- Jagdliches Brauchtum
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Das jagdliche Brauchtum beschreibt Verhaltensweisen und Gepflogenheiten, die Jäger untereinander und während der Jagd ausüben. Es sollte nicht mit der Waidgerechtigkeit verwechselt oder ihr gleichgestellt werden, da es als solches nicht die Methodik des Jagens und moralische oder ethische sowie tierschutzrelevante Punkte berührt.
Inhaltsverzeichnis
Die Jägersprache und die jagdliche Begrüßung
Die Pflege und Verwendung der Jägersprache als Standessprache und Fachsprache ist unter Jägern allgemein üblich und gilt als Selbstverständlichkeit. Anwesenden Nicht-Jägern gegenüber soll sie vermieden werden, damit nicht der Eindruck einer unangebrachten Abgrenzung entsteht. Mindestens müssen Begriffe, die sich nicht von selbst erklären, „übersetzt“ werden.
Jäger begrüßen und verabschieden sich gegenseitig mit „Waidmannsheil“. Mit „Waidmannsdank“ antwortet der Jäger, wenn das „Waidmannsheil“ als Glückwunsch zur Beute verwendet wird. Ebenso antwortet der Jäger grundsätzlich mit „Waidmannsdank“ auf das Waidmannsheil eines Nichtjägers.
Die Bruchzeichen
Die Bruchzeichen, soweit sie als Mitteilungsmittel Verwendung finden, werden heute von vielen Jägern durch Trassierbänder (rot-weiße Plastikbänder) ersetzt. Sie in ihrer ursprünglichen Form zu benutzen ist nicht nur brauchtumsgerecht, sondern hat auch Vorteile im Sinne des Umweltschutzes.
Wenn der Jagdherr einem erfolgreichen Schützen den Schützenbruch überreicht, wird der Bruch auf dem Hut oder der Klinge des Jagmessers angeboten.
Verhalten gegenüber erlegtem Wild, „Strecke legen“
Wenn der Jäger an seine Beute herantritt, nimmt er seinen Hut ab. steht einen Augenblick still und bedenkt, dass er nicht nur Jagderfolg hatte, sondern auch einmaliges Leben ausgelöscht hat. Er legt das erlegte Tier auf die rechte Körperseite, bedeckt es mit einem Bruch und nimmt sich den Schützenbruch. Im Anschluss „bricht“ er das Tier auf (ausweiden, Entfernen der Eingeweide). Wenn die „rote Arbeit“ beendet ist, wird für das Tier ein „Totsignal“ auf dem Jagdhorn (wenn vorhanden) geblasen.
Für das „Aufbrechen“ (ausweiden) des Tieres gibt es auch Brauchtumsvorschriften, die aber heute aus Gründen der Fleischhygiene nicht mehr befolgt werden.
Grundsätzlich ist der Jäger gehalten, sein Wild nicht nur als „produziertes Lebensmittel“ zu betrachten, sondern auch an das Mitgeschöpf zu denken, dass er getötet hat. Sein Verhalten und der Umgang mit dem toten Tier soll erkennen lassen, dass er es nicht nur mit einer „Sache“ zu tun hat, sondern mit einem Lebewesen.
Bei Gesellschaftsjagden werden alle erlegten Tiere „zur Strecke“, nach einem bestimmten System auf ein Bett von Brüchen (Bruchzeichen) gelegt. Der Platz wird üblicherweise mit Feuern oder Fackeln beleuchtet, alle Jagdbeteiligten sind anwesend. Nach Bekanntgabe, was erlegt wurde, wird jede Tierart mit einem „Totsignal“ auf dem Jagdhorn „verblasen“. Den Abschluss bilden die Jagdhornsignale „Jagd vorbei“ und „Halali“.
Die jagdliche Bekleidung
Zur Jagd und bei Zusammenkünften trägt der Jäger jagdliche Bekleidung und einen Hut. Sind am Hut jagdliche Trophäen befestigt, ist es selbstverständlich, dass sie von selber erlegtem Wild stammen (man schmückt sich nicht mit „fremdem Federn“). Jacke und Hose sind aus derben Stoffen gefertigt, die Hose meist grün oder schwarz gefärbt, die Jacke grün. Das Hemd ist weiß (heute selten), der Langbinder schwarz oder grün (Langbinder werden heute sehr selten getragen).
Heute trägt der Jäger üblicherweise eine Bekleidung, die sich mehr an praktischen Forderungen denn am Brauchtum orientiert. Bei Gesellschaftsjagden wird aus Sicherheitsgründen eine Warnweste über dem Mantel getragen (Vorschrift der Berufsgenossenschaft). Militärische Tarnkleidung wird von vielen Jägern abgelehnt, da sie gegenüber Nicht-Jägern einen negativen Eindruck erzeugt.
Jagdhornsignale und Jägerlieder
Signale mit dem Jagdhorn zu blasen ist keine Altertümlichkeit. Nicht jeder ist während der Jagd mit Mobiltelefon oder Funkgerät ausgestattet und die jagdlichen Hornsignale sind weit zu hören und werden von Jägern verstanden.
Jägerlieder werden vor allem nach dem Schüsseltreiben und zu Jägerabenden gesungen. Chöre und Studentische Jagdverbindung pflegen die Tradition des jagdlichen Liedgutes.
Jägerlatein
Das Jägerlatein umfasst Geschichten und Erzählungen, deren Inhalt zwar denkbar ist, aber nicht stimmt. Sie haben witzigen, anekdotenhaften Charakter, dürfen aber niemals eine Lüge sein. Die Unwahrheit muss erkennbar bleiben (Beispiel: „Bei uns jagen wir die Kaninchen mit Elefanten. Wir brauchen nun keinen Geländewagen mehr und der Elefant kann mit seinem Rüssel die Kaninchen aus dem Bau pusten. Wir schießen sie dann wie Tauben, wenn sie aus den Röhren des Baues herausfliegen…“).
Aberglauben
Der jagdliche Aberglaube spielt nach wie vor eine Rolle. Beispiel: Eine gerade Anzahl von Patronen, zur Jagd mitgenommen, sorgt sicher dafür, keinen Erfolg zu haben.
Waidgeschrei
Wenn in einer Gruppe von Jägern ein Kamerad geehrt wird oder sich die Versammlung für eine Runde Getränke bedankt, wird ein Waidgeschrei angestimmt: Einer ruft laut „Horrido“ und die Gruppen antwortet mit einem lauten „Johoo“. Es wird dreimal geschrien. Meist folgt im Anschluss ein gemeinsamer Gesang der Zeile: „Ein Horrido, ein Horrido, ein Waidmannsheil, …
Schüsseltreiben und Jagdgericht
Zum Ende einer Gesellschaftsjagd, insbesondere einer Treibjagd, erfolgt ein gemeinsames Essen der Jäger, Treiber und Hundeführer („Schüsseltreiben“). Hierbei wird oft ein Jagdgericht einberufen, das Jäger, Treiber und Hundeführer, die gegen das Brauchtum verstoßen haben, „bestraft“. Die Strafen bestehen meist aus dem Ausgeben von Getränkerunden und harmlosen Späßen. Körperliche Strafen, wie Schläge mit dem Waidblatt, einem großen Jagdmesser, auf das entblößte Hinterteil, sind nicht mehr üblich. Das Jagdgericht kann auch Ehrungen für vorbildliches Verhalten vornehmen.
Literatur
- Walter Frevert: Jagdliches Brauchtum und Jägersprache. Kosmos, Stuttgart 2007, 262 S., ISBN 978-3-440-11034-8 oder ISBN 3-440-11034-6
- Bruno Hespeler: Jäger wohin? Eine kritische Betrachtung deutschen Waidwerks. BLV, München, Wien und Zürich 1990, 328 S., ISBN 3-405-13876-0
- Georg Kurzbauer: Hut auf oder Hut ab? Jagdliches Brauchtum, Kultur & Tradition. Österreichischer Jagd- und Fischerei-Verlag, Wien 2002, 101 S.
- Karl Lemke, Franz Stoy: Jagdliches Brauchtum. 3., überarbeitete Auflage. Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin 1985, 172 S.
- Carl Zeiss, Fritz Dobschova: Lexikon der Waidmannssprache und weiterer Sachgebiete der Jagd. Wildbiologie, Wildkrankheiten, Wildhege, Jagdbetrieb, Jagdpolitik, Jagdliches Brauchtum, Waffentechnik, Munitionskunde, Schießwesen, Jagdoptik, Jagdhundewesen, Falknerei u.v.m.. VMA-Verlag, Wiesbaden 1996, 285 S., ISBN 3-928127-37-3
- Benedikt Hebenstreit: Jagdliches Brauchtum in Vergangenheit und Gegenwart. Hubertusverlag, Wien 1977, 94 S., ISBN 3-85370-065-9
Weblinks
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