīl Haniyya oder ‏إسماعيل عبد السلام أحمد هنية‎, DMG Ismāʿīl ʿAbd as-Salām Aḥmad Haniyya [oder Hanīya], oft auch als Ismail Haniyeh oder Ismail Hanija; * 1962 im Flüchtlingslager asch-Schati im Gazastreifen) war von März 2006 bis Juni 2007 Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiegebiete. Er zählt zu den so genannten Top Five der politischen Führern der militanten palästinensischen Hamas.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend und Studium

Seine Eltern mussten während des Palästinakrieges 1948 in das Flüchtlingslager asch-Schati bei Gaza-Stadt fliehen, wo er aufwuchs und noch heute mit seiner Familie lebt. Haniyya besuchte eine Schule der Vereinten Nationen in Gaza und studierte bis 1987 an der Islamischen Universität Gaza arabische Literatur. Dort kam er in Kontakt mit radikalen Unabhängigkeitsbewegungen.

Haft und Deportation

1987 und 1988 wurde er jeweils wegen der Teilnahme an der ersten Intifada zu kürzeren Haftstrafen verurteilt. 1989 wurde Haniyya schließlich zu drei Jahren Haft verurteilt und 1992 zusammen mit anderen führenden Hamas-Mitgliedern wie Abd al-Aziz ar-Rantisi und Mahmud az-Zahar in den Südlibanon deportiert.

Rückkehr, Hamas und Eintritt in die Politik

Nach seiner Rückkehr 1993 wurde er zum Dekan der Philosophischen Fakultät der Islamischen Universität ernannt. 1997 wurde er Bürochef Scheich Ahmad Yasins, des geistigen Führers der Hamas, und Verbindungsmann der Hamas zur palästinensischen Autonomiebehörde. Im März 2004 überlebte er den Mordanschlag der israelischen Armee auf Yasin. Nachdem auch Yasins Nachfolger ar-Rantisi liquidiert wurde, beschloss die Hamas, den Namen ihres neuen Führers in Gaza geheim zu halten. Palästinensische Quellen sprechen aber davon, dass Haniyya zusammen mit az-Zahar und Sayyid as-Sayyam eine Dreierspitze bildet. Bei den Wahlen in den palästinensischen Autonomiegebieten 2006 war er Spitzenkandidat der Hamasliste.

Haniyya gilt als relativ pragmatische Figur innerhalb der Hamas. So war er schon früh bestrebt, die Hamas in die palästinensische Befreiungsorganisation PLO einzubinden. Er bemüht sich nachhaltig um eine Koalitionsregierung mit der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Abbas. Am Abend des 21. Februar 2006 wurde Haniyya von Präsident Abbas auf Vorschlag der Hamas zum neuen Ministerpräsidenten der Palästinensergebiete ernannt. Nach ungesicherten Berichten soll Haniyya von Abbas ein Schreiben erhalten haben, in dem die neue hamasgeführte Regierung aufgefordert wird, sämtliche mit Israel getroffenen Friedensverträge und Absprachen einzuhalten.

Daraufhin erklärte Haniyya seine grundsätzliche Bereitschaft zur Anerkennung Israels für den Fall, dass Israel sich auf die Grenzen von 1967 zurückzieht. Außerdem solle das Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge festgeschrieben werden. Nach heftigen Protesten innerhalb der Hamas relativierte Haniyya seine Äußerungen und sprach anstatt einer Friedenslösung nur noch von einem dauerhaften Waffenstillstand. Am 29. März 2006 wurde er zum Ministerpräsidenten ernannt und stellte seine Regierung vor.

Im August 2009 äußerte sich Haniyya kompromisslos hinsichtlich der Anerkennung Israels: “Hamas will never recognize the Zionist entity... and [will] continue the resistance until liberating the land and the holy sites" ("Hamas wird das zionischische Gebilde niemals anerkennen... und [wird] den Widerstand fortsetzen, um das Land und die Heiligen Stätten zu befreien").[1] Dagegen erklärte er im Dezember 2010 im Namen der Hamas, dass seine Organisation einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 akzeptieren würde. Zudem würde sie ein Referendum über ein Friedensabkommen respektieren, sofern die Mehrheit aller Palästinenser dafür stimme.[2]

Anfang Mai 2011 unterschrieb Haniyya gemeinsam mit Mahmud Abbas (Fatah) zur Überraschung vieler ein Versöhnungsabkommen, das eineinhalb Jahre zuvor die ägyptische Führung in Auftrag der Arabischen Liga aufgesetzt hatte. Vor allem die Hamas hatte sich gegen eine Unterzeichnung gewehrt. Beide Fraktionen planen vor der Parlamentswahl 2012 eine gemeinsame Übergangsregierung zu bilden. Palästinensische Politikexperten führten diesen Schritt auf die arabischen Aufstände seit Beginn des Jahres 2011 zurück.[3]

Israelische Morddrohung

Als Anfang Juni 2006 die Hamas die Waffenruhe aufkündigte und Raketen auf israelischem Territorium einschlugen, wurde von Tzachi Hanegbi, dem Vorsitzenden des Außen- und Verteidigungsausschusses der Knesset, Haniyyas Eliminierung angedroht: Falls die Hamas wieder Selbstmordattentate in Israel begehe, sei der Regierungschef vogelfrei.[4]

Um den internationalen Boykott der Hamas-Regierung und das damit verbundene Finanzembargo des Westens zu beenden, verhandelten Hamas und Fatah seit dem Herbst 2006 über die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit. Haniyya erklärte daraufhin seine Bereitschaft zum Rücktritt, falls durch diesen eine Aufhebung der Sanktionen erreicht werden könnte. Als sein Nachfolger war Muhammad Schabir im Gespräch. Haniyya blieb jedoch bis zum 15. Juni 2007 im Amt. An diesem Tag wurde er von Präsident Mahmud Abbas entlassen, weil dieser in Ministerpräsident Haniyya den Hauptschuldigen für den Bürgerkrieg zwischen der Hamas und der Fatah sah. Abbas ernannte den bisherigen Finanzminister Salam Fayyad zum Ministerpräsidenten einer Notstands-Regierung.

Im Vergleich zu den anderen Führern der Hamas wird Haniyya dem eher gemäßigtem Flügel zugeordnet. Er soll keine Verbindung zu den Militanten haben. Haniyya gilt als der Mann, der die Hamas führen könnte, falls der derzeit radikale und militante Flügel die Macht verlieren sollte.

Privates

Haniyya ist verheiratet und hat dreizehn Kinder.

Literatur

  • Wir wollen Ruhe und Stabilität. In: Der Spiegel. Nr. 24, 2006 (Interview mit Ismail Haniyeh, online).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. "Haniyya: 'Hamas will never recognize the Zionist entity'", International Middle East Media Center, 14. Aug. 2009[1]
  2. Sanfte Töne aus dem Gazastreifen. Der Hamasführer Ismael Hanija gibt sich kompromissbereit – Israel und die Fatah sind dennoch skeptisch, Frankfurter Rundschau, 2. Dezember 2010
  3. vgl. Palästinenser besiegeln Aussöhnung: Das Ende von "vier schwarzen Jahren" bei tagesschau.de, 4. Mai 2011 (aufgerufen am 4. Mai 2011).
  4. Nahost: Israel droht Hanija mit Ermordung, Focus, 12. Juni 2006

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