Jadekaiser

Jadekaiser
Der mythische Jadekaiser Yu Di.

Yu Di (玉帝 oder Yu Huang, 玉皇, gesprochen: Yü Ti), der Jadekaiser (chin. Yu = Jade) oder Yu der Große, ist eine der wichtigsten Gottheiten in der chinesischen Mythologie des Konfuzianismus. Der Jadekaiser wird als Gott verehrt und gilt als höchstes Prinzip des Himmels, und alle folgenden chinesischen Kaiser sahen sich als Sohn Yu Dis (Sohn des Himmels).

Inhaltsverzeichnis

Kult

Sein Kult wurde vor allem im 11. Jahrhundert von der Song-Dynastie gefördert. Sie bauten zahlreiche Tempel und Paläste und erhoben ihn zum höchsten Gott über das Pantheon. Er wird oft auf einen Thron sitzend mit kaiserlichen Drachengewändern dargestellt, in der Hand die Zeremonientafel. Der Jadekaiser ist einer der San-ch'ing, der Drei Reinen, die die drei reinen Himmel bewohnen. Er war Nachfolger des fünften mythischen Kaisers Shun. Unter ihm wurde das Erstgeburtsrecht und das bis 1912 andauernde dynastische System eingeführt.

"Werdegang" und Hintergrund

Im 17. vorchristlichen Jahrhundert hatte Kaiser Cheng Tang die Xia-Dynastie vernichtet und die Shang-Dynastie gegründet. In jener Zeit rückten der Kult des obersten Gottes Shangdi (so seine Titulatur) und die Ahnenverehrung eng zusammen. Der König, so glaubte man, empfing sein Herrschermandat vom Himmel und kehrte nach seinem Tod an die Seite des "Shangdi" zurück, wurde daher mit diesem als höchste Gottheit verehrt.

Yu-Di (auch Shangti „Höchster Gott“) war ursprünglich ein chinesischer Königssohn und später unsterblicher Weiser, dem Kaiser Cheng Tsung 1015 n. Chr. diesen Titel verlieh, denn die chinesischen Kaiser hatten damals diese Macht über die Götterwelt, in der die Götter oft nur noch den Rang eines Provinzgouverneurs des Kaisers einnahmen. Als oberster Gott (Shangdi) hatte Yu Di zuvor längst den alten Himmelsgott Yüan-schih t’ien-tsun („Himmlischer Ehrwürdiger des Uranfangs) abgelöst, einer der drei daoistischen Hochgötter, dessen Assistent und mutmaßlich sein Urenkel er gewesen war, ein mythologisch gerne angewandter Kunstgriff, um Menschen zu göttlichen Ehren zu verhelfen. Dieser Vorgang spiegelt zugleich aber auch die machtpolitische Ablösung des Daoismus durch den Konfuzianismus wieder, dessen Geschöpf der Jadekaiser während des Höhepunktes des Konfuzianismus zur Zeit der Song-Dynastie tatsächlich wohl ist, als eine zunehmende Vergottung konfuzianischer Weiser stattfand. Die vergotteten Weisen, vor allem die weisen Herrscher des Altertums, wurden nun zur Quelle der Offenbarung rechter Moral.

Umfeld und Funktion

Yu war Gatte der Wang Mu niang-niang und hatte neun Töchter, darunter Xiwangmu („Westkönigsmutter“), Göttin der Epidemien und der Unsterblichkeit sowie Herrscherin über das westliche Paradies K’un-lun. Yu war der "Ingenieur" unter den chinesischen Göttern und Erfinder der großen Staudämme, also einer der nicht nur in China verbreiteten Kulturheroen, so wie vor ihm schon der erste und zweite Erhabene Fu-hsi und Shen-nung sowie Huang Di, der erste (der "gelbe") Kaiser sowie der fünfte Kaiser Shun, dessen Nachfolger er nach den Legenden war.

Yu durchwanderte die Erde ständig und unermüdlich, um sie zu gestalten. Er war Begründer und erster Kaiser der, historisch nicht voll belegbaren, Xia-Dynastie, in der die Herstellung von Jadegeräten eine neue technische Stufe erreichte. Um seine Gestalt ranken sich zahlreiche Legenden, auch um seinen (friedlichen) Widerstand gegen den alten Himmelsgott, dessen für eine Dao-Gottheit typisches Desinteresse am Schicksal der Menschen er kritisiert und zu dessen Ärger er korrigierend eingreift.

Der Jadekaiser regelte von seinem Palast im Himmel aus alle himmlischen und irdischen Angelegenheiten. Er hatte Minister, eine mächtige pedantische Verwaltung, zahlreiches Personal etc. und war somit ein Spiegelbild des konfuzianischen Systems der Staatsverwaltung. Von unten bis zur Spitze der sozialen Leiter wurden an seinem Hofe Berichte übermittelt, Lob und Tadel wurden verteilt, es gab Beförderungen und Rückstufungen, neue Götter ersetzten je nach Leistung die alten, eine Aufgabe, die von der irdischen Regierung des Kaisers per Dekret (der Kaiser entschied also letztlich über den "beruflichen" Werdegang der Götter) oder aber von daoistischen Priesern wahrgenommen wurde, deren religiöse Konzepte inzwischen ebenso wie die des Buddhismus teilweise mit dem Konfuzianismus verschmolzen waren, vor allem, um die dort offen gelassenen metaphysischen Fragen klären zu können (was langfristig aber nicht gelang, s. Neokonfuzianismus). Einmal im Jahr, am Neujahrstag, erstatteten ihm alle Ressort-Gottheiten Bericht.

Jade

Die Titulatur "Jade-Erhabener" ist natürlich nicht zufällig, denn die hohe kultische Wertschätzung der Jade ist ein wesentlicher Bestandteil der chinesischen Kultur. Schon früh und bereits im Neolithikum glaubte man, dass Jade es dem Menschen möglich mache, mit den Göttern in Kontakt zu treten und verwendete sie als Medium zwischen der irdischen und der überirdischen Sphäre. Über diesen magischen Aspekt hinaus verband man damit die Vorstellung von Reinheit, Schönheit und Erhabenheit. Jade galt außerdem als Verkörperung des lichten, männlichen Yang-Prinzips innerhalb der Yin-Yang-Dualität, und sie war das Symbol für Lebenskraft. Vor allem die Identifizierung der Jade mit dem männlichen Prinzip sollte sich unmittelbar auf die spätere Verbindung von Herrscher und Jade auswirken. Der Name Jadekaiser ist aber auch aus anderen Gründen ein weiterer Beleg für seine konfuzianische Herkunft, denn im Konfuzianismus gab es schon früh einen Jadekult, aus dem sich eine regelrechte Jade-Ethik entwickelte, deren Kernsatz lautete: "Der Edle vergleicht seine Tugend mit Jade". Aus dieser Ethik entstand dann als Spätsymptom ein relativ starres Zeremonialjade-System.

Literatur

  • Bellinger, G.J. : Knaurs Lexikon der Mythologie. Weltbild, Augsburg 2001. ISBN 3-8289-4154-0
  • Blunden, C., M. Elvin: Weltatlas der alten Kulturen: China, 2. Aufl. Christian Verlag, München 1985. ISBN 3-88472-091-0
  • Cavendish, R., T.O. Ling: Mythologie. Eine illustrierte Weltgeschichte des mythisch-religiösen Denkens. Christian Verlag 1981. ISBN 3-88472-061-9
  • Comte, F.: Mythen der Welt, WBG, Darmstadt 2008. ISBN 978-3-534-20863-0
  • Tworuschka, Monika, U. Tworuschka (Hrsg.): Religionen der Welt in Geschichte und Gegenwart. Bertelsmann, Gütersloh 1992.
  • Yang Yang: Die Entstehung der chinesischen Jadekultur. In: Das alte China. Menschen und Götter im Reich der Mitte. Ausstellungskatalog der Kulturstiftiung Ruhr Essen 1995. ISBN 3-7774-6640-9

Weblinks


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