Palästinenser

Palästinenser

Als Palästinenser (arabisch ‏فلسطينيون‎, DMG Filasṭīnīyūn) galten ursprünglich alle Bewohner des gesamten britischen Mandatsgebiets Palästina. Heute wird diese Bezeichnung vor allem für die Arabisch sprechenden Bewohner im Westjordanland und dem Gazastreifen sowie für im Ausland lebende Angehörige gebraucht. Für jüdische Bewohner Israels ist diese Bezeichnung inzwischen nicht mehr gebräuchlich, selbst wenn es sich um „Sabre“ (in Palästina geborene Juden) aus der Mandatszeit handelt. Araber mit israelischen Bürgerrechten werden, manchmal fallweise variierend, als israelische Palästinenser oder als arabische Israelis bezeichnet. Das offizielle Israel bevorzugt den zweiten Begriff für seine Bürger und verwendet Palästinenser eher für die Bürger der Autonomiegebiete.

Die meisten arabischen Palästinenser sind Muslime (schafiitischer Richtung), eine Minderheit ist christlich und gehört vorwiegend der Orthodoxen Kirche (Patriarch von Jerusalem) an. Die arabischen Drusen zählen sich, ebenso wie Teile der arabischen Beduinen Palästinas, nicht zu den Palästinensern.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Begriff „Palästina“ stammt von der griechischen Bezeichnung Philistia ab und wurde von den Briten als Bezeichnung für ihr Mandatsgebiet nach Ende des 1. Weltkriegs aufgegriffen. Erste nationale Unabhängigkeitsbestrebungen für das Gebiet Palästina gab es von jüdischer Seite seit Ende des 19. Jahrhunderts, von arabischer Seite seit Anfang des 20. Jahrhunderts. In der Anfangszeit waren diese Bestrebungen einvernehmlich, wie das Faisal-Weizmann-Abkommen belegt. Starke finanzielle Unterstützung aus Europa und Amerika ermöglichten es den Juden, von osmanischen Großgrundbesitzern Land abzukaufen, was häufig zu Lasten der seit Generationen darauf lebenden arabischen Familien ging. Dies führte zunehmend zu Spannungen, was von arabischen Nationalisten zusätzlich angeschürt wurde. Zum Zeitpunkt der Mandatsübernahme durch die Briten war die arabisch-jüdische Konfrontation und Feindseligkeit bereits sehr verhärtet.

Am 25. März 1923 wurde das Mandatsgebiet Palästina östlich des Jordans (78 % des gesamten Mandatsgebiets) halbautonom, und dadurch für jüdische Ansiedelungen unzugänglich. Am 22. März 1946 wurde dieses Gebiet als Transjordanien ein unabhängiger arabischer Staat. Das restliche Mandatsgebiet westlich des Jordans wurde nicht vollständig zu einem jüdischen Staat. Beeinflusst vom immer stärker eskalierenden arabisch-jüdischen Konflikt kam es zu mehreren verschiedenen Teilungsvorschlägen in einen arabischen und einen jüdischen Staat, der dann in den UN-Teilungsplan mündete. Nach dem Ende des britischen Mandats über Palästina im Jahr 1948 kam es nicht zu der geplanten Bildung zweier unabhängiger Staaten. Es kam lediglich zur Gründung Israels durch ansässige sowie eingewanderte Juden im Westteil des Landes, während die arabische Seite den Teilungsplan des Völkerbundes ablehnte. Jordanien annektierte daraufhin das Westjordanland, der Gazastreifen fiel unter ägyptische Verwaltung (siehe Hauptartikel: Nakba). Seit 1967 steht das Westjordanland unter israelischer Kontrolle mit begrenzter arabisch-palästinensischer Autonomie (siehe Hauptartikel: Palästinensische Autonomiegebiete).[1] Der Gazastreifen wurde 2005 von Israel geräumt und wird derzeit von der islamistischen Hamas kontrolliert.

Der Begriff „Palästinenser“ in seiner jetzigen Bedeutung existiert erst seit der ersten Charta[2][3] der PLO 1964[4]. In UNO-Resolutionen war nur von „Palästinaflüchtlingen“ die Rede. Doch die Bestimmungen des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), wer Palästinaflüchtling sei, beeinflussten die Definition des Begriffs „Palästinenser“. In offiziellen Dokumenten der Bundesrepublik Deutschland kamen die Palästinenser damals nicht vor.

Eine maßgebliche Rolle bei der Schaffung eines breiten palästinensischen Nationalbewusstseins spielte Jassir Arafat. Unter seiner Führung wurden die Palästinenser von den Vereinten Nationen zu einem Völkerrechtssubjekt erklärt. Zudem erreichte Arafats PLO die Gründung der Palästinensischen Autonomiebehörde, die heute einen Beobachterstatus innerhalb der UN besitzt, jedoch keinen Staat im eigentlichen Sinne darstellt.

Anfang des 20. Jahrhunderts hatte noch die Idee des Panarabismus (Anbindung Palästinas an die Nachbarstaaten) unter den arabischen Palästinensern größere Bedeutung, welche im Verlauf des Jahrhunderts jedoch immer mehr abnahm[1]. Nach der Gründung Israels versuchte die syrisch kontrollierte as-Sa'iqa unter Zuheir Mohsen die Palästinensergebiete an den syrischen Staat anzuschließen, was ebenfalls misslang. Heute verstehen sich viele Palästinenser als einer palästinensischen Nation zugehörig. Zeichen dieser Identität ist häufig die Flagge der palästinensischen Autonomiebehörden. Nach dem Tod Jassir Arafats, der mit einem Machtverlust der PLO und ihrer stärksten politischen Fraktion, der Fatah, einherging, trat unter den Palästinensern die aus der ägyptischen Muslimbruderschaft hervorgegangene, islamistische Hamas stärker in der Vordergrund. Diese Bewegung steht im Konflikt mit Zielen der Fatah, die nach wie vor in der Gründung eines säkularen und von den arabischen Nachbarstaaten unabhängigen Staates Palästina bestehen.[5]

Demographie

Die Ermittlung zuverlässiger Bevölkerungszahlen der Palästinenser gestaltet sich schwierig, da sich deren höchste Bevölkerungsdichte zwar in den palästinensischen Autonomiegebieten findet, die Mehrheit der Palästinenser aber als Emigranten anderswo lebt. Folgende Schätzungen stammen von der Palestinian Academic Society for the Study of International Affairs (PASSIA) aus dem Jahre 2001:

Land / Region Bevölkerung
Westjordanland und Gaza-Streifen 3 700 000
Israel (*) 1 213 000
Jordanien 2 598 000
Libanon 388 000
Syrien 395 000
Saudi-Arabien 287 000
Golfstaaten 152 000
Ägypten 58 000
Andere arabische Staaten 113 000
Vereinigte Staaten von Amerika 216 000
Andere Länder 275 000
Gesamt 9 395 000

Die 200.000 Palästinenser, die in Ost-Jerusalem leben, sind in der o.a. Bevölkerungszählung (siehe Israel *) möglicherweise doppelt erfasst, da sie auch zur Region „Westjordanland und Gaza-Streifen“ gezählt wurden.

Laut UNRWA sind 3,7 Millionen Palästinenser als Flüchtlinge anerkannt. Das sind Personen, die aus ihren angestammten Gebieten vertrieben worden oder geflohen sind, sowie deren Nachkommen.[6].

Von den jordanischen Behörden werden allerdings keine offiziellen Statistiken darüber herausgegeben, wie viele Bewohner palästinensischer Abstammung sind. Schätzungen gehen von 50 % bis 80 % aus.

Das palästinensische Statistikamt gab am 20. Oktober 2004 die offizielle weltweite Anzahl an Palästinensern mit 9,6 Millionen bekannt, 2001 waren es laut Statistik 8,8 Millionen.

Palästinensische Persönlichkeiten

Schriftsteller

Bühne und Film

  • Hany Abu-Assad, (Filmregisseur)
  • Nizar Hasan, (Filmregisseur)
  • Hiam Abbass, (Schauspielerin)
  • Mohammed Bakri, (Schauspieler)
  • Hanna Elias, (Filmregisseur) (The Olive Harvest)
  • Elia Suleiman, (Filmregisseur) (Divine Intervention)
  • Tawfik Abu Wael, (Filmregisseur) (Atash)
  • Nahed Mohammad, (Schauspieler)

Musik

Bildende Kunst

  • Naji al-Ali (1936–1987), Cartoonist, Schöpfer des "Handala"
  • Mona Hatoum, Bildhauerin
  • Emily Jacir, Konzeptkünstlerin
  • Omayya Joha, Cartoonistin

Sport

  • Riad Al-Rafati (Kickboxen)
  • Mustafa Hassanen (Bodybuilding)
  • Mohammad Abu Hamous (Langstreckenlauf)
  • Fadi Lafi (Fußball)

Politiker

PLO

Fatah

Hamas

Weitere

Diverse Aktivisten

Religion

Islam

Christentum

Wissenschaftler

  • Shams al-Din al-Muqaddasi (al-Maqdisi), Geograph, *946 in Jerusalem
  • Sana Salous, Professorin für Ingenieurwissenschaften
  • Ahmed Teebi, Leiter Middle East Genetic Associatione

Sonstige Persönlichkeiten

  • Salah Chalaf
  • Yahya Ayash
  • Abd El-Bar Atwan (Journalist)
  • Dr. Ahmad Muhaisen
  • Akram Hanniyyeh
  • Mohammad Ibrahim (Friedensaktivist)
  • Fadia Foda (Freie Journalistin)
  • Naji al-Ali (Cartoonist)

Palästinensische Familien

Al-Husaini, Al-Qudwa, Muhaisen, Shatat, Atwan, Foda, Najajreh

Siehe auch

Solidarität mit dem palästinensischem Volk: DDR-Briefmarke von 1982

Literatur

  • Édouard Atiyah und Henry Cattan: Palästina - Versprechungen und Enttäuschungen. Rastatt 1970.
  • Gerrit Hoekmann: Zwischen Ölzweig und Kalaschnikow. Geschichte und Politik der palästinensischen Linken. ISBN 3-928300-88-1.
  • Dar al Janub (Hrsg.): … und wo ist Palästina? Eine Reise in die palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon. Wien 2006. ISBN 3-9502184-0-8.
  • Walid Khalidi: Das Palästinaproblem - Ursachen und Entwicklung / 1897-1948. Rastatt 1970.
  • Irit Neidhardt (Hg.): Mit dem Konflikt leben!? Berichte und Analysen von Linken aus Israel und Palästina. ISBN 3-89771-010-2.
  • Fabio Maniscalco: Protection, conservation and valorization of Palestinian Cultural Patrimony. Monographic collection Mediterraneum, n. 5. Massa Publisher 2005.

Weblinks

 Commons: Palestinians – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Palästinenser – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b Palestine. Encyclopædia Britannica. Abgerufen am 29. Januar 2011.
  2. The Palestinian National Charta, 1964. Gesehen 18. Januar 2009.
  3. Statement of Proclamation of the Organization, PLO, Jerusalem, 28. Mai 1964. Online auf den Seiten der „Permanent Observer Mission of Palestine to the United Nations“. Gesehen 18. Januar 2009..
  4. Ulrich W. Sahm nach E. Hausen: „Journalist Sahm: "Israelis haben kein Problem mit uns"“, Israelnetz.com, Nachrichten vom 16. Januar 2009.
  5. http://www.usahm.info/Dokumente/Hamasdeu.htm
  6. http://www.un.org/unrwa/publications/pdf/figures.pdf

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